Der Klimawandel verschärft weltweit extreme Wetterlagen. Bosnien und Herzegowina erlebt gerade die schwersten Überschwemmungen seit einem Jahrzehnt. Starke Regenfälle haben vor allem in den südlichen und zentralen Regionen katastrophale Überschwemmungen verursacht, die in den Kommunen Jablanica, Kiseljak, Kreševo, Fojnica und Vareš verheerende Schäden angerichtet haben. Das steigende Wasser und die Erdrutsche haben die Infrastruktur zerstört, den Zugang zu wichtigen Straßen und Eisenbahnlinien unterbrochen und auf tragische Weise mehr als 20 Menschenleben gekostet; unzählige Menschen haben ihre Wohnung oder ihre Existenzgrundlagen verloren. Und obwohl die körperliche Genesung dringend notwendig ist, ist die psychische Belastung der Überlebenden, der Rettungskräfte und des Gesundheitspersonals ein ebenso dringendes Problem.
Die betroffene Bevölkerung erreichen
In Jablanica, einer kleinen Stadt nur 60 Kilometer südwestlich von Sarajewo, beschreibt der freiwillige Helfer Dino Dzevlan die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Katastrophe: "Alles geschah zu schnell, um reagieren zu können, und eine kleine Gemeinde wie Jablanica ist mit einer Katastrophe diesen Ausmaßes einfach überfordert."
Trotz des Chaos lobt Dzevlan die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung. "Als der Aufruf vom Katastrophenschutz kam, haben sich über 100 Helfer gemeldet. Wir haben alles getan, was wir konnten, von der Reinigung von Häusern über die Räumung von Straßen bis hin zur Verteilung von Lebensmitteln und Wasser. In einer solchen Situation kann man von einfachen Leuten nicht mehr erwarten."
Ramiza Ustovic, eine Bewohnerin von Buturovic Polje in der Nähe von Jablanica, verdankt ihren Nachbarn ihr Leben. "Ich habe geschlafen, als alles passierte", erinnert sie sich.
Auf eine solche Solidarität kommt es während des Wiederaufbaus an, aber die Belastung ist offensichtlich. Alma Budim Hondo, Leiterin einer örtlichen Einrichtung der primären Gesundheitsversorgung, warnt: "Wir stehen kurz vor dem Burnout und brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können."
Versorgung mit dem Nötigsten
Als Reaktion auf die verheerenden Überschwemmungen hat die WHO ein geländegängiges Fahrzeug zur Verfügung gestellt, das für den Transport von medizinischem Personal und Patienten auf unwegsamem Gelände unverzichtbar ist und mit dem Bedürftige auch in Gebieten, in denen der Zugang durch steigendes Wasser und Erdrutsche stark beeinträchtigt wurde, lebenswichtige Gesundheitsleistungen erhalten.
Die WHO steht der von der Flutkatastrophe betroffenen Bevölkerung fest zur Seite und arbeitet eng mit den örtlichen Notfallteams zusammen, um unentbehrliche medizinische Hilfsgüter und Geräte dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Ein Aufruf zur psychologischen Unterstützung
Auch wenn die unmittelbaren physischen Bedürfnisse der Betroffenen im Vordergrund stehen, so ist es doch ebenso wichtig, die psychischen Folgen dieser traumatischen Erlebnisse zu erkennen und zu bewältigen; dies gilt auch für das medizinische Personal, die Rettungskräfte und die Katastrophenschutzteams, die ihre Gemeinden unermüdlich unterstützen. Diese engagierten Menschen arbeiten oft unter enormen Belastungen und stehen vor emotionalen Herausforderungen, wenn sie in ihren Gemeinden und sogar in ihren Familien Leid und Verlust erleben. Ohne die nötige Unterstützung kann dies zu schwerwiegenden psychologischen Folgen führen, insbesondere zu posttraumatischen Belastungsstörungen und langfristigen psychischen Problemen. Burnout, ein Zustand emotionaler, körperlicher und seelischer Erschöpfung, ist in der Notfallhilfe immer häufiger anzutreffen.
Bahrudin Bandic, ein Mitglied des Bergrettungsdienstes der Föderation Bosnien und Herzegowina, unterstreicht die Bedeutung psychologischer Betreuung: "Man hat uns kostenlose Termine beim Psychologen angeboten", erzählt er. "Zuerst fand ich das seltsam, aber dann habe ich gemerkt, dass es wirklich nützlich ist."
Organisationen wie der Psychologenverband der Föderation Bosnien und Herzegowina und das Rote Kreuz mobilisieren zügig Teams, um den von den Überschwemmungen Betroffenen psychosoziale Unterstützung zu gewähren, da sie wissen, dass eine emotionale Genesung ohne rasches Eingreifen Jahre dauern kann.
Die Stigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme durchbrechen
Die Stigmatisierung psychischer Gesundheitsprobleme stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Viele Menschen zögern, Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie Vorurteile, Diskriminierung oder den Eindruck von Schwäche befürchten, insbesondere Personen, die beruflich unter hoher Belastung stehen, wie etwa im Gesundheitswesen oder in der Notfallhilfe.
Bandic räumt ein, dass viele seiner Kollegen mit ihren Gefühlen zu kämpfen haben, während sie sich bemühen, anderen zu helfen. "Wir müssen die psychologische Betreuung normalisieren", betont er. "Wir sind es in unserer Gesellschaft immer noch nicht gewohnt, einen Psychologen aufzusuchen, selbst wenn wir ihn brauchen.
Psychische Gesundheit ist kein Luxus - sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Genesung, vor allem für diejenigen, die dabei an vorderster Front stehen. Während Bosnien und Herzegowina sich von den Überschwemmungen erholt, ist die Förderung seelischen Wohlbefindens sowohl für die Genesung des Einzelnen als auch für die langfristige Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung.
Die Klimakrise hat die Europäische Region der WHO in den letzten Jahren zunehmend in Mitleidenschaft gezogen und Auswirkungen auf die Intensität und Extremität von Wetterereignissen gehabt. Das Ausmaß der Überschwemmungen in der Europäischen Region in diesem Jahr zeigt einmal mehr, wie dringend notwendig es ist, dass die Länder gemeinsam an der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Gesundheit arbeiten. Diese Verpflichtung kommt in der bahnbrechenden Erklärung von Budapest zum Ausdruck, die 2023 auf der Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit verabschiedet wurde.
WHO/Europa stellt sich dieser Herausforderung zusammen mit den Mitgliedstaaten durch das Regionalbüro für Europa in Kopenhagen und das Europäische Zentrum der WHO für Umwelt und Gesundheit in Bonn.