German Federal Government

09/11/2024 | Press release | Distributed by Public on 09/12/2024 09:01

Regierungspressekonferenz vom 11. September 2024

Sprecherinnen und Sprecher
• Staatssekretär Hebestreit
• Druckenthaner (BMDV)
• Kall (BMI)
• Dr. Kalwey (BMF)
• Haufe (BMWK)
• Wagner (AA)
• Berg (BMFSFJ)

(Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

Druckenthaner (BMDV)

Ich darf Ihnen mitteilen: Bundesdigitalminister Dr. Volker Wissing wird am 12. und 13. September am G20-Treffen der Digitalminister in Maceió in Brasilien teilnehmen. Die brasilianische G20-Präsidentschaft hat für dieses Jahr die digitale Inklusion in den Mittelpunkt gestellt. In diesem Kontext wird sich Minister Wissing bei dem Treffen insbesondere für ein freies, offenes Internet einsetzen. Weitere Themen, zu denen Erklärungen geplant sind, sind die Verbesserung der weltweiten und universellen Konnektivität, die globale Regulierung von künstlicher Intelligenz sowie die Integrität von Informationen. Neben den Beratungen im G20-Kreis wird Minister Wissing auch bilaterale Gespräche führen, unter anderem mit dem brasilianischen Digitalminister und dem US-amerikanischen Botschafter für Cybersicherheit und Digitalpolitik.

Frage

Eine kurze Frage, weil ich nicht weiß, wie das bei den einzelnen Ministerräten gehandhabt wird: Nimmt Russland eigentlich an den G20-Gesprächen teil, und wird es auch ein Treffen oder ein Gespräch von Herrn Wissing mit einem dann möglicherweise anwesenden russischen Minister geben?

Druckenthaner (BMDV)

Nach den Informationen, die wir haben, nimmt Russland an dem G20-Treffen teil, aber es sind keine Gespräche mit Russland geplant.

Frage

(zur Migrationspolitik) Ich habe eine Frage nach dem weiteren Zeitplan: Wie geht es jetzt weiter? Für welche dieser Vorschläge braucht es auch tatsächlich Gesetzesänderungen, und was ist eher organisatorischer Natur?

Kall (BMI)

Frau Kornmeier, ich kann erst einmal auf das verweisen, was die Bundesregierung gestern Abend in der Pressekonferenz der Bundesinnenministerin gemeinsam mit der Bundesaußenministerin und dem Bundesjustizminister gesagt hat, die ja gemeinsam diese Gespräche mit der Union und den Ländern im MPK-Vorsitz geführt haben - der Regierungssprecher wird bestimmt noch sagen, was der Bundeskanzler heute gesagt hat -, nämlich dass wir als Bundesregierung das Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen, das gestern in dem Gespräch und auch anschließend in der Pressekonferenz vorgestellt wurde, umsetzen werden.

Dabei geht es vor allen Dingen um Rechtsdurchsetzung, um tatsächliches Handeln und um die Maßnahmen, die durch die Bundespolizei an den Grenzen und in den grenznahen Gebieten stattfinden. Das ist vor allem eine Frage der Rechtsdurchsetzung im Rahmen des geltenden europäischen und nationalen Rechts und betrifft insbesondere diejenigen Fälle, in denen andere EU-Mitgliedstaaten für das Asylverfahren zuständig sind. Diese Fälle sollen sehr schnell geprüft, sehr schnell bearbeitet und dann direkt in den EU-Mitgliedstaat, der für das Asylverfahren zuständig ist, zurückgewiesen werden. Sie sollen also nicht unsere Nachbarstaaten zusätzlich in irgendeiner Weise belasten, sondern in den zuständigen Mitgliedstaat zurückgewiesen werden.

Die Bundesinnenministerin hat dafür ein Verfahren erarbeiten lassen, eng abgestimmt in der Bundesregierung, und es gestern vorgestellt. Das gilt es jetzt umzusetzen. Dafür ist vor allen Dingen eine enge Kooperation mit den Bundesländern notwendig, die gestern schon mit am Tisch saßen und natürlich auch ihre Bereitschaft erklärt haben, darüber sehr schnell weiter zu beraten. Genau das wird passieren, nämlich dass wir die weiteren Beratungen mit den Bundesländern suchen, um diese Verfahren sehr schnell durchzuführen.

Ich will noch einmal sagen, dass Zurückweisungen bereits in großem Umfang stattfinden; das geht in der Debatte manchmal unter. Seit Oktober letzten Jahres sind über 30 000 Personen an den deutschen Grenzen zurückgewiesen worden, an den vier Binnengrenzen, an denen bisher Grenzkontrollen stattfinden, und zwar zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Sie wissen, ab dem nächsten Montag wird es Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Grenzen geben. Die hat die Bundesinnenministerin am Montag angeordnet. Das heißt, Zurückweisungen in Fällen, in denen Personen zum Beispiel keine gültigen Dokumente, gefälschte Dokumente, kein Visum oder keine andere Einreiseberechtigung haben, werden in noch größerem Stil stattfinden können. Zusätzlich geht es auch um diejenigen Asylfälle, in denen andere Mitgliedstaaten zuständig sind. Dafür gilt das gestern vorgeschlagene Verfahren.

Ich habe es schon gesagt: Das erfolgt im Rahmen des geltenden nationalen und europäischen Rechts. Das ist kein nationaler Alleingang, sondern ein Handeln im Rahmen der Struktur und der Verfahren des Rechts der Europäischen Union, und ermöglicht auch, dass wir weiter in enger Abstimmung mit unseren Nachbarstaaten handeln, was uns sehr wichtig ist und das ganz konkret an unseren Grenzen gemeinsame Streifen, gemeinsame Polizeizentren usw. bedeutet. Andere Modelle, die vorgeschlagen worden sind, würden das aufs Spiel setzen. Dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. Es geht darum, in Europa weiter ganz eng zusammenzuarbeiten. Das ist mit dem Verfahren, das wir vorgeschlagen haben, möglich.

Zusatzfrage

Funktioniert insbesondere der Teil, dass der Bundespolizei eine wesentlich größere Rolle zukommen soll, im Rahmen der geltenden Regelung, oder braucht es da Anpassungen?

Kall (BMI)

Stand jetzt gehen wir davon aus, weil genau das Verfahren auf Basis des geltenden Rechts sind. Wenn sich aus den Beratungen mit den Ländern Anpassungsbedarf in bestimmten Bereichen ergeben sollte, dann wird es dazu schnell Vorschläge geben. Stand jetzt geht es um die konsequente Durchsetzung des Rechts, um schnellere Verfahren und um eine ganz erhebliche Rolle der Bundespolizei, die künftig unmittelbar prüfen soll, ob ein anderer EU-Staat zuständig ist, und die dann selbst auch die Zurückweisung vornehmen soll, wenn dieses schnelle Verfahren abgeschlossen ist.

Frage

Herr Kall, direkt daran anschließend, weil mir da ein paar Sachen noch nicht ganz klar sind. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird jetzt mit den Ländern weiter verhandelt. Das heißt, die Gespräche trennen sich jetzt wieder. Statt der gemeinsamen Runde mit der Union und den Ländern reden Sie jetzt mit den Ländern über die praktische Umsetzung der Transitzentren - was weiß ich, wie man die nennt -, der Aufnahmelager in Grenznähe. Ist das richtig, und wer bezahlt die eigentlich? Gehen Sie davon aus, dass die Länder das bezahlen, oder übernimmt der Bund die Kosten?

Kall (BMI)

Wir werden mit den Ländern beraten. Dabei geht es um verschiedene Modelle. In Fällen der Fluchtgefahr können Gerichte Haft anordnen; das ist auch jetzt schon möglich. Dann geht es um Abschiebehaft. Es geht aber auch um Fälle, in denen keine Haft angeordnet wird und es zum Beispiel um eine Residenzpflicht, um eine strikte Wohnsitzauflage geht. Es geht darum, dass sich Personen dem dann nicht entziehen können und dass sie in kurzer Zeit nach Abschluss des Dublin-Verfahrens zurückgewiesen werden. Jetzt geht es genau darum, mit den Ländern zu beraten. Solche Einrichtungen und insbesondere auch Abschiebehaft und Ähnliches zu betreiben, ist schon bisher Sache der Länder.

Insofern geht es um ein enges Zusammenwirken, wie immer im Migrationsbereich, in dem der Bund die Gesetze macht und er mit der Bundes- und Grenzpolizei eine starke Rolle vor allen Dingen in den Grenzgebieten hat, aber die Länder für die Aufnahme, Unterbringung usw. zuständig sind und auch die Justiz der Länder eine wichtige Rolle hat. Das hat auch der Bundesjustizminister gestern betont. Die Verwaltungsgerichte sollten im Falle von Klagen, weil in einem Rechtsstaat natürlich Rechtschutz besteht, sehr schnell entscheiden. Insofern haben die Länder da eine starke Rolle. Bund und Länder sind dazu permanent in Kontakt.

Sie wissen, wir haben Asylverfahren beschleunigt und digitalisiert. Wir haben schon ganz viele Prozesse schneller, einfacher und digitaler gemacht, und das alles im Zusammenwirken mit den Ländern. Jetzt geht es darum, noch stärkere Maßnahmen gegen die irreguläre Migration zu treffen und das gemeinsam mit den Ländern zu machen. Dazu besteht auf allen Ebenen ein permanenter Kontakt, sowohl auf den Fach- als auch auf den politischen Ebenen.

Zusatzfrage

In den letzten Tagen ist ja diskutiert worden, dass ein Problem in dem ganzen Dublin-System darin besteht, dass einzelne Länder, die eigentlich die Zuständigkeit hätten, zum Beispiel Italien, einfach gar keine Leute zurücknehmen oder dass deutsche Gerichte verbieten, dass man nach Griechenland abschiebt. Was passiert denn mit denen? Warum soll das jetzt die bessere Lösung sein? Dann sitzen die Leute dort, aber können trotzdem nicht nach Italien zurückgeschickt werden.

Kall (BMI)

Das sind natürlich bestehende Probleme im europäischen Rahmen und im Dublin-System, die es weiter zu lösen gilt. Man kann nur immer weiter darüber verhandeln. Im Umkehrschluss nimmt Deutschland auch keine freiwilligen Aufnahmen mehr aus Italien vor, wie Sie wissen, weil Italien die Dublin-Fälle derzeit nicht zurücknimmt. Darüber gilt es weiter zu verhandeln.

Vor allen Dingen gilt es, das Gemeinsame Europäische Asylsystem, das beschlossen ist, umzusetzen und nichts zu tun, was die Umsetzung gefährdet. Deutschland hat das allergrößte Interesse daran, dass das, was wir in fast zehnjährigen Verhandlungen gemeinsam mit Frankreich und einigen anderen erreicht haben, jetzt auch umgesetzt wird, weil das gerade in dem Dublin-System zu ganz erheblichen Veränderungen und zu einer starken Entlastung führt, und zwar dadurch, dass Verfahren, die nur eine geringe Aussicht auf Schutz in der EU haben - Schutzquoten von unter 20 Prozent -, schon an den Außengrenzen stattfinden. Das sind Dinge, bei denen dann die Außengrenzstaaten sehr gefordert sein werden, die die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Kommission brauchen. Wir wollen, dass das weiter umgesetzt wird.

In denjenigen Dublin-Fällen, in denen das im Moment nicht funktioniert, gilt es, weiter zu verhandeln und Druck auszuüben. Es gibt aber auch diverse Mitgliedstaaten, mit denen die Kooperation schon derzeit gut läuft und mit denen wir Verfahren beschleunigen können.

Frage

Wie steht es denn mit dem Personal, das dafür erforderlich ist? Schafft die Bundespolizei das mit dem jetzt vorhandenen Personal, muss da umgeschichtet werden? Wenn das ab morgen gelten würde, wie viele Menschen, wie viele Flüchtlinge wären ungefähr davon betroffen?

Kall (BMI)

Das kann man gerade jetzt in der Haushaltswoche betonen. Der Haushalt des BMI wird ja morgen im Bundestag verhandelt; Sie wissen das. Wir haben immer gesagt: Das ist ein Sicherheitshaushalt, weil im Haushaltsentwurf der Bundesregierung erhebliche zusätzliche Investitionen für die innere Sicherheit für erneut 1000 zusätzlichen Stellen für die Bundespolizei vorgesehen sind, ebenso wie in den letzten Jahren. Das heißt, diese Bundesregierung hat die Bundespolizei jedes Jahr um 1000 Polizistinnen und Polizisten verstärkt, die auch da sind, weil das die Anwärter sind, die ausgebildet und dann übernommen werden. Insofern haben wir eine ganz erhebliche Verstärkung der Bundespolizei mit Personal, mit den 1000 Stellen, aber auch mit zusätzlichen Sachmitteln.

Die Bundespolizei hat mit Abstand den größten Etat, den sie bisher hatte, und ist in bisher nicht bekannter Weise verstärkt worden, weil das auch notwendig ist und die Aufgaben der Bundespolizei das erfordern. Wir werden sehen, ob die Bundespolizei mit den 1000 Stellen pro Jahr mehr alle ihre Aufgaben auch auf eine längere Sicht erfüllen kann oder ob darüber hinaus noch zusätzliches Personal notwendig ist. Wir gehen erst einmal davon aus, dass die Bundespolizei natürlich dazu in der Lage ist und dass diese erheblichen Verstärkungen der Bundespolizei auch wirken werden.

Zu dem Zweiten, zu den Zahlen: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Es ging jetzt darum, ein europarechtskonformes Modell zu entwickeln und es mit den Ländern zu beraten. Dann wird man sehen, inwiefern man da Zahlen prognostizieren kann. Das ist jetzt noch zu früh.

Frage

Herr Kall, können Sie einmal erläutern, auf welchem Weg man bei Anwendung dieses neuen Regelwerks in Zukunft in Deutschland legal einen Asylantrag stellen könnte?

Kall (BMI)

Wenn kein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Person dort einen Asylantrag gestellt hat oder hätte stellen können, weil es keinen Eurodac-Treffer gibt, weil die Befragungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dann ist Deutschland weiter für den Asylantrag zuständig und das Asylverfahren wird hier geführt.

Zusatzfrage

Dieses Wenn umfasst allerdings ziemlich alle bekannten Reisewege, es sei denn, jemand landet direkt in Frankfurt oder schwimmt durch die Ostsee. Das heißt, diese Regelung ist unter dem Strich per definitionem ein Hebel, um Asylanträge in Deutschland weitestgehend gar nicht stellbar zu machen.

Wie gehen Sie mit dem Problem der sogenannten grünen Grenze um? Diese hat sich in der Vergangenheit immer dann als ein Zugangsweg bewährt, will ich mal sagen, wenn Kontrollen an den offiziellen Grenzübergängen stattfinden. Wie gehen Sie in Zukunft gegen diese Möglichkeit der Umgehung vor?

Kall (BMI)

Solche Möglichkeiten bestehen natürlich und lassen sich nicht hundertprozentig ausschließen, auch nicht durch die starken Maßnahmen der Bundespolizei an den Grenzen. Es geht auch nicht darum, Deutschland völlig abzuschotten. Es gibt Grenzkontrollen künftig, wie gesagt, an allen Binnengrenzen, die flexibel und lageabhängig vorgenommen werden, das heißt, auch nicht an jeder Straße gleichzeitig.

Es geht auch darum, die Wirtschaft, den Handel, den Pendlerverkehr, die Bürgerinnen und Bürger usw. nicht übermäßig zu entlasten, sondern das immer mit Augenmaß vorzunehmen, vor allem die Schleuserrouten zu durchkreuzen, Schleuser und Kriminelle an den Grenzen zu stoppen. Es geht aber nicht darum, den Grenzverkehr völlig aufzuhalten. Neben den Kontrollen an Straßen und im Bahnverkehr gibt es auch weiterhin Schleierfahndungen im Grenzgebiet.

Sie haben natürlich völlig recht: An zigtausend Kilometern Grenze rund um Deutschland ist es möglich, auch einmal über die grüne Grenze zu kommen. Es wird weiterhin Fälle geben, in denen Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist, weil sich keine Zuständigkeit eines anderen Staates begründen lässt. Aber das ist das geltende europäische Recht. Deutschland ist ein Staat der Sekundärmigration und in aller Regel nicht ein Staat der Ersteinreise. Zunächst sind die Staaten der Ersteinreise zuständig.

Deutschland hat seine humanitäre Verantwortung in einem sehr hohen Maße wahrgenommen, auch in einem viel höheren Maße als viele andere Mitgliedstaaten. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass in Deutschland etwa 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine leben, dass wir darüber hinaus hohe Asylzahlen vor allen Dingen aus Syrien und Afghanistan haben und dass wir eine Gesamtbelastung haben, auch wenn die aktuellen Zahlen sinken, was sehr gut ist. Wir sind bei den Asylzahlen bei minus 20 Prozent über die letzten Monate hinweg. Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir einen deutlichen Rückgang. Trotzdem ist die Gesamtbelastung in den Kommunen, in den Schulen und Kitas, in den Aufnahmeeinrichtungen, im gesamten Aufnahme- und Integrationssystem weiter sehr hoch, weil viele Syrer, Afghanen und jetzt Menschen aus der Ukraine weiter da sind. Das erfordert noch stärkere Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration, damit Deutschland weiter in der Lage ist, seine humanitäre Verantwortung überhaupt zu erfüllen.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit. Donald Tusk hat sich gestern sehr verärgert gezeigt und gesagt, dass das, was passiert, ein Alleingang Deutschlands ist, dass die Grenze quasi geschlossen wird und dass Deutschland mit den europäischen Prinzipien bricht. Polen will mit allen Nachbarn von Deutschland darüber sprechen. Inwiefern nehmen Sie diese Sorgen und Vorwürfe ernst, die nicht nur aus Polen, sondern auch aus Österreich kommen?

StS Hebestreit

Grundsätzlich nehmen wir alles ernst, was unsere Nachbarn sagen, gerade diejenigen, mit denen wir ganz besonders enge Beziehungen haben, wie Polen oder Österreich. Das ist auch ein Argument, das man in der sehr aufgeheizten Diskussion immer wieder erwägen muss, in der es in den letzten Tagen noch viel weitreichendere Vorschläge gegeben hat. Gleichzeitig gibt es europäische Verpflichtungen, Menschen im eigenen Land zu registrieren und dort dann auch das Asylverfahren durchzuführen.

Ich gehe davon aus, dass wir in engem Kontakt auch mit unseren Freunden in Polen, unseren Freunden in Österreich und all den anderen Anrainerstaaten, die jetzt von diesen Kontrollen, die mit Blick auf Polen ja nicht neu sind, sondern das ist das, was bereits seit Oktober vergangenen Jahres läuft - - - Das läuft - so unser Erleben - gut. Es gibt keine massiven Staus an den Grenzübergängen oder Behinderungen für Pendler. Das ist ja immer eine Sorge, die man dabei haben muss.

Gleichzeitig geht es darum - Herr Kall hat gerade ausgeführt, worum es geht -, uns weiterhin in der Lage zu halten, die humanitären Anforderungen, die auf dieses Land zukommen und die dieses Land stemmen muss, hinzubekommen. Insofern, glaube ich, wird es enge und gute Gespräche und Absprachen mit den Nachbarländern geben. Trotzdem werden wir an der Linie festhalten, die der Bundeskanzler, die Bundesinnenministerin, diese Bundesregierung schon vor geraumer Zeit vorgegeben haben.

Zusatzfrage

Ich habe eine Zusatzfrage an Herrn Kall. Man liest heute in vielen regionalen Zeitungen, auch in Polen, dass es die Sorge gibt, dass die Kontrollen nach dem 16. September verstärkt werden. Können Sie das einordnen? Werden Kontrollen zusätzlich an den Grenzen zu Dänemark, Holland usw. eingeführt, oder werden sie nach dem 16. September zu Ländern wie Polen, Tschechien und die Schweiz verstärkt?

Kall (BMI)

Nein. Die Kontrollen finden weiter lageabhängig statt, wie es bei der Polizei heißt. Das heißt, immer so, wie es die aktuellen Sicherheitserfordernisse, die aktuelle Lage erfordern. Deswegen gehe ich aktuell nicht von einer Veränderung aus, sondern es kommen Kontrollen in anderen Grenzgebieten hinzu.

Gerade mit Polen gibt es eine ganz enge Zusammenarbeit, wenn Sie etwa nach Frankfurt/Oder oder in andere Städte schauen und sehen, wie das dort läuft, mit gemeinsamen Polizeizentren, gemeinsamen Streifen und einem gemeinsamen Vorgehen an der Grenze. Genau dieses kooperative, gemeinsame europäische Vorgehen, gerade mit Polen und anderen Nachbarstaaten, wollen wir fortsetzen. Deswegen gibt es keine Konstruktionen, die sich außerhalb des geltenden europäischen Rechts bewegen, und keine Zurückweisungen in einem Maße, wie das die Union gefordert hat, sondern ein Handeln innerhalb des europäischen Systems und ein kooperatives Handeln, keinen nationalen Alleingang. Das ist uns sehr wichtig zu betonen.

Frage

Ich würde ganz gerne direkt an die Abstimmung mit den europäischen Partnern anknüpfen. Das ist eine Frage an Herrn Hebestreit, vielleicht auch an Herrn Kall: Warum gibt es nicht eine Art europäische Konferenz mit allen Nachbarstaaten, in denen die Bundesregierung dann genauer erklären kann, was sie vorhat bzw. was sie nicht vorhat, um den Eindruck zu erwecken, dass es eben doch ein deutscher Nationalgang sei? Genau so ist es nämlich in etlichen EU-Nachbarstaaten angekommen. Gibt es solche Planungen, ein gemeinsames Treffen mit den Nachbarstaaten zu machen, oder will man das jeweils bilateral klären?

StS Hebestreit

Mir sind keine Planungen in dieser Hinsicht bekannt. Das wird vielmehr bilateral mit jedem Einzelnen genau erläutert werden. Deswegen ist es so wichtig, dass neben den aufgeheizten politischen Debatten, die einen sehr beschäftigen, auch immer die Ergebnisse von Debatten mitgeteilt werden und dargelegt werden können, sodass auch unsere europäischen Partnerinnen und Partner wissen, was auf sie zukommt bzw. was nicht auf sie zukommt. Es ist immer gut, wenn man sich gegenseitig informiert hält; dann sind auch gewisse schnelle Reaktionen gar nicht mehr so nötig.

Kall (BMI)

Ich will auch noch einmal sagen, dass wir natürlich mit allen europäischen Partnern in einem ganz engen Kontakt stehen und dass auch bevor die Anordnung der weiteren Binnengrenzkontrollen am Montag erfolgt ist natürlich zu allen Kontakt bestand und alle vorher informiert waren, bevor die Öffentlichkeit informiert wurde, und das es da auf allen Ebenen laufenden Kontakt gibt. Das ist ja auch Thema in jedem Innenrat, bei jeder Beratung der EU-Innenminister und in ganz vielen bilateralen Kontakten. Da besteht also ein permanenter Kontakt.

Zusatzfrage

Herr Kall, das sorgt ja in westlichen Nachbarländern für Unruhe, weil man bereits während der Coronapandemie Erfahrungen mit Grenzschließungen gemacht hat. Sie haben jetzt gesagt, es werde keine Grenzschließungen geben, aber vielleicht können Sie noch einmal genauer beschreiben, wie die Kontrollen dann aussehen? Müssen nicht auch Lieferwagen kontrolliert werden, weil wir wissen, dass Schleuser eben auch solche Verkehrsmittel nutzen, um Migranten hier ins Land zu bringen? Wie sehen diese Kontrollen dann also wirklich aus? Werden die Züge kontrolliert, werden Lieferwagen, Lastwagen etc. auch kontrolliert?

Kall (BMI)

Ich würde davon ausgehen, dass das so wie bisher an den vier Grenzen, an denen bisher kontrolliert wird, ablaufen wird, also dass die Bundespolizei da kontrolliert, wo sie Anhaltspunkte hat, insbesondere für Schleuser und für sonstige grenzüberschreitende Kriminalität, dass sie da gezielt auch Fahrzeuge herauszieht und Kontrollen vornimmt, und dass sie in Abstimmung mit den Nachbarstaaten alles dafür tut, dass der Grenzverkehr, die Wirtschaft und die Menschen in den Grenzregionen so wenig wie möglich belastet werden.

Man muss auch sagen, dass solche Kontrollen im Grenzbereich zu Österreich jetzt seit neun Jahren stattfinden. Man könnte also sagen, dass sich das da lange eingebürgert hat bzw. dass es da eine bewährte Praxis gibt. Während der Europameisterschaft fanden Kontrollen zu allen europäischen Nachbarstaaten statt. Auch da ist es, obwohl Millionen Gäste nach Deutschland gekommen sind und es einen ganz erheblichen Reiseverkehr gab, nicht zu so großen Belastungen gekommen. Das ist natürlich weiterhin auch wichtig, aber gleichzeitig geht es eben auch darum, Schleuserkriminalität effektiv zu bekämpfen.

Frage

Vielleicht war ich unaufmerksam: Auf welche Gesamtheit bezieht sich der aktuelle Rückgang um 20 Prozent?

Kall (BMI)

Das sind die Asylantragszahlen in diesem Jahr, die jetzt über die Monate hinweg bis einschließlich August bei gut 20 Prozent - ich glaube, 21 Prozent - unter denen des letzten Jahres liegen. Im Monatsvergleich zum August des Vorjahres ist der Unterschied noch einmal wesentlich signifikanter. Alle Zahlen dazu finden Sie beim BAMF online.

Zusatz

Wenn ich noch eine Anmerkung zu Ihrer Antwort auf meine erste Frage machen darf - - -

Vorsitzende Buschow

Herr Kollege, ich habe viele Themen auf der Liste. Wir sind hier, um Fragen zu stellen, nicht um Anmerkungen zu machen. Wenn Sie noch eine Nachfrage haben, dann stellen Sie sie gerne.

Zusatz

Ja, die Anmerkung mündet in einer Frage, Frau Vorsitzende.

Vorsitzende Buschow

Dann bitte kurz.

Zusatzfrage

Wenn ich mich nicht verhört habe, dann sagten Sie, es gehe darum, die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft nicht übermäßig "zu entlasten".

Kall (BMI)

Sollte ich das gesagt haben, dann wäre das ein Versprecher. Es muss natürlich "zu belasten" heißen - nicht übermäßig zu belasten, sondern Grenzkontrollen immer mit Augenmaß vorzunehmen. Wie gesagt, diese Grenzkontrollen finden auch schon statt bzw. haben an vielen Grenzen schon stattgefunden, und da gelingt das ziemlich gut.

Frage

An das Finanzministerium: Es gibt jetzt die Meldung, dass Unicredit bei der Commerzbank eingestiegen sei. Was passiert eigentlich mit den verbleibenden Anteilen? Wird die Bundesregierung diese Anteile nutzen, um jetzt noch andere Partner hereinzuholen, oder wäre das Finanzministerium für eine Übernahme der Commerzbank?

Dr. Kalwey (BMF)

Vielen Dank für die Frage. - Ich kann Ihnen dazu erst einmal sagen: Der Bund hat am gestrigen Dienstag ein erstes Aktienpaket an der Commerzbank AG veräußert, das ist richtig. Der Verkauf der Beteiligung wurde im Rahmen eines marktschonenden und diskriminierungsfreien Verfahrens durch die Finanzagentur durchgeführt. Sie hat insgesamt 4,49 Prozent der Anteile der Commerzbank veräußert bzw. die Veräußerung bekanntgegeben. Das Gebot der Unicredit lag mit 13,20 Euro deutlich über allen anderen Angeboten und damit auch über dem gestrigen Schlusskurs von 12,60 Euro. Der Bund ist, wie Sie wissen, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Deswegen hat die Finanzagentur die Anteile dementsprechend dem mit großem Abstand höchsten Gebot zugeteilt. Der Bund wird die neue Situation jetzt erst einmal grundsätzlich analysieren.

Vielleicht noch zur Information: Über den weiteren Umgang mit der verbliebenen Beteiligung von zwölf Prozent entscheidet dann auch der interministerielle Lenkungsausschuss.

Zusatzfrage

Wenn ich kurz nachfragen darf: Wenn Sie das so begründen, dass der Bund und die Finanzagentur nach Wirtschaftlichkeit gehen und das höchste bzw. ein sehr gutes Angebot angenommen haben, könnte man daraus ja schließen, dass, wenn Unicredit noch einmal ein sehr gutes Angebot für die restlichen zwölf Prozent machte, die Bundesregierung auf jeden Fall zustimmen würde?

Dr. Kalwey (BMF)

Wie gesagt, der Bund wird die neue Situation jetzt erst einmal analysieren. Die Finanzagentur hat in ihrer Pressemitteilung auch kommuniziert, dass jetzt erst einmal eine 90-tägige Sperrfrist für eine weitere Veräußerung vereinbart wurde.

Vielleicht noch zum Verfahren: Wie ich schon gesagt habe, handelt es sich um ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren im Rahmen des sogenannten Bookbuilding-Verfahrens. Es stand allen Investoren offen, ihr Interesse innerhalb dieses Verfahrens zu bekunden. Das haben natürlich viele getan, so auch die Unicredit.

Frage

Inwieweit war die Bundesregierung über die Absicht der Unicredit, einen solch großen Anteil zu kaufen, informiert? Gab es davor Gespräche, oder hat das die Bundesregierung genauso überrascht wie die meisten anderen Marktteilnehmer?

Dr. Kalwey (BMF)

Wie gesagt, innerhalb dieses Verfahrens haben viele Investoren ihr Interesse bekundet, so auch die Unicredit. Es gab vorab kein konkretes Angebot der Unicredit.

Frage

Herr Hebestreit, gäbe es seitens des Kanzleramtes oder des Kanzlers Einwände dagegen, wenn Unicredit die Commerzbank übernehmen würde und dann möglicherweise auch die Geschäftsführung nach Italien abwandern würde?

StS Hebestreit

Herr Kollege, Sie sind ja, wie ich, schon länger in diesem Saal und wissen, wie wir auf hypothetische Fragen grundsätzlich antworten. Auf hypothetische Fragen, für die man dann auch noch Marktbewegungen nachvollziehen muss, antworten wir schon einmal gar nicht.

Zusatzfrage

Entschuldigung, wenn ich nachfrage, aber was ist daran hypothetisch, wenn ich frage, ob der Kanzler ein Problem damit hätte, dass Unicredit - - -

StS Hebestreit

Der Konjunktiv II sollte Ihnen das Signal geben. Ob er ein Problem damit hätte, wenn es so wäre, ist aus meiner Sicht ziemlich genau das, was grammatikalisch eine Hypothese ist.

Frage

Herr Hebestreit, der spanische Ministerpräsident Sánchez hat die EU-Kommission und alle anderen EU-Mitglieder aufgefordert, den Vorstoß zur Einführung von Ausgleichszöllen für chinesische E-Autos noch einmal zu überdenken.

Inwieweit ist dieser Vorstoß mit Olaf Scholz abgestimmt? Man weiß ja, dass die beiden sich sehr gut verstehen; beide sind Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Europas. Gab es davor also Gespräche und Abstimmungen?

Würden Sie sagen, dass die EU-Kommission dieses Vorhaben überhaupt noch umsetzen kann, wenn zwei so große und einflussreiche Mitgliedsländer wie Deutschland und Spanien eigentlich dagegen sind?

StS Hebestreit

Die Bundesregierung hat ja sehr früh ihre Skepsis gegen die Pläne der Europäischen Union bekundet - so auch hier - und hat noch einmal deutlich gemacht, dass sie sehr begrüßt, dass parallel zu der Vorbereitung von Strafzöllen weiterhin Gespräche zwischen der chinesischen Führung und der Europäischen Union laufen, um solche Zölle zu verhindern. An dieser Position hat sich aus unserer Sicht nichts verändert. Wenn andere europäische Länder auch merken, dass das nicht im Sinne unserer Industrie sein kann, dann ist das nur gut.

Zusatzfrage

Gab es dazu Gespräche zwischen Scholz und Sanchez, ist das abgestimmt? Man braucht ja letztendlich eine qualifizierte Mehrheit, um der EU-Kommission da ein Stoppschild hinzusetzen.

StS Hebestreit

Herr Nienaber, zu internen Gesprächen sage ich hier für gewöhnlich nichts. Ich habe aber darauf hingewiesen, dass die Stoßrichtung eine ist, die wir teilen.

Frage

Herr Hebestreit, haben Sie mittlerweile eine ausreichende Mehrheit, um diese Strafzölle in der Zukunft abzuwenden?

StS Hebestreit

Im Augenblick laufen die Gespräche zwischen der Europäischen Union und der chinesischen Führung, um, bevor diese Strafzölle wirksam werden, eine gütliche Einigung hinzubekommen, die beide Seiten, die chinesische Seite und auch die europäische Seite, befriedigt. Darauf setzt man jetzt alle Energie. Alles Weitere gehört zu den hypothetischen Fragen, die wir gerne dann, wenn es soweit ist, miteinander diskutieren können.

Frage

Ich hätte noch eine Frage zu VW, die sich sowohl an Herrn Haufe als auch an Herrn Hebestreit richtet: Die Bundesregierung hat zu VW noch nicht sehr viel gesagt. Mittlerweile hat die Geschäftsführung die Verträge zur Beschäftigungssicherung bei VW zu Ende des Jahres gekündigt. Sieht man diese Entwicklung mit Sorge, oder halten Sie diesen Schritt der Konzernleitung nicht für so gravierend?

StS Hebestreit

Ich würde diesen Schritt von dieser Stelle aus gar nicht bewerten wollen. Grundsätzlich ist es so, dass die Bundesregierung - der Wirtschaftsminister, der Bundeskanzler - eng mit allen Beteiligten im Gespräch ist. Die Herausforderungen beim Volkswagen-Konzern sind bekannt. Der Bundeskanzler hat dazu auch mit der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden ausführlich gesprochen. Die Gespräche laufen jetzt innerhalb des Konzernes ab. Das muss man jetzt weiter beobachten. Wichtig ist, dass der Volkswagen-Konzern schlagkräftig bleibt und eine erfolgreiche Zukunft hat.

Zusatzfrage

Herr Haufe, können Sie dazu noch etwas sagen?

Haufe (BMWK)

Ich muss dem jetzt nicht unbedingt etwas hinzufügen.

Frage

(zu Rüstungsexporten an Israel) Das Lübecker Unternehmen Lubeca Marine ist Eigentümer des Frachters MV Kathrin, der derzeit acht Container mit RDX-Sprengstoff sowie 60 Container mit TNT transportiert. Endbestimmungsort ist Israel, genauer gesagt das größte israelische Militärunternehmen Elbit Systems. RDX-Sprengstoff ist ein Kernelement für die Produktion von Fliegerbomben und Raketen. Jetzt hat Namibia mit Verweis auf die völkerrechtliche Lage und die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Bezug auf Israels agierenden Gaza und Westbank ein Andocken an allen namibischen Häfen untersagt.

Da würde mich interessieren: Wie bewertet die Bundesregierung als schlussendliche Aufsichtsbehörde das Agieren des Unternehmens? Schließt sie sich der Einschätzung der namibischen Behörden an, dass der Transport der besagten Sprengstoffe an Israel gegen die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs und damit gegen Völkerrecht verstößt?

Vorsitzende Buschow

An welches Ressort richtet sich die Frage?

Zusatz

An das Auswärtige Amt und im Zweifel an das Wirtschaftsministerium. - Ich denke, das Auswärtige Amt wird auf jeden Fall etwas dazu sagen.

Wagner (AA)

Herr Kollege, die Detailschärfe Ihrer Frage, die Sie gerade gestellt haben, ist dergestalt, dass ich mich erst einmal schlaumachen müsste, weil mir dieser Vorgang jetzt nichts sagt. Ich kann Ihnen aber vielleicht noch einmal allgemein sagen, unbeschadet dessen, was Sie jetzt in Ihrer Frage aufwerfen, weil ich noch nicht einmal wüsste, ob Sprengstofftransporte, die über Deutschland laufen, sozusagen irgendwie der Rüstungskontrolle - - - Aber, dies einmal dargestellt, dazu liefern wir noch etwas nach.

Aber Sie wissen ja, dass unsere Rüstungsexportpolitik nationalen, internationalen und europäischen Regeln unterliegt und dass im Einzelfall immer streng geprüft wird, dass Deutschland bei diesen Geschichten natürlich seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält. Aber, wie noch einmal gesagt, dieser Einzelvorgang sagt mir jetzt nichts. Deshalb müssten wir da im Zweifel noch einmal etwas nachliefern.

Zusatzfrage

Ich habe noch einmal eine grundsätzliche Nachfrage. Vielleicht hatte ich es auch missverständlich geäußert. Es geht also nicht darum, dass das deutsche Produkte sind. Aber das ist ein deutsches Unternehmen, registriert und mit Hauptsitz in Deutschland, das diese Transporte übernimmt. Das geht dann von Vietnam bis nach Israel. Deswegen habe ich die Frage, ob die Bundesregierung es grundsätzlich - die Namibier haben auch so argumentiert - als einen Bruch des Völkerrechts ansieht, wenn ein deutsches Unternehmen Kernelemente für Raketen und die Bombenproduktion in Israel liefert. Es geht also sozusagen um den Transportweg. Ein deutsches Unternehmen liefert. Das könnte man ja beantworten.

Wagner (AA)

Herr Kollege, Ihr Nachlegen zeigt ja, dass die Frage offensichtlich nicht ganz einfach ist. Deshalb würde ich mich gerne einmal mit dem Sachverhalt vertraut machen. Wenn wir darauf etwas antworten können, dann werden wir das gerne nachliefern.

Frage

Wie bewertet das Wirtschaftsministerium die Tatsache, dass die amtierenden EU-Ratspräsidentschaft das EU-Embargo gegen russisches Öl dadurch umgeht, dass sie das aus Russland geliefertes Öl als ungarisches Öl deklariert und es somit dann embargofrei durch die Ukraine leitet lässt? Ist das nicht eine ganz offene Umgehung europäischer EU-Embargobeschlüsse?

Haufe (BMWK)

Wir hatten uns ja an dieser Stelle regierungsseitig das eine oder andere Mal zur ungarischen Ratspräsidentschaft eingelassen. Das will ich hier jetzt nicht noch einmal wiederholen.

Die Deklarierung, von der Sie jetzt sprechen, kann ich an dieser Stelle nicht kommentieren, weil ich sie nicht ganz genau kenne.

Zusatz

Vielleicht können Sie ja etwas nachliefern, wenn Sie sich kenntnisreich gemacht haben. Faktisch ist es so, dass die ukrainische Regierung jetzt einer Durchleitung zugestimmt hat. Es wurde ein Deal geschlossen, nach dem erklärt wurde, der Besitz an diesem Öl, bevor es die ukrainische Grenze in der Pipeline erreicht, sei eben auf Ungarn übergegangen, und deshalb handele es sich nicht um russisches Öl, sondern um ungarisches, das vom Embargo befreit sei. Das ist ja das, was man üblicherweise entweder als einen Taschenspielertrick oder als noch Übleres bezeichnen würde. Vielleicht können Sie dann doch nach der Kenntnisnahme eine Bewertung abgeben.

Haufe (BMWK)

Vielen Dank für die Erklärung und die Erläuterung. Auch meine Kollegen kennen den Fall nicht so, wie Sie ihn darstellen. Wir müssen das erst überprüfen.

Frage

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat dem Kanzler Lügen vorgeworfen, als er hier in der Sommerpressekonferenz in der BPK erklärt habe, Russland sei einseitig aus den zentralen Rüstungskontrollverträgen ausgestiegen. Tatsächlich seien es die USA gewesen, so Wagenknecht, die aus dem ABM-, INF- und Open-Sky-Vertrag ausgetreten seien. Da es dazu bisher kein Dementi oder keinen Widerspruch gab, wollte ich fragen, ob man davon ausgehen kann, dass dies sozusagen ein stillschweigendes Eingeständnis des Kanzleramtes ist, dass der Kanzler in dem konkreten Fall die Unwahrheit gesagt hat.

StS Hebestreit

Herr Kollege, wenn ich jetzt all das, was Sie in Ihrer Frage so wunderbar verpacken, einfach einmal weglasse, sage ich einmal ganz grundsätzlich: Wenn wir alles dementieren würden, was den Tag über an Schwachsinn auf solchen Kanälen gesendet wird, wie Sie sie gerade angeführt haben, dann hätten wir zu viel zu tun und könnten dann unsere eigene Arbeit nicht tun. Insofern sollte Sie niemals davon ausgehen, wenn wir da nicht dementieren, dass das Zustimmung bedeutet.

Ansonsten schlage ich Ihnen vor, in den Geschichtsbüchern nachzuschauen. Das ist noch gar nicht so lange her. Es gibt das Internet. Dann können Sie sich selbst schlaumachen.

Zusatzfrage

Jetzt hat Frau Wagenknecht meines Wissens keinen Kanal, sondern ist Politikerin, und sie hat dargelegt, dass die USA aus den erwähnten Verträgen ausgestiegen seien. Dazu haben Sie ja eine andere Meinung. Da würde mich dann interessieren, ob Herr Hebestreit - - -

StS Hebestreit

Herr Kollege, ich habe - - -

Zusatz

Kurz ausreden lassen, dann dürfen Sie auch antworten! - Die Frage ginge an Sie und das AA: Welcher Staat hat aus Sicht des Auswärtigen Amts und des Kanzlers den ABM-, den INF- und den Open-Sky-Vertrag einseitig aufgekündigt?

StS Hebestreit

Herr Kollege, wir sind ja hier nicht in einer Geschichtsstunde. Ich habe gerade darauf verwiesen, dass Sie sich selbst schlaumachen können. Sie sind ja Journalist. Dann können Sie das ja selbst recherchieren. Sie haben die Worte des Bundeskanzlers gehört, und ich habe auf das Internet und die Geschichte verwiesen. Machen Sie sich selbst schlau, anstatt Dinge zu verbreiten, die hier nicht hingehören.

Wagner (AA)

Vielleicht darf ich etwas ergänzen, weil Ihre Frage ja suggeriert, dass das Fehlverhalten sozusagen auf unserer Seite läge. Vielleicht noch einmal klargestellt: Russland rüstet seit Jahren auf, hat den INF-Vertrag gebrochen und führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Europa.

Zusatzfrage

Zumindest eine Antwort auf eine relativ einfache Frage hätte ich schon ganz gerne: Wer hat aus Sicht der Bundesregierung den ABM-, den INF- und den Open-Sky-Vertrag einseitig aufgekündigt, die USA oder Russland?

StS Hebestreit

Ich überlege jetzt, wie ich möglichst freundlich noch einmal versuche, auf Ihre Frage zu antworten. Deshalb verweise ich auf die Worte des Sprechers des Auswärtigen Amtes, der Ihnen ja einen Hinweis darauf gibt, wer den Vertrag gebrochen hat. Durch den Bruch eines Vertrages ist das eine Kündigung. Wenn wir beide etwas miteinander vereinbaren und ich mich an die Vereinbarung nicht halte, dann habe ich damit den Vertrag nicht eingehalten, sondern ihn gebrochen. So ist das.

Frage

Herr Kall oder Herr Wagner - ich bin mir nicht ganz sicher -, es gibt Medienberichte, dass Kadyrow einen neuen Statthalter hier in Deutschland installiert haben soll und dass er als potenzielles Sicherheitsrisiko angesehen wird. Ich hätte ganz gerne zum einen gewusst, ob Sie das bestätigen können. Sehen Sie die Anwesenheit dieses Mannes hier auch als Gefahr für die öffentliche Sicherheit an?

Kall (BMI)

Ich kann Ihnen dazu für das BMI nichts sagen. Wie Sie wissen, könnten wir hier auch über bestimmte Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden keine öffentliche Auskunft geben.

Wagner (AA)

Ich habe dem auch nichts hinzuzufügen.

Frage

Die Frage geht wieder an das Wirtschaftsministerium. In der gestrigen Präsidentenkandidatendebatte in den USA hat Trump erklärt - da gab es einen Bezug zu Deutschland, weswegen ich frage -, Deutschland habe ja versucht, innerhalb kürzerer Zeit die Stromversorgung komplett auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Das sei gescheitert. Seitdem baue Deutschland jetzt wieder neue fossile Kraftwerke. Was kann er damit - über die in der im Frühjahr dieses Jahres beschlossenen Kraftwerkstrategie geplanten Errichtung von, glaube ich, viermal 2,5-Megawatt-Kraftwerken, die wasserstofffähig sind, hinaus - gemeint haben? Gibt es darüber hinaus weitere und andere fossile Kraftwerke, die Deutschland im Bau oder in Planung hat?

Haufe (BMWK)

Sie sprechen die Aussagen an. Die haben wir mit gehöriger Verwunderung wahrgenommen und halten sie auch nicht für wirklich nachvollziehbar. Ich weiß nicht, was der Präsidentschaftskandidat damit meint. Ich will da auch nicht in irgendwelche Interpretationen einsteigen oder die Debatte kommentieren. Das ist nicht unsere Aufgabe. Dass im letzten Jahr ein fossiles Kraftwerk in Deutschland gebaut worden wäre, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß davon nichts.

Sie sprechen jetzt auch den zukünftigen Kraftwerkspark an. Dazu bereiten wir ja eine öffentliche Konsultation im Rahmen des Kraftwerkssicherungsgesetzes vor. Die Kraftwerke, die für die Zukunft und für ein erneuerbares Energiesystem gebaut werden, werden zum Teil erst mit Gas Energie erzeugen, müssen dann aber ziemlich zügig oder am Ende mit Wasserstoff oder mit einer anderen Form arbeiten. Letztlich steht der gesamte Kraftwerkspark unter dem Dekarbonisierungsziel, also kohlenstofffrei und möglichst CO2-frei zu arbeiten. Das ist die Maßgabe. An der hat sich nichts geändert. Viele Fakten sprechen gegen diese Aussage, die Sie gerade noch einmal zitiert haben.

Frage

Die Kampagnenorganisation Campact hat im Zuge der Landtagswahl zu einer Zweitstimmenabgabe für die Grünen aufgerufen und auch einen sechsstelligen Betrag an die Partei gespendet. Gleichzeitig hat Campact über die Tochtergesellschaft HateAid im Verlauf der letzten Jahre rund zwei Millionen Euro erhalten. Da würde mich interessieren - die Frage geht unter anderem an das Familienministerium -, wie denn das Familienministerium und der Kanzler diesen Vorgang bewerten, dass einerseits eine Organisation oder deren Tochtergesellschaft mit Millionenbeträgen gefördert wird und diese dann gleichzeitig - und das, wie gesagt, von einem grün geführten Ministerium - im Gegenzug entsprechende Wahlempfehlungen und auch Wahlspenden tätigen?

Berg (BMFSFJ)

Vielen Dank. - Es ist richtig, dass HateAid im Rahmen des Programms "Demokratie leben!" gefördert wird. Das ist das, was ich Ihnen gerade dazu sagen kann.

Zusatzfrage

Heißt das, für das Familienministerium erscheint es nicht problematisch, dass man eine Organisation bzw. eine Tochtergesellschaft fördert, die gleichzeitig eine Wahlempfehlung für eine konkrete Partei ausspricht und diese auch noch mit einem sechsstelligen Betrag unterstützt? Das findet das Familienministerium unproblematisch, auch, was gute Regierungsführung und Transparenz angeht?

Berg (BMFSFJ)

Ich kann Ihnen zu dem Einzelfall im Detail gerade nichts sagen.