WHO - World Health Organization Regional Office for Europe

06/28/2024 | Press release | Archived content

Bevölkerung der Europäischen Region der WHO aufgrund veränderter Ernährung stärker durch Jodmangel gefährdet

Die zunehmende Beliebtheit und Verfügbarkeit von pflanzlichen Alternativen zu wichtigen Jodquellen wie Milch, Molkereiprodukten und Fisch in der Europäischen Region der WHO trägt auf Dauer und in zunehmendem Maße zu einer unzureichenden Jodzufuhr bei, wie aus einem heute von WHO/Europa und dem Iodine Global Network (IGN) veröffentlichten Bericht hervorgeht. Dies erhöht die Risiken für die Gesundheit der Menschen, insbesondere für Frauen während der Schwangerschaft, die einen höheren Jodbedarf haben.

Milch und Molkereiprodukte sind in vielen west- und mitteleuropäischen Ländern eine wichtige Jodquelle, vor allem für Kinder. Viele Futtermittel und Nahrungsergänzungsmittel werden mit Jod angereichert, um die Gesundheit von Nutztieren und die Milchleistung zu verbessern. Doch der Verzehr von Molkereiprodukten ist bei Jugendlichen und Erwachsenen rückläufig, was für sie die Gefahr eines Jodmangels erhöht.

Risiken einer Ernährungsumstellung

Die Jodzufuhr ist besonders wichtig für die Entwicklung des fötalen Gehirns vor und während der Schwangerschaft. "Die Umstellung auf pflanzliche Alternativen für Molkereiprodukte, insbesondere bei Frauen, die ohnehin ein höheres Risiko für Jodmangel und Schilddrüsenerkrankungen tragen als Männer, ist für ihre Jodversorgung bedenklich, vor allem in Ländern, die auf Milch als Jodquelle angewiesen sind, da die meisten Milchalternativen kein Jod enthalten", erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. "Dieser Bericht hat entscheidend dazu beigetragen, ein Problem aufzuzeigen, das in den Ländern der Europäischen Region nach wie vor besteht oder nun wieder auftaucht."

Die Jodierung von Salz ist nach wie vor die wichtigste Strategie zur Sicherstellung einer ausreichenden Jodzufuhr in der Europäischen Region, ist aber ebenfalls von Veränderungen in Bezug auf Ernährung und Lebensstil betroffen. Außerhalb des Hauses hergestellte oder gekochte Lebensmittel wie Brot, verarbeitetes Fleisch oder Fertiggerichte sind heute die Hauptquelle für Salz in der westlichen Ernährung und machen 70 % bis 80 % der Gesamtzufuhr aus. Doch jüngste Marktuntersuchungen ergaben, dass in Deutschland nur 9 % und in der Schweiz nur 34 % des Salzes in verarbeiteten Lebensmitteln jodiert waren. In 24 Ländern mit freiwilliger oder keiner Jodierung werden gängige Lebensmittel mit nicht jodiertem Salz hergestellt.

"Die Länder brauchen flexiblere politische Strategien, um die Menschen vor Jodmangel zu schützen, vor allem verbindliche Maßnahmen zur Verwendung von jodiertem Speisesalz in verarbeiteten Lebensmitteln und die Einführung von Maßnahmen zur Salzreduktion und Salzjodierung", sagte Dr. Gauden Galea, Strategischer Berater des Regionaldirektors im Rahmen der Sonderinitiative für nichtübertragbare Krankheiten und Innovation (SNI). "In Anbetracht der veränderten Ernährungsgewohnheiten muss auch eine angemessene Anreicherung von alternativen Milch- und Molkereiprodukten mit Jod sichergestellt werden."

Diese Empfehlungen decken sich mit denen der von WHO/Europa durchgeführten Kampagne "Race to the Finish", mit der evidenzbasierte Praktiken gefördert werden, die den Ländern dabei helfen sollen, ihre globalen gesundheitlichen Verpflichtungen, einschließlich der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, zu erfüllen. Sie unterstützen auch die Konzepte der WHO zur Verringerung der Natriumaufnahme und zur Vorbeugung gegen Jodmangel, indem dazu geraten wird, weniger, dafür aber immer jodiertes Salz zu verwenden.

Jodmangel: Folgen für die Europäische Region der WHO

"Neben diesen Entwicklungen mangelt es in der Öffentlichkeit, bei den Gesundheitsbehörden, in den Gesundheitsberufen und bei den Lebensmittelherstellern an Wissen über die Folgen des Jodmangels. Deshalb sind die Fortschritte in einigen Ländern ins Stocken geraten oder gehen vielleicht sogar verloren. Und es gibt noch weitere Kosten - selbst ein leichter Mangel, wie er in ganz Europa besteht, hat große Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und auf die Wirtschaft", sagte Dr. Werner Schultink, Exekutivdirektor des IGN.

Neben dem sichtbaren Zeichen, dem Kropf, einem Knoten oder einer Schwellung im vorderen Bereich des Halses, die durch eine geschwollene Schilddrüse verursacht wird, erhöht Jodmangel auch die Häufigkeit von vermeidbaren Schilddrüsenerkrankungen wie Schilddrüsenknoten, multinodulären Strumen und Hyperthyreose, insbesondere bei Erwachsenen und älteren Menschen. Eine unbehandelte Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) erhöht das Risiko von Herzrhythmusstörungen, Herzversagen, Osteoporose, ungünstigen Schwangerschaftsverläufen und kognitiven Beeinträchtigungen bei älteren Menschen.