GI - Gesellschaft für Informatik e.V.

09/30/2024 | Press release | Distributed by Public on 09/30/2024 06:58

GI Arbeitskreis warnt vor EU Plänen zur Chatkontrolle

Berlin, 30.09.2024 - Die Chatkontrolle ist wieder auf der Tagesordnung der Regierungen der EU. Am 2. Oktober 2024 sollen sich die EU-Regierungen zum neuesten Vorstoß positionieren und ihn am 10. Oktober beschließen. Der neueste Anlauf macht ein geringfügiges Zugeständnis, ändert aber nichts am Grundproblem der verdachtslosen, massenhaften Chatkontrolle und dem Ende sicherer Verschlüsselung.

Der Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit der GI äußert scharfe Kritik an den erneuten Plänen der Europäischen Union, verpflichtende Maßnahmen zur Überwachung von privater digitaler Kommunikation einzuführen. Nach der Veröffentlichung eines aktuellen vertraulichen EU-Dokuments durch Politico und Netzpolitik.org, das weiterhin weitreichende Überwachungsmechanismen für Messenger-Dienste und andere Kommunikationsplattformen vorsieht, warnt der Arbeitskreis eindringlich vor einer Aushöhlung grundlegender Freiheitsrechte und dem Risiko massiver Eingriffe in die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern. Darüber hinaus führt die vorgesehene Korrumpierung vertraulicher digitaler Infrastruktur auch zu hohen Risiken für Betriebsgeheimnisse.

Dr. Martin Weigele, Sprecher des Arbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit: "Wir setzen uns für eine digitale Zukunft ein, in der Freiheit und Sicherheit Hand in Hand gehen. Beispielsweise unterstützen wir Initiativen, die sich den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet zum Ziel genommen haben. Allerdings lehnen wir Maßnahmen ab, die die Grundrechte aller Menschen in der digitalen Kommunikation unverhältnismäßig einschränken. Statt allgemeiner Überwachungsmaßnahmen fordern wir gezielte, rechtlich klar definierte Lösungen, die auf bestehenden Gesetzen basieren."

Im Kern der Initiative steht die Forderung, private Kommunikation systematisch zu überwachen und automatisierte Technologien einzusetzen, um potenziell illegale Inhalte zu erkennen. Der Arbeitskreis der GI sieht hierin eine Verletzung fundamentaler Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Vertraulichkeit der Kommunikation und des Datenschutzes. Diese Maßnahmen würden die Kommunikationsinhalte aller Nutzerinnen und Nutzer ins Visier nehmen - unabhängig davon, ob ein konkreter Verdacht besteht.

Risiken für die Sicherheit digitaler Kommunikation

Neben den gravierenden Auswirkungen auf die Privatsphäre und den Datenschutz betont der Arbeitskreis, dass die vorgeschlagenen Technologien die Sicherheit digitaler Kommunikationsinfrastrukturen fundamental gefährden könnten. Insbesondere der Einsatz von "Client Side Scanning"-Technologien, bei dem Inhalte direkt auf den Geräten der Nutzerinnen und Nutzer gescannt werden, würde verschlüsselte Kommunikation untergraben und Einfallstore für Missbrauch durch Dritte schaffen. Dies werde die Cybersicherheit nachhaltig schwächen und das Vertrauen in digitale Dienste unterminieren. Ferner wird der Industriespionage bei KMU, die sich keine eigene aufwändige Cyberinfrastruktur leisten können und auf öffentlich verfügbare Dienste zurückgreifen, Tür und Tor geöffnet.

Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen

Der GI-Arbeitskreis weist darauf hin, dass der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen zweifelhaft ist, denn die zu erwartende Flut fälschlicherweise als illegal eingestufter Inhalte wird Kapazitäten binden, die für die Verfolgung echter Straftaten fehlen. Jedenfalls steht ein eventueller Nutzen in keinem Verhältnis zu den erheblichen Eingriffen in die Grundrechte. Effektive Alternativen, die den Schutz der Privatsphäre wahren und gleichzeitig die Sicherheit im digitalen Raum gewährleisten, werden in der aktuellen Debatte nicht ausreichend berücksichtigt. So wird auch aus den Reihen der Strafverfolgung gefordert, statt der Einführung von Client Side Scanning das bestehende "strukturelle Handlungsdefizit durch eine unzureichende technische und personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden" (Stellungnahme Generalstaatsanwaltschaft Köln (bzw. ZAC), Anhörung des Ausschusses für Digitales des Deutschen Bundestags zur "Chatkontrolle") zu beheben. Der Arbeitskreis der GI fordert daher die EU-Institutionen auf, von der Einführung flächendeckender Überwachungsmaßnahmen abzusehen und stattdessen rechtsstaatliche, verhältnismäßige Mittel zur Bekämpfung illegaler Inhalte zu entwickeln.

Für die Freiheit und Sicherheit im digitalen Raum

Die Gesellschaft für Informatik setzt sich weiterhin für eine digitale Zukunft ein, in der Freiheit und Sicherheit Hand in Hand gehen. Die GI unterstützt Initiativen, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet zum Ziel haben, lehnt jedoch jegliche Maßnahmen ab, die die Grundrechte aller Menschen in der digitalen Kommunikation unverhältnismäßig einschränken. Statt allgemeiner Überwachung fordert die GI gezielte und rechtlich klar definierte Maßnahmen, die auf Grundlage bestehender Gesetze umgesetzt werden.

Auch die Dachorganisation Council of European Informatics Societies hat sich in einem offenen Brief gegen die Verordnung ausgesprochen: zum Brief

Über die Gesellschaft für Informatik e.V.

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Pressekontakt:

Alexandra Resch
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