11/08/2024 | Press release | Distributed by Public on 11/08/2024 07:45
Leben und Werk
Grethe Jürgens wurde am 15. Februar 1899 in Holzhausen bei Osnabrück geboren. 1919 begann sie an der Kunstgewerbeschule Hannover ein Grafik-Studium, das sie 1922 aufgrund bedrückender finanzieller Verhältnisse abbrechen und stattdessen eine bezahlte Arbeitsstelle als Gebrauchsgrafikerin annehmen musste. Ab 1929 lebte sie als freischaffende Malerin in Hannover. Da es schwierig war, so ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, nahm sie weiterhin gelegentlich Auftragsarbeiten an.
Am 1. Dezember 1929 bezog Grethe Jürgens eine Atelierwohnung in der Liststadt, Podbielskistraße 116 (heute Nr. 288). Die Stadtverwaltung Hannover stellte dort Künstler*innen neu gebaute Wohn- und Arbeitsräume zur Verfügung. Bei den Atelierwohnungen handelte es sich um circa 30 Quadratmeter große Einraumwohnungen mit Kochnische, Bad/WC und Abstellkammer.
Während eines Bombenangriffs im Oktober 1943 wurden Teile ihrer Wohnung zerstört. Jürgens zog daraufhin in eine vergleichbare Wohnung in der Podbielskistraße 112 (heute Nr. 264), die sie bis zu ihrem Lebensende behielt.
Neue Sachlichkeit in Hannover
Grethe Jürgens gilt bis heute als eine der bedeutendsten Vertreter*innen der Neuen Sachlichkeit in Hannover. Zu den weiteren Künstler*innen, die teilweise gemeinsam studiert haben, gehörten Friedrich Busack, Gerta Overbeck, Ernst Thoms und Erich Wegner, später außerdem Hans Mertens und Karl Rüter. Sie vertraten eine künstlerische Haltung, die sich der Wirklichkeit ihrer Zeit widmete und Schattenseiten des gesellschaftlichen Lebens nach dem Ersten Weltkrieg, die Folgen der Inflation, von Armut, Arbeitslosigkeit und Prostitution, schonungslos darstellte.
Grethe Jürgens malte in dieser Zeit Menschen des Alltags und hielt Szenen aus ihrem Umfeld fest. Eines ihrer bekanntesten Bilder zeigt Arbeitslose, die vor dem Arbeitsamt in Hannover (damals am Königsworther Platz) warten. Sie lebte selbst stets am Rand des Existenzminimums und war zeitweilig auf Unterstützung angewiesen, da die Kunst nicht genug zum Leben einbrachte.
Eine Reihe von Selbstporträts zeigen Jürgens als entschiedene, nüchterne Person, die unabhängig und selbstbewusst wirkt. Seit 1929 war sie regelmäßig an Ausstellungen des Kunstvereins Hannover beteiligt. Zudem gehörte sie der Sparte Malerei der 1928 in Hannover gegründeten "Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen" (GEDOK) an und beteiligte sich an deren Ausstellungen.
Die GEDOK organisierte 1935 auch Jürgens' erste Einzelausstellung mit dem Titel "Landschaften und Porträts". Ihre sozialkritischen Themen gerieten während der Zeit des Nationalsozialismus in Misskredit.
Der Direktor des Provinzialmuseums Hannover, der ihr Aquarell "Arbeitslos" gekauft hatte, gab es ihr vorsorglich zurück, um es vor einer Diffamierung als "entartet" zu schützen.
In der Folge wandte sie sich anderen, unverfänglicheren Bildmotiven zu, malte Landschaften und Pflanzen, illustrierte Bücher und bezeichnete sich als "Unkrautmalerin".
Grethe Jürgens starb am 8. Mai 1981 in Hannover und wurde auf dem Stadtfriedhof Lahe beigesetzt.
Ehrungen
Nach dem Krieg ehrte das Wilhelm-Busch-Museum die Künstlerin 1951 mit einer Einzelausstellung.
Zehn Jahre später wurden die hannoverschen Maler*innen der Neuen Sachlichkeit und damit auch Grethe Jürgens in einer Ausstellung des Kunstvereins wiederentdeckt. 1974 würdigte der Kunstverein Hannover das Schaffen der hannoverschen Gruppe der Neuen Sachlichkeit mit einer weiteren Ausstellung in der Sophienstraße.
Heute befindet sich ein wichtiger Teil des malerischen Werks von Grethe Jürgens im Sprengel Museum Hannover. Dort wurde in den Jahren 2001/2002 eine große Überblicksausstellung zur Neuen Sachlichkeit in Hannover gezeigt. Der dafür gewählte Titel "Der stärkste Ausdruck unserer Tage" bezieht sich auf ein Zitat von Grethe Jürgens.
1982 wurde in der Nähe ihres jahrzehntelangen Wohnorts die Grethe-Jürgens-Straße benannt. Ihre Grabstätte befindet sich auf dem Stadtfriedhof Lahe und gehört zu den Ehrengräbern der Landeshauptstadt.
Stadttafeln
Die Stadttafeln in Hannover gehen auf eine Initiative des ehemaligen Stadtbaurats Rudolf Hillebrecht zurück: In den 1960er- und 1980er-Jahren wurden in Hannover die ersten 134 Stadttafeln angebracht. Sie sollten die Einwohner*innen und Besucher*innen der Landeshauptstadt an den jeweiligen Orten über besondere Sehenswürdigkeiten, wichtige Persönlichkeiten und bedeutende Ereignisse der hannoverschen Stadtgeschichte informieren. Um ihre touristische Attraktivität zu erhöhen, werden die ursprünglichen Tafeln nun einerseits ausgetauscht und andererseits durch weitere Themen ergänzt.