City of Wels

06/05/2024 | Press release | Distributed by Public on 06/05/2024 03:39

Spielsuchtberatung präsentiert sich bei der Fußball-EM

Soziales, 05.06.2024, 11:13 Uhr

Spielsuchtberatung präsentiert sich bei der Fußball-EM

Von Mitte Juni bis Mitte Juli findet für viele Fußballfans DAS wichtigste sportliche Ereignis des heurigen Jahres statt: Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. In Österreich - und somit auch in der Stadt Wels - ist das Fußball-"Fieber" diesmal besonders groß, schließlich hat sich das heimische Nationalteam für die EM qualifiziert und duelliert sich in der Gruppenphase mit den Mannschaften aus Frankreich, Polen und den Niederlanden.

Bei all der positiven Stimmung und den großen Emotionen, die Fußball bei vielen Menschen auslöst, haben Sportereignisse jedoch auch eine negative Seite. Gemeint sind damit Sportwetten - und die damit verbundene Spielsucht, die gerade bei Großereignissen, wie der Fußball-EM, einen Höhepunkt erreicht.

Beratungsangebot während der Fußball-Europameisterschaft

Aus diesem Grund haben sich die im Bereich der städtischen Spielsuchtberatung (Dienststelle Sozialservice und Frauen) beschäftigten Mitarbeiter dazu entschieden, mit ihrem Beratungsangebot beim Public Viewing in der Welser Innenstadt öffentliche Präsenz zu zeigen.

Die klinische Psychologin Mag. Eliane Eder-Manser und Sozialarbeiter Florian Meingast eMBA BSc. klären am Dienstag, 25. Juni (17:00 bis 19:00), Mittwoch, 26. Juni (20:00 bis 22:30 Uhr) und Donnerstag, 27. Juni (11:30 bis voraussichtlich 18:30 Uhr) abwechselnd am Kaiser-Josef-Platz, Minoritenplatz und Stadtplatz persönlich über potenzielle Gefahren des Sportwettens auf. Dieses zusätzlich zur Beratung im Haus geplante Angebot soll dazu dienen, von Spielsucht betroffene Personen - und auch deren Angehörige - auf eine niederschwellige Art und Weise zu erreichen.

Ergänzend zu diesen Angeboten treffen sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppe "GOLO" - kurz für Game Over, Life On - jeden ersten Donnerstag im Monat in den Räumlichkeiten der Dragonerstraße 22. Beginn ist um 19:00 Uhr. Verantwortlich dafür ist Stefan Resch (Mensch mit einstiger Spielsuchterfahrung). Er ist per E-Mail unter [email protected] erreichbar.

Zur Vernetzung und zum Austausch mit anderen Organisationen ist die Spielsuchtberatung der Stadt Wels seit Dezember 2022 Mitglied beim Deutschen Bündnis gegen Sportwetten-Werbung. Darüber hinaus gibt es seit März 2022 die österreichische Initiative "Sportwetten = Glücksspiel", ausgehend von der Fachstelle Glücksspielsucht Steiermark (Dr. Monika Lierzer). In Oberösterreich sind auch die Spielsuchtberatung der Stadt Wels sowie der NeuroMedCampus und die Schuldnerhilfe vertreten.

Zahlen, Daten und Fakten

2023 berieten die Mitarbeiter der Welser Spielsuchtberatung 114 Personen in 888 Beratungsgesprächen. Davon waren 89 Personen spielsüchtig (58 Prozent Geldspielautomaten, 43 Prozent Sportwetten, 16 Prozent Poker; Mehrfachnennungen möglich) und 25 Angehörige. Die Betroffenen betreiben oft mehrere Glücksspielarten wechselseitig, spielen dabei live und/oder online und sind überwiegend männlich. Die Angehörigen hingegen sind vorwiegend weiblich (hauptsächlich Mütter, Partnerinnen und Schwestern von Glücksspielenden).

Der Altersdurchschnitt betrug 2023 35 Jahre. Die jüngste beratene Person war 17 Jahre jung, die älteste 63 Jahre. Die Betroffenen hatten im Schnitt Schulden in der Höhe von 15.000 Euro bei einer Spanne von null bis 900.000 Euro. Beratene Personen ohne Spielschulden gaben meist an, ihre Ersparnisse aufgebraucht und/oder Wertgegenstände, Immobilien und/oder Grundstücke verkauft zu haben, um ihre Spielsucht zu finanzieren. Die durchschnittlich verspielten Eigenmittel betrugen 20.000 Euro bei einer Spanne von null bis 1,2 Mio. Euro.

Die beratenen Personen kamen zur Hälfte aus Wels-Stadt und Wels-Land, die andere Hälfte aus den Bezirken Grieskirchen, Vöcklabruck, Gmunden, Eferding, Ried im Innkreis, Schärding, Braunau und Kirchdorf. Dabei waren 55 Prozent der Betroffenen alleinstehend, 29 Prozent verheiratet beziehungsweise in einer Lebensgemeinschaft und 13 Prozent geschieden/getrennt (3 Prozent wollten keine Angabe machen). 40 Prozent der Klienten hatten für minderjährige Kinder zu sorgen. 71 Prozent der beratenen Personen waren erwerbstätig, 27 Prozent ohne Erwerbstätigkeit (arbeitssuchend, Schüler, Studenten), 4 Prozent in Pension und 1 Prozent in Karenz.

Erfahrungsbericht eines Betroffenen

Der Welser Stefan Falkner-Resch ist ein Mensch mit Spielsuchterfahrung und jetzt Leiter der Selbsthilfegruppe "GOLO" (kurz für Game Over, Life On). Seine Spielsucht startete im Alter von 16 Jahren. 15 Jahre lang verspielte er nicht nur sein ganzes Gehalt, sondern borgte sich unter erfundenen Vorwänden auch Geld bei Verwandten und Freunden aus. Mit Hilfe einer Therapie gelang es Stefan Resch, von der Wettsucht wegzukommen. Er ließ sich von allen Online-Wettanbietern sperren und installierte auf seinem Smartphone eine App, die alle Kasino- und Sportwetten-Seiten blockiert.

Seinen Tagesablauf als Spielsüchtiger beschreibt er folgendermaßen:
"Ich war jeden Tag nach der Arbeit im Wettlokal und habe so lange gespielt, bis ich mein ganzes Bargeld verbraucht habe. Außerhalb des Wettlokals habe ich in jeder freien Minute online gespielt. An den Wochenenden war ich oft schon vor der Tür des Wettlokals, bevor es überhaupt aufgemacht hat."

Zu seiner überwundenen Sucht nach Fußballwetten sagt er:
"Mir ging es nie wirklich ums Gewinnen und um das Geld. Mir ging es immer hauptsächlich um den 'Rausch' und den damit verbundenen Adrenalinkick. Als Fußballfan glaubt man, eine Ahnung zu haben, wie die Spiele ausgehen werden. Im Endeffekt kommt es aber immer auf den Faktor 'Glück' an.

Für alle, die immer wieder Sportwetten abgeben, hat Stefan Falkner-Resch folgenden Ratschlag:
"Man sollte sich selbst fragen, ob man diese Wetten braucht. Ist es nur ein Hobby oder schon eine krankhafte Sucht? Wird man unruhig, wenn man nicht spielt? Wie viel Geld gibt man dafür aus? Im Idealfall stellt man selbst fest, dass man ein Problem hat, und holt sich Hilfe, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen."

Zitate

Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger: "Studien zeigen, dass im Schnitt drei Angehörige eines Spielsüchtigen aufgrund der Belastung selbst Krankheitssymptome wie Depressionen, Schlafstörungen oder Herzerkrankungen entwickeln. Aber nicht nur die gesundheitlichen Folgen, auch die finanziellen Strapazen treiben oft ganze Familien in den Ruin. Somit ist sie keine rein 'private' Sucht, sondern greift auch das Umfeld der Betroffenen an. In der Stadt Wels bieten unsere kompetenten Mitarbeiter der Spielsuchtberatung Hilfestellung für Erkrankte und Angehörige."

Dr. Monika Lierzer (Fachstelle Glücksspielsucht Steiermark): "Aus österreichischen Prävalenzstudien ist bekannt, dass Sportwetten nach dem Automatenspiel das höchste Suchtpotenzial unter den Glücksspielen haben. Sportwetten weisen wesentliche Risikomerkmale auf, die die Entwicklung problematischer Verhaltensmuster bis hin zur Sucht begünstigen. Die Neigung zur Selbstüberschätzung erhöht das Risiko einer Suchtentwicklung, da sie zu übermäßigen Wetteinsätzen führt."

Bildtext:
Florian Meingast eMBA BSc, Mag. Eliane Eder-Manser, Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger und Mag. (FH) Bernhard Nagl (Dienststelle Sozialservice und Frauen).

Bildhinweise: Stadt Wels (bei Nennung Abdruck honorarfrei).

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