WHO - World Health Organization Regional Office for Europe

07/21/2024 | Press release | Archived content

Erklärung – Es gibt einen Weg zu Würde und Gesundheit für ältere Menschen, die mit HIV leben

25. Internationale Aids-Konferenz

"Ein gutes Leben trotz HIV mit 50 und danach"

Einführung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa

21. Juli 2024

Sehr geehrte Frau Dr. Grinsztejn,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Guten Morgen und vielen Dank an das Industry Liaison Forum für die Einladung zu dieser wichtigen Diskussion.

Als vor 40 Jahren die AIDS-Pandemie begann, hätten wir uns das Ausmaß und das Tempo des medizinischen Fortschritts, der vor uns lag, nicht vorstellen können.

Ich erinnere mich daran, dass ich als junger Arzt mit HIV/Aids-Patienten zu tun hatte, die einfach nicht wussten, ob sie den nächsten Tag überleben würden.

Viele von ihnen überlebten nicht, andere hatten mehr Glück.

Alle lebten sie in Angst vor dem Unbekannten. Es war zutiefst schmerzhaft, so viele von ihnen sterben zu sehen.

Ein Altern mit HIV war damals kein Thema.

Doch die Situation von Menschen, die mit HIV leben, hat sich seit diesen Anfängen dramatisch verändert.

Etwa drei Viertel der HIV-Infizierten haben heute Zugang zu einer antiretroviralen Therapie, sodass sie eine ähnliche Lebenserwartung haben wie Menschen ohne HIV.

Aber wir sind noch lange nicht über die Ziellinie.

In nur sechs Jahren wird etwa ein Drittel aller Menschen mit HIV weltweit 50 Jahre oder älter sein.

In der Europäischen Region der WHO haben wir es heute mit einer sog. "reifen Epidemie" zu tun.

Die Zahl der Neudiagnosen bei den über 50-Jährigen ist inzwischen doppelt so hoch wie bei den 15- bis 24-Jährigen.

Doch ältere Menschen, die mit HIV leben, haben mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen zu kämpfen: einem möglicherweise beschleunigten Alterungsprozess, vorzeitigen kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen, erhöhter Gebrechlichkeit und nicht zuletzt ständiger Stigmatisierung sowie altersbezogener und sonstiger Diskriminierung, die sie oft von der dringend benötigten Versorgung ausschließen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es gibt einen Weg zu Würde und Gesundheit für ältere Menschen, die mit HIV leben.

Erstens müssen konkrete Schritte zu ihrer Unterstützung in allen Ländern zum festen Bestandteil von Strategien für das Altern werden - als Ergänzung zur Dekade der Vereinten Nationen für gesundes Altern.

Die Initiative des Industry Liaison Forum zur Gründung eines Konsortiums zum Thema HIV und Altern ist hier ein dringend notwendiger Schritt.

Zweitens müssen wir darauf hinarbeiten, die stark zersetzenden Auswirkungen von Stigmatisierung und Altersdiskriminierung zu beseitigen - durch die Normalisierung von Tests auf HIV und sexuell übertragbare Infektionen, durch Einführung altersgerechter Leistungsangebote und durch Bekämpfung der Mythen, die Vorurteile aufrechterhalten.

Und drittens müssen wir alle Menschen, die mit HIV leben - ob jung oder alt - in die Lage versetzen, einen sinnvollen Beitrag zur Gesundheitspolitik zu leisten, die sie unmittelbar betrifft.

Ich bin stolz darauf, dass das Team von WHO/Europa in den kommenden Monaten einen regionsweiten Rahmen für gesundes Altern und Langzeitpflege entwickeln wird.

Meine Kollegen beim WHO-Hauptbüro erstellen außerdem Leitlinien, die speziell auf den Umgang mit dem Älterwerden von Menschen mit HIV ausgerichtet sind.

Liebe Freunde,

abschließend möchte ich Ihnen die Geschichte von John erzählen, einem 69-jährigen Mann aus dem Vereinigten Königreich, bei dem im Alter von 46 Jahren HIV diagnostiziert wurde. Damals dachte er, er hätte höchstens noch 15 Jahre zu leben.

Aber nach 23 Jahren ist er fitter als je zuvor und trainiert jeden Tag.

"Ich bin fit und gesund und finde die Aussicht auf Älterwerden großartig", sagte er.

Wir haben die Werkzeuge, die Diagnostik und die Medikamente. Nun gilt es den politischen Willen zu stärken.

Mein guter Freund Dr. Peter Piot, der frühere Direktor von UNAIDS, hat einmal gesagt: "Die Investition in die Bekämpfung von Aids wird sich tausendfach auszahlen, indem Menschenleben gerettet und Gemeinschaften zusammengehalten werden."

Stellen wir die Würde und die Gesundheit aller Menschen in den Mittelpunkt unserer Bestrebungen und tun wir alles, was wir können, damit jeder ältere Mensch mit HIV nicht nur länger lebt, sondern sich auch wohl fühlt. Und damit jeder jüngere Mensch, der heute mit HIV lebt, sich auf ein gesundes, erfülltes Alter freuen kann - in Gesellschaften, die sich wirklich um ihn kümmern.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.