German Federal Government

08/21/2024 | Press release | Distributed by Public on 08/22/2024 08:50

Deutschland steht eng an der Seite Moldaus

In der Republik Moldau hat sich Bundeskanzler Scholz unter anderem mit Staatspräsidentin Maia Sandu getroffen.

Foto: Bundesregierung/Sandra Steins

Kanzler Scholz in Moldau: Bei seinem Besuch standen die bilateralen Beziehungen sowie sicherheitspolitische Fragen im Vordergrund. Themen der Gespräche mit Ministerpräsident Dorin Recean und Staatspräsidentin Maia Sandu waren sowohl die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf die Republik Moldau als auch der angestrebte EU-Beitritt des Landes.

Bei der anschließenden Pressekonferenz mit Staatspräsidentin Sandu unterstrich Scholz: "Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik Moldau sind eng, vertrauensvoll und sehr verlässlich."

Das Wichtigste in Kürze:

  • Solidarität mit Moldau: Als Reaktion auf Destabilisierungsversuche Russlands gegen Moldau hat der Bundeskanzler dem Land seine Solidarität und Unterstützung im Kampf um Souveränität und territoriale Unversehrtheit versichert.
  • Aufnahme in die Europäische Union: Die Republik Moldau beweise einen bemerkenswerten Reformwillen auf ihrem Weg in die EU. Die Erweiterung der Europäischen Union liege dabei im strategischen Interesse der EU, Deutschlands und Moldaus, so der Bundeskanzler.
  • Zusammenarbeit beim Thema Migration: Deutschland und Moldau sind laut Scholz in intensiven Gesprächen zur Frage der Steuerung von Migration. Um irreguläre Migration zu reduzieren, wird ein Migrationsabkommen verhandelt.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

Staatspräsidentin Sandu: Sehr geehrter Herr Kanzler Olaf Scholz, herzlich willkommen in der Republik Moldau! Ich freue mich, Sie heute in Chișinău begrüßen zu dürfen. Dies ist der erste bilaterale Besuch eines deutschen Kanzlers in unserem Land seit zwölf Jahren und stellt eine Gelegenheit dar, die Bedeutung unserer Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu bekräftigen und diese Zusammenarbeit zu vertiefen. In diesen zwölf Jahren hat sich die Welt, in der wir leben, tiefgreifend verändert. Auch Moldau hat sich verändert. Trotz allen Herausforderungen der letzten Jahre hat Moldau gezeigt, dass es ein Land ist, das autoritäre Tendenzen ablehnt und seine Demokratie verteidigt. Ein Land, das seinen Bürgern mehr Möglichkeiten zur Entwicklung und ein gutes, friedliches Leben zu Hause bieten will.

In diesen schwierigen Zeiten schätzen wir die große Unterstützung Deutschlands für die Ukraine. Indem Sie die Ukraine unterstützen, unterstützen Sie auch Moldau. Unser Land ist heute sicher dank des heldenhaften Widerstands der Ukraine. Gleichzeitig stärkt die Unterstützung Moldaus auch die Ukraine und die Sicherheit der gesamten Region.

Mit der wichtigen Aufgabe, unser Land zu schützen, haben wir im März 2022 den Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Nach zwei Jahren konnten wir offiziell die Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen. Moldau hat sich verspätet, der europäischen Familie beizutreten. Doch jetzt machen wir feste Schritte im Beitrittsprozess. Mit der Unterstützung unserer europäischen Partner einschließlich Deutschlands sind wir zuversichtlich, dass wir erfolgreich sein werden.

Anlässlich dieses Besuches möchte ich dem Bundeskanzler für die ständige und bedingungslose Unterstützung, die Deutschland uns auf unserem europäischen Weg leistet, danken. Jetzt, mit einer starken externen Unterstützung, hängt es von uns hier in Moldau ab, wie schnell wir vorankommen. Es ist wichtig, uns täglich zu engagieren. Aber ebenso wichtig ist es, dass wir in den Hauptmomenten aktiv sind, die die Zukunft des Landes festlegen werden. Ich fordere alle unsere Bürger unabhängig von politischen Präferenzen dazu auf, zahlreich am Referendum im Oktober teilzunehmen, da dies die effektivste Möglichkeit ist, den kollektiven Willen auszudrücken.

Deutschland als Gründungsstaat der Europäischen Union spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau und Erhalt dieses Friedensprojektes, dieses Einheitsprojektes, dieses Prosperitätsprojektes, das Europa verändert hat. Moldau möchte Teil dieser europäischen Familie werden. Der Beitrittsprozess ist entscheidend für unsere demokratische Zukunft. Deutschland war der Republik Moldau immer ein zuverlässiger Partner, was wir sehr zu schätzen wissen. Die Bundesrepublik Deutschland ist der fünftwichtigste Handelspartner unseres Landes und der siebtgrößte Investor, der durch deutsche Unternehmen, die in der Republik Moldau tätig sind, zur Schaffung Tausender Arbeitsplätze beigetragen hat.

Deutschland führt Projekte in zahlreichen Bereichen wie denen der Modernisierung öffentlicher Dienste, der Befähigung junger Menschen und der Entwicklung sozialer Dienste durch. Zum Beispiel hilft Deutschland der Republik Moldau durch die Unterstützung von zwei großen Wasserprojekten in Chișinău und Cahul, die Lebensqualität ihrer Bürger zu verbessern. Darüber hinaus hat Deutschland finanzielle Unterstützung in Höhe von 40 Millionen Euro für den Fonds zur Reduzierung des Energiemangels in der Heizperiode 2022/2023, einer schwierigen Zeit für unser Land, bereitgestellt. So haben fast 900.000 Haushalte Zuschüsse zur Zahlung von Strom und Heizkosten erhalten. Genauso wird die duale Ausbildung in der Republik Moldau von Deutschland mit Programmen zur technischen Berufsausbildung in Chișinău, Hîncești, Comrat, … (akustisch unverständlich), Soroca und anderen Städten des Landes intensiv unterstützt.

Unsere Partnerschaft erstreckt sich auch auf wichtige Sicherheitsbereiche, in denen Ihre Unterstützung entscheidend ist. Mithilfe Deutschlands stärkt Moldau seine Resilienz gegenüber Bedrohungen der nationalen Sicherheit. Deutschland ist auch der Hauptbeitragszahler zur Europäischen Friedensfazilität. Deutschland ist zusammen mit Frankreich und Rumänien Mitgründer der Unterstützungsplattform für Moldau, einer Initiative, die in den vergangenen drei Jahren erheblich zur Stärkung unserer Fähigkeiten, aktuellen Herausforderungen zu begegnen, beigetragen hat. Die nächste Sitzung dieser Partnerschaftsplattform für Moldau wird am 17. September stattfinden.

Wir wollen weiterhin die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Republik Moldau und Deutschland stärken. Vergangene Woche hat das Energieministerium die erste Ausschreibung für Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien gestartet. Moldau ist offen für internationale Investoren. In diesem Zusammenhang laden wir deutsche Unternehmen mit ihrer umfangreichen Expertise im Bereich erneuerbarer Energien dazu ein, sich an dieser Ausschreibung zu beteiligen.

Wir können nicht unerwähnt lassen, dass wir auch auf persönlicher Ebene eine tiefe Verbindung zu Deutschland haben. Viele Moldauer haben in Deutschland ihr zweites Zuhause gefunden und tragen zur Entwicklung beider Länder bei. Durch sie werden unsere Verbindungen noch stärker.

Die Moldauer wünschen sich positive Veränderungen in ihrem Land. Sie haben den Weg der Entwicklung und Demokratie gewählt. Sie wollen in Moldau so leben, wie man in Deutschland lebt. Trotz dem komplizierten regionalen Kontext bauen wir hier zu Hause ein friedliches und wohlhabendes Land und einen vertrauenswürdigen Partner auf. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir zählen auf die Unterstützung Deutschlands in diesem Transformationsprozess. Ihre Unterstützung zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und ermutigt uns, weiter voranzuschreiten. Vielen Dank.

Bundeskanzler Scholz: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Maia Sandu, ich freue mich, dass wir uns schon nach so kurzer Zeit wiedersehen. Ich erinnere mich noch an die letzte Zusammenkunft in Großbritannien, im Blenheim Palace. Das war bemerkenswert. Dort haben wir uns auch einmal in dieser Arbeitsgruppe mit Rumänien und Frankreich getroffen. Deshalb ist es gut, dass ich jetzt wieder hier in Chișinău sein kann. Das vorige Mal war es wie auch bei dem Treffen jetzt in Großbritannien bei einem Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Aber dieses Mal ist es, wie schon gesagt, seit langer Zeit der erste bilaterale Besuch als Kanzler hier im Land. Das ist mir wichtig, weil es auch um ein Zeichen für die gute Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern und für den Wunsch geht, die Republik Moldau auf ihrem Weg zu unterstützen.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik sind eng, vertrauensvoll und sehr verlässlich. Wir sprechen viel miteinander und haben uns wie gesagt schon oft getroffen, um eine Reihe neuer Vereinbarungen zu schließen und die Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Ein Thema, das bei uns wichtig ist und uns beide beschäftigt, ist natürlich die Frage der Steuerung von Migration. In diesem Thema arbeiten wir eng zusammen und haben intensive Gespräche.

Uns allen ist bewusst, wie sehr Moldau unter dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dessen Folgen zu leiden hat. Wir wissen, dass Russland und prorussische Akteure versuchen, euer Land zu destabilisieren, insbesondere mit Blick auf die Präsidentschaftswahl und das Referendum über den EU-Beitritt, die für Oktober angesetzt worden sind. Meine wichtigste Botschaft heute lautet deshalb: Deutschland steht eng an der Seite von Moldau. Wir werden die Republik Moldau nach Kräften unterstützen.

Frau Präsidentin, liebe Maia Sandu, Moldau stellt immer wieder auf bewundernswerte Art und Weise seine Resilienz gegen diese Destabilisierungsversuche aus dem Ausland unter Beweis, und seit Beginn der Amtszeit vor vier Jahren sind große Dinge geleistet worden. Das Land hat die Energiekrise durchgestanden. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage hat Moldau seine Türen weit für ukrainische Kriegsflüchtlinge geöffnet und viel Schutz geboten. Dieser Akt der Humanität ist nicht zu überschätzen, und dafür möchte ich auch persönlich Danke sagen.

Gleichzeitig geht es und ging es um die Aufnahme in die Europäische Union. Dank der Reformanstrengungen ist jetzt der Status eines Beitrittskandidaten erlangt, und es war mir wichtig, das voranzutreiben und in den Diskussionen zu unterstützen, die wir im Europäischen Rat geführt haben. Deshalb ist es für uns auch wichtig, meiner Regierung und mir, dass die Beitrittsgespräche im Sommer eröffnet werden konnten. Man sieht ja auch, dass Moldau einen bemerkenswerten Reformwillen an den Tag legt, was auf dem Weg in die Europäische Union wichtig ist. Was die Republik Moldau und die Bürgerinnen und Bürger dabei leisten, beeindruckt mich, und dem gebührt auch viel Respekt.

Für uns in Deutschland ist ganz klar: Wir unterstützen diesen europäischen Weg. Die Erweiterung der Europäischen Union liegt im strategischen Interesse der Union insgesamt. Es liegt im strategischen Interesse Deutschlands und selbstverständlich auch Moldaus. So etwas kann man nur eine Win-win-Situation nennen.

Ich danke noch einmal für die Gastfreundschaft und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Fragerunde im Anschluss:

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Thema, das der Bundeskanzler eben erwähnt hat. In Deutschland werden das Migrationsabkommen und die Verhandlungen mit der Republik Moldau als sehr wichtig erachtet. Warum ist das Abkommen noch nicht unterschriftsreif? Können Sie sagen, wo die Probleme liegen, Herr Bundeskanzler, oder geht es der Regierung ohnehin mehr um die Anwerbung von Arbeitskräften nach Deutschland als um die Abschiebungen?

Frau Präsidentin, vielleicht können Sie sagen, wo aus Ihrer Sicht die Punkte liegen, die Ihre Regierung dann von Deutschland möchte.

Vielleicht können Sie dann auch noch kurz erklären, wie sehr Ihr Land unter Desinformation und Fake Newsleidet.

Staatspräsidentin Sandu: Dieses Abkommen wird vorbereitet, und wir werden zu diesem Thema zurückkommen, wenn die Arbeit beendet sein wird. Wir haben schon eine große Diaspora in Deutschland. Natürlich möchten wir, dass die Diaspora wieder zurück nach Hause kommt. Aber wir freuen uns, dass unsere Menschen dort ein gutes Zuhause gefunden haben. Die tragen zur Wirtschaftsentwicklung Deutschlands, aber auch Moldaus bei.

Unser Ziel ist es, dass die Lebensbedingungen hier in der Republik Moldau verbessert werden. Wir müssen auch die Demokratie stärken, damit die Moldauer, die nicht zu Hause sind, wieder zurück nach Hause kommen möchten, und natürlich möchten wir, dass junge Leute aus der Republik Moldau an eine gute Zukunft zu Hause glauben und nicht wegfahren.

Bundeskanzler Scholz: Ich habe nicht viel hinzuzufügen. Es ist so, dass hier alles in guten Gesprächen vorangebracht wird. Es gibt keine wesentlichen strategischen und praktischen Fragen, die nicht gelöst werden können. Aber alles muss eben einmal getan werden. Deshalb bin ich auch sicher, dass wir bald zu einer Vereinbarung kommen werden, die aus der Sicht beider Länder sehr gut ist und eine Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Länder darstellt.

Staatspräsidentin Sandu: Zu Ihrer Frage bezüglich Desinformation: Desinformation ist eine der Methoden, durch die der Kreml versucht, sich in Wahlen einzumischen und das Leben der Moldauer und die Wahl der Moldauer zu beeinflussen. Das ist ein Problem in der ganzen Welt. Natürlich konsolidieren wir unsere Einrichtungen und unsere Behörden. Wir versuchen, mehr und besser mit den Bürgern zu kommunizieren, und wir werden alle Maßnahmen unternehmen, damit diese Versuche, sich in unsere internen Prozesse einzumischen, gestoppt werden, weil die Moldauer für Moldau entscheiden müssen, nicht der Kreml.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich würde Sie gerne nach dem Vorstoß der ukrainischen Streitkräfte auf russisches Territorium in der Region Kursk fragen. Finden Sie diesen Vorstoß richtig, oder trägt der aus Ihrer Sicht zur Eskalation bei? Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, wenn dabei auch Waffen eingesetzt werden, die von Deutschland geliefert wurden?

Was bedeutet dieses Vorgehen für Verhandlungen mit Russland? Werden diese dadurch erschwert oder eher erleichtert?

Frau Präsidentin Sandu, in Deutschland gibt es seit dem Wochenende eine Debatte darüber, ob Deutschland seine Hilfe für die Ukraine in dem Maße fortsetzen kann wie bisher. Haben Sie diese Debatte in Moldau wahrgenommen? Fühlen Sie sich dadurch verunsichert? Befürchten Sie, dass mit der Länge des Krieges die Bereitschaft der westlichen Alliierten nachlässt, der Ukraine zu helfen?

Bundeskanzler Scholz: Vielleicht darf ich kurz beginnen. Zunächst einmal ist es so, dass die Ukraine ihre militärische Operation in der Region Kursk sehr geheim und ohne Rückkopplung vorbereitet hat, was sicherlich auch der Situation geschuldet ist. Insofern beobachten wir die Entwicklung jetzt genau. Das ist ja eine räumlich sehr begrenzte und wahrscheinlich auch zeitlich begrenzte Operation, was wir nicht wissen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbietet sich deshalb auch jede weitere Kommentierung. Das kann man sicherlich alles bewerten, wenn die Zeit weiter fortgeschritten ist.

Zu der konkreten Situation der Unterstützung der Ukraine kann ich hier klar sagen: Deutschland wird in der Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen. Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das notwendig ist, und wir werden der größte nationale Unterstützer der Ukraine in Europa sein. Nur die USA leisten als große Weltmacht mehr. Insofern ist das etwas, worauf sich alle verlassen können - diejenigen in der Ukraine, aber auch diejenigen, die mit dem ukrainischen Volk, das um seine Unabhängigkeit, Souveränität und Demokratie kämpft, zu Recht auf der Seite der Ukraine mitfiebern.

Wir haben im letzten Jahr in unserem Haushaltsentwurf vier Milliarden Euro vorgesehen und dann insgesamt für dieses Jahr sogar schon geplant, sieben Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen - ein Betrag, der zusammen größer ist als das, was mehrere andere große Länder in Europa überhaupt leisten. Auch für das nächste Jahr sind in dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung wieder vier Milliarden Euro vorgesehen. Laufend werden Waffen geliefert, auch solche, die zur Luftverteidigung notwendig sind: deutsche Waffen wie IRIS-T - davon sind mehrere vorgesehen -, aber auch viel Munition, Panzer und alles, was für die konkrete Unterstützung gebraucht wird. Die Mittel dafür stehen eben durch die Haushaltsentwürfe für das nächste Jahr zur Verfügung, aber auch durch die Möglichkeiten, die wir uns für das laufende geschaffen haben.

Gleichzeitig ist es so, dass wir im internationalen Rahmen daran gearbeitet haben, einen Rahmen für eine langfristige sichere Unterstützung der Ukraine zu schaffen. Deshalb haben wir uns im Rahmen der G7 dafür eingesetzt, dass es einen 50-Milliarden-Kredit dieser Gemeinschaft geben wird, um der Ukraine die Möglichkeit zu schaffen, die notwendigen Waffen und das, was sie sonst braucht, einzukaufen. Das wird unter anderem aus den über lange Zeit entstehenden Erträgen finanziert, den "windfall profits" aus den eingefrorenen russischen Zentralbankguthaben. Die gibt es vor allem in Europa, wie jeder weiß. Deshalb ist es eine besondere, große internationale Zusammenarbeit, dass wir die Erträge nutzen, um jetzt nicht Jahr für Jahr kleine Beträge nutzbar zu machen, sondern sie zu hebeln, um einen großen Betrag schnell und umfassend für die nächste Zeit verfügbar zu machen. Das ist technisch anspruchsvoll, aber politisch geklärt, und die Klärung der technischen Fragen findet gerade statt, sodass dann eine erhebliche Verstärkung der Unterstützung der Ukraine durch die internationale Gemeinschaft gewährleistet sein wird. Mit den 50 Milliarden und zusammen mit den national zur Verfügung gestellten Mitteln wird das eher mehr sein als das, was bisher für die Ukraine an Unterstützung zur Verfügung stand. Insofern ist das ein großer, großer Fortschritt, an dem wir hart gearbeitet haben und dessen Realisierung wir jetzt innerhalb kurzer Zeit mit aller Anstrengung vorantreiben.

Staatspräsidentin Sandu: Ich glaube, der Kanzler hat Ihre Frage beantwortet, die Sie an mich gestellt hatten. Wir wissen, dass Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine in der Europäischen Union ist, und wir schätzen das sehr. Selbst wenn ich nicht in der Lage bin, einem anderen Land Ratschläge dafür zu geben, wie man den eigenen Haushalt benutzt, hoffe ich, dass diese Unterstützung fortgesetzt werden wird. Es ist in unserem Interesse, dass es einen korrekten und langfristigen Frieden gibt.

Frage: Herr Kanzler, unterstützen Sie und Ihr Land völlig die Ausweitung der Europäischen Union? Was müssen die Republik Moldau und die Europäische Union machen, damit diese Ausweitung so schnell wie möglich stattfindet? Wie kann Deutschland den europäischen Weg der Republik Moldau unterstützen?

Frau Maia Sandu, wir möchten wissen, ob Sie konkret über Unterstützungsmaßnahmen für Moldau im Rahmen der hybriden Attacken gesprochen haben.

Bundeskanzler Scholz: Wir unterstützen die Republik Moldau auf ihrem Weg in die Europäische Union. Ich habe es eben schon gesagt: Für uns ist ganz wichtig, dass diese Entscheidung getroffen worden ist, und wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass das möglich wurde.

Wir sind positiv, was die Erweiterung der Europäischen Union betrifft. Wir glauben, dass es jetzt notwendig ist, die Beitrittsprozesse, die für einige Länder vor langer Zeit gestartet worden waren, nun auch eigentlich zu Ende zu führen - das gilt insbesondere für die Staaten des westlichen Balkans -, dass das aber auch für das gilt, was wir jetzt mit dem Beitrittskandidatenstatus für Moldau und für die Ukraine sowie mit den Perspektiven für weitere Länder auf den Weg gebracht haben.

Europa wird zusammengehalten durch gemeinsame Vorstellungen, die wir auf diesem Kontinent miteinander teilen: die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Souveränität der Staaten, die Unverletzlichkeit der Grenzen, offene Gesellschaften, in denen jeder einen Weg finden kann, sein eigenes Glück zu schmieden, ohne andere zu gefährden. All das ist etwas, was gelingen kann. Deshalb gehört es zum Beitrittsprozess zur Europäischen Union dazu, dass alle Länder, die beitreten wollen, auch die Bedingungen und rechtlichen Regelungen ermöglichen und erfüllen, die dazu notwendig sind. Das ist gewissermaßen etwas, das man sich verdienen kann, und wenn man es sich schnell verdient, dann geht es auch schnell. Damit es schnell geht, haben wir unsere Hilfe bei den ganzen gesetzgeberischen und administrativen Voraussetzungen angeboten, die für den europäischen Acquis erfüllt werden müssen. Das ist, wenn man sich erst einmal daran heranmacht, ein ganz schöner Berg von Arbeit, den man da zu bewältigen hat. Aber es ist bewältigbar, wie viele Länder bewiesen haben, auch kleine. Es ist insbesondere dann bewältigbar, wenn es die aktive Unterstützung anderer Länder gibt. Deutschland zählt zu denen, die Moldau aktiv dabei unterstützen, diese ganzen Aufgaben zu bewältigen und dann damit auch zügig den Beitrittsprozess voranzutreiben.

Staatspräsidentin Sandu: Wir haben mit dem Herrn Bundeskanzler über die großen Herausforderungen inklusive hybrider Angriffe gesprochen. Deutschland hilft uns im Bereich der Sicherheit, auch die Sicherheitsbehörden. Vor Kurzem sprachen wir über Unterstützung für unsere Behörden. Im Allgemeinen wird ein Großteil der Unterstützung dafür benutzt, dass die Kapazitäten unserer Behörden gestärkt werden, damit sie resilienter werden und unsere Bürger und unsere Demokratie schützen.

Frage: Wenn Sie mir erlauben, habe ich eine Frage für Herrn Kanzler Olaf Scholz. Wir möchten Sie im Kontext des Krieges der Ukraine fragen, wie Sie die Entwicklungen der Sicherheitslage in der Region und das Risiko für Moldau inklusive der Stabilisierung seitens der vom Kreml kontrollierten Kräfte sehen, insbesondere im Zuge des Referendums bezüglich des EU-Beitritts. Wie wichtig ist solch ein Referendum? Wie sehen Sie die Risiken eines negativen Referendums?

Frau Sandu, welche Bitten kann Chișinău in der Situation formulieren, in der wir uns befinden, diese Destabilisierungsversuche seitens Moskau?

Bundeskanzler Scholz: Der russische Krieg gegen die Ukraine ist eine ernste Bedrohung für die Sicherheit ganz Europas, und er ist vor allem deshalb eine ernste Bedrohung, weil durch den russischen Präsidenten eine Verständigung aufgekündigt wurde, die über Jahrzehnte Frieden und Sicherheit in Europa gewährleistet hat, nämlich die Verständigung, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen. Man muss sich als kleines Land sicher sein, dass der große Nachbar einen nicht überfällt, weil er plötzlich einen Appetit auf das eigene Territorium bekommen hat. Das will ich auch ausdrücklich sagen: Gerade wer die Geschichte dieser Region und dieses Landes kennt, weiß, dass es ganz gefährlich ist, wenn heutige Politiker in Geschichtsbüchern blättern und daraus Territorialansprüche eines früheren Jahrhunderts ableiten. Wir müssen uns heute einig sein, dass Grenzen mit Gewalt nicht verschoben werden und dass Staaten das Recht auf Souveränität und ein angstfreies Leben neben einem starken, mächtigen Nachbarn haben.

Deshalb ist es so richtig, dass wir alle zusammen die Ukraine unterstützen. Deutschland tut das, wie ich schon gesagt habe, als europäisches Land mit den meisten Mitteln, die wir bereitstellen. Ich bin beeindruckt von dem heldenhaften Mut und von der Bereitschaft der Ukrainerinnen und Ukrainer, für ihr Land zu kämpfen. Sie tun dies sehr geschickt und mit großem Erfolg. Vergessen wir nicht: Russland, das eine Weltmacht ist, hat es in einem jetzt schon mehr als zwei Jahre andauernden Krieg nicht geschafft, seine eigenen Zielsetzungen zu erreichen, sondern kämpft jetzt darum, Grenzen beziehungsweise Frontlinien um ein paar Meter zu verschieben. Das ist ein Zeichen für die Stärke des ukrainischen Widerstandes und die Stärke des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung der eigenen Nation und des eigenen Territoriums. Insofern - das kann man sicher sagen - sind es die Ukrainerinnen und Ukrainer, die auch für unsere Sicherheit in Europa etwas tun, weil sie zeigen, dass man sich zur Wehr setzen kann. Ohne Hilfe wäre es nicht möglich, aber unsere Hilfe ist sicher und wird auch in der Zukunft zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig sehen wir, dass sich die russischen Aktivitäten nicht nur auf den Krieg gegen die Ukraine beschränken, sondern dass es auch viele hybride Attacken in viele, viele andere Länder hinein gibt. Wir merken das in Deutschland, wir wissen das von unseren Nachbarn, und wir wissen das auch aus vielen Berichten. Auch wir haben darüber gesprochen, und ich habe von der Präsidentin erfahren, dass das auch hier in großem Umfang der Fall ist und dass Leute mit viel Geld versuchen, die politischen Entwicklungen in diesem Land zu beeinflussen. Deshalb ist das Referendum so wichtig. Es ist eine Volksentscheidung für das, was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sich so dringlich wünschen, nämlich für den Weg in die Europäische Union. Deshalb ist das etwas, das man als demokratischer Bürger dazu beitragen kann, die Bestrebungen des eigenen Landes durch ein Herzensvotum zu unterstützen.

Staatspräsidentin Sandu: Alle Projekte, an denen wir zusammenarbeiten, die von Deutschland unterstützt werden, haben das Ziel, dass wir stärker werden. Sie helfen uns, unsere Behörden, unsere Wirtschaft und unsere Demokratie zu stärken und eine bessere Wirtschaft zu haben. Alle Projekte in Bezug auf Infrastruktur in unseren Ortschaften und die Stärkung der Kapazitäten sind dafür gedacht, dass Moldau stark dasteht und einen eigenen Weg geht. Der Weg, den wir gewählt hatten, ist, Teil der Europäischen Union zu werden. Die Projekte, von denen wir profitieren, und die Projekte, die uns helfen, sind auf dem Weg, und wir freuen uns sehr, zu hören, dass wir weiterhin auf die Unterstützung Deutschlands zählen können. Darüber haben wir mit dem Herrn Bundeskanzler heute gesprochen.