German Federal Government

07/17/2024 | Press release | Distributed by Public on 07/18/2024 12:09

Regierungspressekonferenz vom 17. Juli 2024

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Stolzenberg (BMUV)
  • Fischer (AA)
  • Kall (BMI)
  • Schöneck (BMZ)
  • Haufe (BMWK)
  • Pauly (BMDV)

Stenografisches Protokoll

(Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

StS Hebestreit

Das Bundeskabinett hat sich heute vor allem mit haushaltspolitischen Themen beschäftigt und ein umfangreiches Haushaltspaket beschlossen. Es enthält unter anderem den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 und den weiteren Finanzplan sowie den Nachtragshaushalt für das Jahr 2024. Darüber hinaus hat das Kabinett die sogenannte Wachstumsinitiative beschlossen. Hier, an diesem Ort, haben vor zwölf Tagen der Bundeskanzler, Bundesminister Habeck und Bundesminister Lindner die Einigung schon grob vorgestellt. Ich weiß auch, dass im Anschluss an unsere Regierungspressekonferenz der Bundesminister der Finanzen den Plan auch noch einmal ausführlich darlegen wird. Deshalb will ich mich auf einige inhaltliche Prioritäten beschränken. Wir setzen auf mehr Sicherheit im Inneren und Äußeren, auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf steuerliche Entlastungen für Menschen und Unternehmen. Außerdem legen wir bei diesem Haushalt den Fokus auf einen ambitionierten Klimaschutz und mehr wirtschaftliches Wachstum. All das ist im Bundeshaushalt 2025 und der Wachstumsinitiative abgebildet. Sie setzen neue Impulse für ein sicheres, wettbewerbsfähiges und zukunftsfähiges Deutschland.

Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden 2025 und 2026 um insgesamt 23 Milliarden Euro durch den weiteren Abbau der sogenannten kalten Progression und durch steigende Freibeträge entlastet. Für Kinder, Jugendliche und Familien werden das Kindergeld, der Kinderzuschlag und der Kindersofortzuschlag weiter angehoben. In der Wachstumsinitiative sind zusätzliche steuerliche Verbesserungen für Unternehmen, Selbstständige sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart, zum Beispiel bei Abschreibungen, bei der Forschungszulage, bei den Strompreisen sowie für Mehrarbeit. Für mehr wirtschaftliche Dynamik erhöht der Bund auch seine Investitionsausgaben erheblich. Im kommenden Jahr belaufen sie sich auf rund 78 Milliarden Euro, wenn man auch die Zuführung zum sogenannten Generationenkapital mitzählt.

Die äußere Sicherheit wird gestärkt und die Ausgaben für Verteidigung erhöht. Deutschland wird das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in diesem und auch in den kommenden Jahren erfüllen. Für die Bereiche der inneren Sicherheit werden mehr Mittel bereitgestellt, um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu verbessern.

Das Bürgergeld soll künftig treffsicherer gewährt werden. Deshalb werden die Regeln bei Zumutbarkeit und die Mitwirkungspflichten angepasst, und Schwarzarbeit soll stärker bekämpft werden. Das stärkt das Vertrauen in unsere sozialen Sicherungssysteme, sorgt für mehr Gerechtigkeit und bremst auch den Anstieg der Sozialausgaben.

Zum Abschluss noch ganz kurz zum aktuellen Haushaltsjahr: Hier hat die Bundesregierung aufgrund der mäßigen wirtschaftlichen Entwicklung nachgesteuert und einen Nachtragshaushalt für 2024 auf den Weg gebracht. Der Bund wird zusätzlich rund 11 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen, um insbesondere die gestiegenen Kosten für das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Bürgergeld zu decken. Die zusätzliche Schuldenaufnahme wird durch die Konjunkturkomponente der Schuldenregel ermöglicht. - Wie gesagt, alles Weitere dann im Anschluss durch Bundesminister Lindner.

Dann gibt es noch zwei weitere Themen aus dem Kabinett: Das Deutschlandticket ist ein großer Gewinn für die Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs. Erstmals gibt es ein deutschlandweit gültiges digitales Ticket für eine Person zu einem einheitlichen Preis. Mehr als 11 Millionen Kundinnen und Kunden machen davon Gebrauch. Nicht zuletzt hat der attraktive Preis von 49 Euro pro Monat zu diesem Erfolg beigetragen. Der Preis soll im laufenden Jahr stabil bleiben. Dafür hat die Bundesregierung heute eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes beschlossen. Dabei geht es um die Regionalisierungsmittel, also Geld, das der Bund den Ländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt. Mit der Gesetzesänderung können in den Vorjahren nicht verbrauchte Mittel für die Finanzierung des Deutschlandtickets im folgenden Jahr, also in diesem Jahr, genutzt werden. Wie zwischen Bund und Ländern vereinbart, schafft die Bundesregierung damit die finanziellen Rahmenbedingungen. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder - auch das muss klar gesagt werden - entscheidet eigenständig über die Preisgestaltung des Deutschlandtickets. Der Gesetzentwurf sieht ebenfalls vor, dass zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes der Bund zunächst einen Teilbetrag der Regionalisierungsmittel des Jahres 2025 in einer Höhe von 350 Millionen Euro einbehält. Die Länder erhalten die Zahlung erst im folgenden Jahr, also im Jahr 2026, wenn sie, wie gesetzlich vorgesehen, nachgewiesen haben, dass die Mittel aus dem Vorjahr sachgerecht verwendet worden sind.

Dann haben wir noch ein drittes Thema, auf das ich Sie aufmerksam machen möchte: Frauen sind in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst noch immer unterrepräsentiert. Um das zu ändern, wurde bereits im Jahr 2015 das erste Führungspositionen-Gesetz verabschiedet. Seitdem berichtet die Bundesregierung jährlich darüber, wie sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen entwickelt. 2021 wurden die gesetzlichen Grundlagen im Zweiten Führungspositionen-Gesetz noch einmal weiterentwickelt. Den neuesten Bericht zu diesem Zweiten Führungspositionen-Gesetz hat das Kabinett heute beschlossen. Deshalb berichte ich hier darüber. Die Daten beziehen sich in der Privatwirtschaft auf das Jahr 2021 und im öffentlichen Dienst auf die Jahre 2022/2023.

Die wichtigsten Ergebnisse: Der Frauenanteil in Führungsebenen der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst und in den Gremien des Bundes ist seit Inkrafttreten des Gesetzes kontinuierlich gestiegen. Im Vergleich zu 2015 ist der Anteil im öffentlichen Dienst des Bundes auf 45 Prozent - das ist ein Anstieg um zehn Prozentpunkte - gestiegen. Bei den vom Bund zu bestimmenden Gremienmitgliedern wird mit 49,6 Prozent inzwischen nahezu Geschlechterparität erreicht. In den Aufsichtsräten der Unternehmen, die unter die feste Quote von mindestens 30 Prozent Frauenanteil fallen, sind wir inzwischen bei einer Quote von 35,9 Prozent. Auch das ist ein Plus von mehr als zehn Prozentpunkten gegenüber 2015. Bei Unternehmen, die nicht unter eine feste Quote fallen, sind wir bei 25,1 Prozent - ein Plus um sieben Prozentpunkte gegenüber 2015. Auf Vorstandsebene aller untersuchten Unternehmen betrug der Frauenanteil 2021 allerdings lediglich 11,5 Prozent. Das ist etwa eine Verdopplung des Anteils, aber immer noch zu wenig.

Aber zum 01. August 2022 - Sie werden sich alle erinnern - ist das Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände von Unternehmen, die börsennotiert und mitbestimmt sind und die aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, in Kraft getreten. In diesen Vorständen muss seither immer mindestens eine Frau vertreten sein. Das gilt allerdings nicht für bestehende Vorstände, sondern nur für Neubestellungen. Es hat sich aber bereits gezeigt, dass im Jahr 2022, also seit Geltungsbeginn, 82,7 Prozent der betroffenen Unternehmen die Vorgabe erfüllen. Warum sage ich das? - Beim nächsten Bericht, der das Jahr 2022 für die Privatwirtschaft umfassen wird, werden auch deutlich erfreulichere Zahlen präsentiert werden können.

Der Bundeskanzler wird morgen Abend im Anschluss an seinen Besuch in England bei der Europäischen Politischen Gemeinschaft nach Serbien weiterreisen. Am Freitagmorgen wird er dort mit dem Präsidenten der Republik Serbien, Aleksandar Vučić, zu einem Gespräch zusammenkommen. Dabei werden sie sich zu bilateralen, aber auch internationalen und europapolitischen Themen austauschen.

Anschließend werden beide am sogenannten Critical Raw Materials Summit teilnehmen. Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, und Unternehmensvertreter werden an diesem Treffen teilnehmen. Im Rahmen des Summit wird ein Memorandum of Understanding zwischen Serbien und der EU-Kommission über eine strategische Partnerschaft zu nachhaltigen Rohstoffen, Batteriewertschöpfungsketten und Elektrofahrzeugen unterzeichnet. Dieses wird durch einen Letter of Intent ergänzt, der von der serbischen Regierung und mehreren europäischen und serbischen Unternehmen gezeichnet wird. Hintergrund ist ein Projekt zum nachhaltigen Lithiumabbau in Serbien. Insgesamt geht es um die Weiterentwicklung einer europäischen Rohstoffagenda und die Diversifizierung von Rohstoffquellen. Das Memorandum of Understanding beinhaltet dabei die Verpflichtung auf hohe Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards.

Für 10.50 Uhr ist eine Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Präsident Vučić und Kommissionsvize Šefčovič geplant. - So weit von mir der kleine Bericht.

Frage

Zumindest aus unserer Sicht kam diese Reise sehr kurzfristig. Welche Gründe hat es, dass Herr Scholz jetzt sehr kurzfristig auch noch nach Serbien reist?

StS Hebestreit

Das serbische Kabinett hat gestern die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass man ein solches Memorandum of Understanding und auch den Letter of Intent unterzeichnen kann. Das mussten wir abwarten, bevor wir diese Reise, die wir schon ein bisschen länger geplant haben, ansetzten. Erst musste es diese Einigung geben. Deswegen musste die Reise so kurzfristig angesetzt werden. Aber gut war, dass die Entscheidung seitens Serbiens getroffen worden ist. Insofern fahren wir morgen Abend dahin.

Frage

Meine Frage geht in eine ähnliche Richtung. Die Bundesregierung wollte diese Reise gestern zunächst noch nicht bestätigen. Es geht auch um eine Mine in Serbien. Können Sie dazu noch etwas sagen? Geht es jetzt um ein ganz konkretes Projekt oder darum, sozusagen grundsätzlich etwas zu schaffen?

StS Hebestreit

Grundsätzlich bestätigen wir Reisen immer, wenn wir sie ankündigen, und nicht vorher, auch nicht auf Zuruf oder auf Gerüchte, die man anderswo hört. Da verstehe ich Ihren Punkt, aber Sie müssen meinen verstehen.

Konkret geht es tatsächlich - das habe ich, glaube ich, auch vorgetragen - um ein Lithiumprojekt, also eine Lithiummine - eines der größten Vorkommen in Europa - und jetzt deren Ausbeutung. Der Abbau war 2022 aufgrund von Umweltfragen, die noch zu klären waren, gestoppt worden. Das serbische Kabinett hat jetzt beschlossen, diesen Abbau aufgrund der veränderten Nachhaltigkeits- und Umweltstandards, die jetzt eingezogen worden sind, zu ermöglichen. Insofern geht es auch um ein konkretes Projekt. Das ist aber kein Regierungsprojekt, sondern es sind Unternehmen - wir sind ja eine Marktwirtschaft -, die sich dort engagieren werden. Das ist der Letter of Intent, der übermorgen auch noch unterzeichnet werden soll.

Frage

Herr Hebestreit, vielleicht können Sie das noch ein bisschen im Kontext mit China einordnen. Der chinesische Präsident war gerade in Serbien und hat sich auch, wie man hört, sehr vehement um diese Lithiummine bemüht. Ist das, was Serbien jetzt macht, nämlich mit der EU diesen Vertrag zu unterzeichnen, ein Zeichen dafür, dass Serbien es jetzt mit der Annäherung an die EU ernster meint?

StS Hebestreit

Ich glaube, solche Interpretationen überlasse ich lieber Ihnen. Dafür werden Sie ja auch gut bezahlt. Wir freuen uns, dass wir nach Serbien reisen und dieses Projekt voranbringen können. Ob das irgendwelche Auswirkungen auf die serbisch-chinesischen Beziehungen hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zusatzfrage

Können Sie uns die Firmen nennen, die daran beteiligt sind?

StS Hebestreit

Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

Frage

Eine der Firmen ist wohl Rio Tinto. Da könnte man salopp fragen, warum die europäische Politik oder die EU-Kommission oder der Bundeskanzler für einen kanadisch-amerikanischen Konzern den Wegbereiter spielt.

Des Weiteren gibt es vor Ort - ich glaube, auch morgen in Belgrad - Proteste und Vorbehalte gegen das Projekt aus Umweltschutzgründen, aber auch wegen der Art und Weise, wie das von der serbischen Regierung bisher durchgezogen worden ist. Hat das bei den Textverfassungen für die MoUs oder Letters of Intent irgendwie eine Rolle gespielt, oder sind diese Vorbehalte ausgeräumt?

StS Hebestreit

Ob die öffentlichen Vorbehalte, die insbesondere in der Gegend geäußert worden sind, in der sich diese Mine befindet, durch die veränderten Standards, was Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen angeht, ausgeräumt sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Das müssen wir abwarten. Wir finden es erst einmal gut und wichtig, dass man jetzt auf diese höheren Standards abgehoben hat. Alles Weitere wird sich zeigen.

Zu Ihrer Frage, welche Firmen beteiligt sind: Da gibt es eine ganze Reihe von europäischen Firmen. Ich glaube auch, Sie haben recht, dass auch eine kanadische Firma mit beteiligt ist. Da sehen wir, glaube ich, schon auch eine gewisse Wertebasis und eine Werteteilung. Es ist aber ein europäisches Projekt. Die EU-Kommission ist daran beteiligt. Deshalb ist auch der EU-Vizekommissionspräsident übermorgen mit vor Ort. Insofern, glaube ich, trifft Ihre Kritik nicht so ganz ins Ziel.

Frage

Nur einmal zum Verständnis, Herr Hebestreit: Sie meinten, 2022 sei das Projekt aus Umweltgründen gestoppt worden und jetzt gebe es veränderte Auflagen, also höhere Umweltstandards. Heißt das, dass es jetzt weitergehen kann, obwohl die Umwelt trotz höherer Standards weiterhin zerstört wird?

StS Hebestreit

Erst einmal ist das keine Entscheidung der deutschen Bundesregierung, sondern eine Entscheidung des serbischen Kabinetts, der serbischen Regierung. Die serbische Regierung hat auf den Protest in der Region reagiert, indem sie sich die Kritik zu Herzen genommen hat und die Umweltstandards und die Nachhaltigkeitsstandards für dieses Projekt erhöht hat. Insoweit ist es jetzt erst einmal eine Entscheidung Serbiens, die Ausbeutung dieser Mine zu ermöglichen.

Dann ist die Frage, wer sich daran beteiligt. Dabei werden europäische Firmen und eine kanadische Firma unter anderem zum Zuge kommen.

Zusatzfrage

Ist Ihnen bekannt, ob das serbische Grundwasser durch den Abbau nun nicht mehr mit Schwermetallen verunreinigt wird? Und welche - -

StS Hebestreit

Herr Kollege, -

Zusatzfrage

Darf ich kurz ausreden?

StS Hebestreit

- es würde Sie wundern, wenn ich bei diesem Projekt in dieser Detailtiefe einsteigen könnte. Ich kann es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die serbische Regierung und die serbischen Behörden so etwas sehr genau im Blick haben.

Zusatz

Ich hatte - -

Vorsitzende Wefers

Jetzt habe ich den Kollegen.

Zusatz

Sie haben mich nicht ausreden lassen.

Vorsitzende Wefers

Ich will jetzt nicht so richtig bewerten, wer hier wen nicht ausreden lässt.

Zusatzfrage

Ich wollte nämlich das BMU noch fragen - die haben sich ja immer sehr kritisch mit Lithiumabbau auseinandergesetzt -, wie das BMU diese Entscheidung und den Abbau von Lithium bewertet.

Stolzenberg (BMUV)

Mir geht es wie Herrn Hebestreit. Ohne Kenntnis des Projekts und auch ohne Beteiligung an diesem Projekt und die Daten und die Erkenntnisse darüber zu haben, kann ich das hier nicht bewerten. Dazu müssen Sie sich an die serbische Regierung wenden.

Frage

Ich hätte ganz gerne Herrn Fischer noch einmal nach einer Einschätzung der serbischen Politik derzeit gefragt, weil es ja immer wieder Kritik gab, dann gab es wieder Lob für einzelne Verständigungsschritte mit Kosovo, dann gab es wieder Kritik. Wie beurteilen Sie im Moment die serbische Politik versus der EU?

Fischer (AA)

Die serbische Politik bezüglich des Kosovos oder des EU-Annäherungsprozesses?

Zusatzfrage

Nein, mit Blick auf die EU. Es gibt ja einen Annäherungsprozess mit der EU. Wo stehen wir da? Ist Serbien jetzt auf einem besseren Kurs, als es in den letzten Monaten der Fall war?

Fischer (AA)

Um es kurz zu machen: Serbien ist Beitrittskandidat der Europäischen Union. Es befindet sich im Beitrittsprozess. Aber wir wissen auch, dass es noch eine Reihe von notwendigen Reformen gibt, zum Beispiel im Bereich von Rechtsstaatlichkeit oder auch Medienfreiheit, zu denen sich die Regierung im EU-Beitrittsprozess verpflichtet hat und die jetzt konsequent umgesetzt werden müssen. Darauf drängen wir gemeinsam mit der Europäischen Union.

Was den Normalisierungsprozess mit Kosovo angeht, haben wir beide Seiten mehrfach in vielen Gesprächen und letztlich auch öffentlich - ich tue es auch hier noch einmal - dazu aufgerufen, die Umsetzung des Ohrid-Abkommens voranzutreiben.

Frage

Ich habe eine Verständnisfrage zum Deutschlandticket. Herr Hebestreit, Sie meinten, der Preis von 49 Euro ist ein attraktiver. Jetzt steht ja im Raum, dass es ab nächstem Jahr einen höheren Preis geben muss. Verstehe ich Sie richtig, dass ein höherer Preis das Deutschlandticket damit unattraktiver macht? Das ist ja die Logik, oder?

StS Hebestreit

Na ja, das würde die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen außer Acht lassen. So würden wir beide das ja nicht tun. Es gibt die Inflation und eine veränderte Einnahmesituation. Es muss auch so sein, dass es mit den jeweils 1,5 Milliarden Euro, die der Bund und auch die Länder für das Deutschlandticket aufbringen, auskommen und sich decken muss. Wir wollen ja keine größeren Löcher reißen. Aber es liegt im Befinden der Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Länder, über den Preis zu befinden. Der Bund hält seine Zusagen ein und unterstützt nach Kräften.

Zusatz

Aber wenn der Bund, wie Sie sagen, diesen Preis für attraktiv hält, dann müsste man ja alles dafür tun, dass dieser Preis bleibt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Bürger haben Sie ja jetzt nicht verbessert.

StS Hebestreit

Da haben Sie jetzt nicht zugehört. Ich habe gerade gesagt, wie wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Bürger unter anderem durch die Absenkung der kalten Progression und die Anhebung von Freibeträgen und Zuschlägen um 23 bis 25 Milliarden Euro in den Jahren 2025 und 2026 erhöhen. Insofern gibt es da auch eine Veränderung. Insofern müssen wir immer sehen, dass die Rechnungen am Ende auch aufgehen, weil am Ende die Bürgerinnen und Bürger all das zahlen müssen. Das, was wir einnehmen, sind Steuereinnahmen, die die Bürgerinnen und Bürger entrichten.

Frage

Ich habe eine Frage, weil letzte Woche auch das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan in der Regierungs-PK mit der Frage "Geht es weiter, oder wird es gestoppt?" Thema war. Da haben das BMI und das Auswärtige Amt auf die Haushaltsverhandlungen verwiesen, die ja jetzt abgeschlossen sind. Deswegen die Frage: Geht das weiter oder nicht?

Kall (BMI)

Frau Buschow, dazu kann ich für das BMI noch einmal sagen: Das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan läuft. Aufnahmezusagen, die schon erteilt wurden, sollen natürlich auch eingehalten und erfüllt werden. Das BMI und das AA sind in Gesprächen dazu, wie es weitergeht. Aufgrund der Haushaltslage ist es so: Es gab bisher und gibt auch künftig keinen speziellen Titel für das Bundesaufnahmeprogramm, sondern das ist über den Titel für Resettlement-Programme finanziert worden. Es ist offen, wie es da weitergeht. Darüber werden das BMI und das AA weiter beraten.

Vielleicht noch zur Einordnung: Die Zahlen der Menschen, die über das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan aufgenommen werden, sind deutlich geringer, als das einmal erwartet wurde. Wir sind jetzt bisher bei 533, die tatsächlich in Deutschland aufgenommen worden sind - ganz anders als die 1000 pro Monat, die ursprünglich einmal erwartet worden waren. Über andere Programme sind natürlich wesentlich mehr Menschen gekommen. Da hat Deutschland auch in sehr großem Umfang seine humanitäre Verantwortung erfüllt für Menschen aus Afghanistan, die besonders gefährdet sind. Das heißt, das muss man natürlich dazurechnen. Insgesamt sind bisher 34 100 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland eingereist, denen die Einreise und der Schutz in Deutschland ermöglicht wurde. Das ist natürlich eine viel größere Zahl. Aber über das Bundesaufnahmeprogramm waren es bislang lediglich 533. Deswegen sind natürlich auch die Kosten bislang deutlich niedriger, als das einmal erwartet wurde. Inwiefern wir das weiter finanzieren können, ist offen und Gegenstand von Beratungen mit dem Auswärtigen Amt.

Zusatzfrage

Letzte Woche haben Sie darauf verwiesen, dass das Bestandteil der Haushaltsverhandlungen ist. Jetzt sagen Sie, das ist kein Titel. Es ist also doch keine Geldfrage, sondern eine politische Frage. Bis wann kommt denn eine Entscheidung?

Kall (BMI)

Es ist immer auch eine Geldfrage. Aber wir haben heute einen Regierungsentwurf, der jetzt natürlich in die Haushaltsberatungen im Parlament geht. Dort wird das sicherlich auch weiter eine Rolle spielen. Wie gesagt, bisher war das im Haushalt kein eigener Titel. Auch künftig ist es kein eigener Titel. Angesichts der Haushaltslage müssen wir aber weiter beraten, in welchem Umfang das Programm weiterlaufen kann.

Frage

Als Nachfrage dazu an das BMI, aber vielleicht auch an das AA: Herr Kall, wenn Sie sagen, die weitere Ausgestaltung ist offen: Steht es denn generell auch zur Disposition? Wäre es vorstellbar, dass das Bundesaufnahmeprogramm nicht weiter finanziert wird?

An das AA vielleicht: Wie bewerten Sie es, dass das noch offen ist?

Kall (BMI)

Ich möchte da heute keine Festlegung treffen. Ich habe mich ja geäußert, dass wir dazu in Gesprächen sind, wie die Haushaltslage ist und dass es dann auch im Zusammenhang mit anderen Resettlement-Programmen, weil es um den Titel geht, zu sehen ist. Darüber werden wir mit dem Auswärtigen Amt weiter beraten.

Fischer (AA)

Sie wissen ja vielleicht, dass das Bundesaufnahmeprogramm im Koalitionsvertrag verankert ist und während der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Sie wissen auch - das geht ja auch aus den Worten meines Kollegen hervor -, dass die Bundesregierung keine Entscheidung getroffen hat, das Bundesaufnahmeprogramm vorzeitig zu beenden. Richtig ist auch, dass über die Haushaltsmittel jährlich neu entschieden wird, da das Bundesaufnahmeprogramm nicht Teil der mittelfristigen Finanzplanung ist. Im AA-Haushalt haben wir dafür Gelder bereitgestellt. Wir befinden uns über die weitere Finanzierung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium und setzen diese auch noch fort.

Frage

Herr Fischer, ich entnehme Ihren Worten, dass das Auswärtige Amt das Bundesaufnahmeprogramm auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode, also bis Ende nächsten Jahres, fortsetzen möchte und will und dafür auch Mittel bereitgestellt hat. Ist das richtig?

Fischer (AA)

Ich habe ja gesagt, dass das ein Koalitionsvorhaben ist. Ich habe auch in einer vorangegangenen Bundespressekonferenz schon einmal erläutert, dass es einen Evaluierungsprozess gibt, der derzeit läuft. Das Gesamtprogramm wird dann vor dem Hintergrund des Evaluierungsprozesses noch einmal bewertet. Es ist richtig, dass wir Haushaltsgelder dafür bereitgestellt haben. Wir sind mit dem BMI in Gesprächen über die weitere Fortsetzung des Programms.

Zusatzfrage

Ich habe eine Frage an Herrn Kall: Gibt es eine ähnliche Absicht, sozusagen dieses Projekt des Koalitionsvertrages bis zum Ende der Legislaturperiode umzusetzen? Sind bei Ihnen ebenfalls Haushaltsmittel eingestellt, oder haben Sie diese Verbindlichkeit in Ihren Planungen nicht?

Kall (BMI)

Auch ich habe ja gesagt: Das Programm läuft, die Aufnahmezusagen, die erteilt sind, wollen wir in jedem Fall einhalten und insofern besonders gefährdeten Menschen aus Afghanistan darüber auch weiter Schutz bieten. Ich habe auch gesagt, es gab bisher und gibt auch künftig dafür keinen speziellen Titel, sondern der Titel war für Resettlement-Programme und humanitäre Aufnahme. Wir müssen auch angesichts anderer Programme und anderer Verpflichtungen mit dem AA darüber beraten - auch vor dem Hintergrund, dass das Auswärtige Amt da Mittel zur Verfügung stellt -, wie das weitergehen kann.

Frage

Herr Kall, ich habe eine schnelle Nachfrage, weil Sie gerade so explizit formuliert haben, die bereits getätigten Zusagen werden eingehalten: Wie viele Personen betrifft das? Wie viele Zusagen gibt es momentan? Was heißt das für diejenigen, die noch auf ihre Zusage warten?

Kall (BMI)

Es gibt im Moment, wenn ich das richtig sehe, etwa 3000 Zusagen. Ich bitte aber die Kollegen, mich gegebenenfalls zu korrigieren. Dann würde ich das noch einmal nachreichen.

Zusatzfrage

Und die Bedeutung für diejenigen, die noch keine Zusage haben?

Kall (BMI)

Wie gesagt, wir beraten mit dem Auswärtigen Amt über die Weiterführung dieses Programms.

Frage

Ich habe noch eine Nachfrage, weil Sie jetzt zweimal darauf verwiesen haben, dass das im gleichen Titel wie die Resettlement-Programme ist. Die Resettlement-Plätze, die Deutschland zur Verfügung gestellt hat, sind - korrigieren Sie mich gerne - in den vergangenen Jahren immer weniger geworden. Ist in Zukunft geplant, das wieder aufzustocken, dass man dafür mehr Geld braucht?

Kall (BMI)

Frau Buschow, auch deshalb habe ich gesagt, dass das offen ist und natürlich auch von Ereignissen und den weiteren Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt abhängig ist.

Frage

Ich habe noch eine Frage zum Thema Sonderabschreibung für Elektroautos. Gibt es inzwischen Details, wie viele Haushaltsmittel dafür bis 2028 bereitgestellt werden sollen?

Dann würde mich noch interessieren: E-Fuel-Autos sollen ja quasi steuerrechtlich ebenfalls begünstigt werden. Ich habe gestern beim VDA nachgefragt: Es gibt solche Autos noch gar nicht. Es gibt auch keinen Standard, wie man zum Beispiel überprüfen kann, dass nur E-Fuels getankt werden. Deshalb frage ich mich: Warum diese Initiative?

StS Hebestreit

Das sind alles berechtigte Fragen. Ich würde Sie bitten, diese Fragen dem Bundesfinanzminister zu stellen - der ist vor allem in Begleitung seines Haushaltsstaatssekretärs -, der sich in den Niederungen des mehr als 3000 Seiten starken Haushaltsentwurfes intensiv auskennt. Der kann sie Ihnen sicherlich beantworten.

Frage

Das ist eine Frage, die ich mir bei Herrn Lindner sparen kann. Herr Hebestreit, Sie meinten vorhin, Ihnen geht es auch um die Stärkung von Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum. Die Ökonomie weist immer wieder darauf hin, dass die massive Ungleichheit in diesem Land das Wirtschaftswachstum schwächt. Sie haben vorhin von Entlastungen der Bürger geredet. Warum gibt es keine Belastung der Reichen im Land? Können Sie das noch einmal ausführen und nicht auf den Koalitionsvertrag verweisen?

StS Hebestreit

Na ja, erst einmal ist das die Grundlage für diese Regierung. Insofern wäre es ja Quatsch, nicht auf die Grundlage dieser Regierung zu verweisen, wenn Sie Fragen stellen, die man immer wieder in Wahlkämpfen thematisieren kann. Im Anschluss an Wahlkämpfe finden sich Parteien zusammen, um gemeinsam eine Regierung zu gründen. Wenn diese Regierung gewissen Grundaussagen unterliegt, dann gelten die eben. Das wäre dann auch mein grundsätzlicher Verweis.

Ich würde aber auch noch ergänzen, dass natürlich auch die Reichen, wie Sie sie nennen, Belastungen unterliegen. Auch die zahlen Steuern und Abgaben. Das ist auch weiterhin so.

Zusatz

Dass die keinen Belastungen unterliegen, habe ich ja nicht behauptet. Nur die Ökonomie und auch die Partei des Bundeskanzlers sagen immer wieder, in Deutschland würden die Reichen nicht genug belastet. Die Grundlagen ändern sich ja auch mit den Realitäten. Nicht alles, was im Koalitionsvertrag stand und steht, wird eingehalten.

StS Hebestreit

Sehen Sie? Dann können Sie diese Frage ja dem Bundesminister der Finanzen und FDP-Parteivorsitzenden stellen. Für den gilt das weiterhin. Das ist die Grundlage für diese Regierung. Insofern gilt das.

Schöneck (BMZ)

Entwicklungsministerin Schulze reist morgen nach Brasilien. Anlass ist das Treffen der G20-Entwicklungsministerinnen. Zentrale Themen der Reise werden zum einen der Wald- und Klimaschutz sein, zum anderen das Engagement zum Abbau sozialer Ungleichheit weltweit.

Ab Freitag wird die Ministerin zunächst zum Thema von Waldschutz und Wiederbewaldung ins Amazonasgebiet reisen und dort bilaterale Gespräche mit brasilianischen Partnerinnen von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen führen, aber auch mit Menschen, die im und vom Wald leben. Sie trifft dort unter anderem die brasilianische Umweltministerin Marina Silva. Außerdem wird sie an der Einweihung eines Regionalzentrums der nationalen Schutzgebietsbehörde für den Schutz des Tropenwalds teilnehmen.

Im Anschluss daran reist die Ministerin nach Rio, wo sie am Montag und Dienstag der kommenden Woche am Treffen der G20-Entwicklungsministerinnen teilnehmen wird. Zentrales Thema dort wird das Engagement zum weltweiten Abbau sozialer Ungleichheit sein.

Frage

Mit welcher Message wird die Ministerin dem brasilianischen Ölrausch begegnen? Lula hat beschlossen, dass die Förderung von Öl und Gas im Amazonasgebiet ausgeweitet wird.

Schöneck (BMZ)

Ganz zentrales Thema für die Zusammenarbeit mit Brasilien ist der Klimaschutz. Dazu gehört auch die Stärkung erneuerbarer Energien. Hierbei gibt es ein breites Portfolio der Zusammenarbeit. Dies wird die Ministerin in den Gesprächen vor Ort auch mit der Umweltministerin aufnehmen. In diesem Bereich wird sich Deutschland weiterhin engagieren.

Zusatzfrage

Aber wenn es bei der Zusammenarbeit um Klimaschutz geht, dann ist die Öl- und Gasförderung das Gegenteil davon. Wie wird sich die Ministerin positionieren? Wird sie das kritisieren? Wird sie zu einem Stopp auffordern?

Schöneck (BMZ)

Die Ministerin wird sich zu den Zusammenarbeitsthemen Deutschlands austauschen. Zu Details -

Zusatzfrage

Wie?

Schöneck (BMZ)

- dieses Themas und dazu, wie es in den Gesprächen vorkommen wird, kann ich mich an dieser Stelle nicht äußern. Ganz grundsätzlich gesagt, liegt es natürlich im souveränen Entscheidungsspielraum Brasiliens, die Entscheidungen auch im Energiebereich so zu treffen, wie es dies tut. Deutschland hat ganz klare Fokussierungen in der Zusammenarbeit. Das, was sie in der brasilianischen Energiepolitik unterstützt, wird die Ministerin in den Gesprächen vor Ort betonen.

Frage

Herr Schöneck, kann die Ministerin angesichts des Haushaltsansatzes für das kommende Jahr überhaupt glaubhaft vermitteln, dass Deutschland in Bezug auf die erneuerbaren Energien ein solventer Partner sein kann?

Schöneck (BMZ)

Ganz grundsätzlich zu den Haushaltsplanungen: Wir sind erst einmal froh darüber, dass wir handlungsfähig bleiben. Es gibt schmerzhafte Kürzungen, aber wir bleiben weltweit ein verlässlicher Partner. Das gilt auch für die Partnerschaft mit Brasilien. Die getätigten Zusagen können wir so, wie sie besprochen sind, einhalten, und wir planen, dieses Thema auch im künftigen Engagement weiter zu stärken.

Zusatz

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sehen Sie noch Mittel für einen zukünftigen Ausbau der Zusammenarbeit mit Brasilien auf diesem Feld.

Schöneck (BMZ)

Wir sehen grundsätzlich die Zusammenarbeit auf diesem Themenfeld, bei den erneuerbaren Energien und dem Klimaschutz, als ein Zukunftsthema an und gehen davon aus, dass wir dabei in Zukunft eng zusammenarbeiten können.

Haufe (BMWK)

Ich kann das ergänzen. Sie sprechen die globale Energiewende an. Die globale Energiewende ist der Schwerpunkt der Internationalen Klimaschutzinitiative. Im jetzigen Haushaltsentwurf stellen wir dafür 635 Millionen Euro bereit. Das heißt, wir fahren weiterhin einen stabilen und ziemlich hohen Ansatz. Der Schwerpunkt der Internationalen Klimaschutzinitiative ist natürlich die globale Energiewende. Dorthinein gehen die meisten Mittel, unter anderem auch nach Brasilien. An der Stelle gibt es also gar keine wirkliche Änderung.

Frage

(zum Bundeshaushalt 2025) Herr Schöneck, Sie sprachen von schmerzhaften Kürzungen. Wie sehen sie aus? Andere Ressorts der Regierung sagen, das BMZ erhalte genau die Mittel, die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen seien. Das wären keine Kürzungen.

Vorsitzende Wefers

Das Thema des Haushalts haben wir eigentlich schon verlassen.

Schöneck (BMZ)

Ich nehme gern Stellung dazu. Gegenüber dem aktuellen Haushalt hat der BMZ-Etat schmerzhafte Kürzungen zu verkraften. Wir hatten im vergangenen Jahr rund 11,2 Milliarden Euro und haben jetzt einen Ansatz in Höhe von 10,3 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das sind rund 900 Millionen Euro weniger. Insofern mein Verweis auf die Kürzungen.

Wir sind sehr froh darüber, dass der Ansatz in Höhe von 10,3 Milliarden Euro nun so in der mittelfristigen Finanzplanung festgeschrieben ist, weil durchaus auch im Gespräch war, in den kommenden Jahren an dieser Stelle weitere Kürzungen vornehmen zu wollen. Insofern gibt uns das Handlungsspielraum, als verlässlicher Partner weltweit weiterhin engagiert zu bleiben, gerade auch mit Blick auf unser entwicklungspolitisches Engagement.

Frage

Herr Hebestreit, ich möchte nach den USA fragen, nachdem Herr Trump bekanntgegeben hat, wer sein Vize werden soll. Der Kanzler hat ein Buch des Vizes gelesen und war zu Tränen gerührt. Ich hätte deswegen gern eine Einschätzung von Ihnen, wie er heute auf Herrn Vance schaut.

StS Hebestreit

Es stimmt, er hat das Buch "Hillbilly Elegy" vor geraumer Zeit gelesen und immer wieder betont, dass man in diesem Buch den Aufstiegswillen in einem Amerika erlebt, das von harten Herausforderungen gebeutelt war. Er hat es sehr gemocht und J. D. Vance im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz bei einem Treffen mit einer US-Delegation, an der J. D. Vance teilgenommen hat, darauf angesprochen. Sie haben sich kurz unterhalten. Ich denke, das ist das, was zum Buch und der Autorenschaft zu sagen ist.

Man muss Autor und Werk natürlich immer voneinander trennen. Zur politischen Position, die J. D. Vance als Senator von Ohio einnimmt, hat sich der Bundeskanzler vor geraumer Zeit - ich denke, es war vor etwa einem Jahr - in einem Interview auch geäußert. Das muss ich hier nicht wiederholen.

Er ist jetzt der Kandidat für die Vizepräsidentschaft von Donald Trump. Jetzt müssen wir abwarten, wie die Wahlen ausgehen werden. Dann agieren wir mit denjenigen, die die amerikanischen Wähler an ihre Spitze wählen.

Zusatzfrage

Auch Herr Trump hat sich geäußert und zum Thema von Taiwan gesagt, die USA seien nicht anders als eine Versicherungsgesellschaft. Wer Schutz wolle, müsse an die USA zahlen. Schaut auch der Bundeskanzler so auf die USA? Ist das die Rolle, die die USA für den Kanzler einnehmen?

StS Hebestreit

Der Bundeskanzler ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und kümmert sich vor allem um die Bundesrepublik Deutschland. Wir sind ein Land, das mit vielen anderen Ländern in guter und enger Verbindung steht. Wir setzen auf freien Handel, wir setzen auf regelbasierte Ordnung, und wir setzen auf die Solidarität. Das prägt die Europäische Union, das prägt den Nordatlantikpakt und all die Gremien, die wir haben, um ein gutes Miteinander in einer Welt zu gewährleisten, die nicht ruhiger wird. Darum kümmern wir uns mit aller Energie und werben dafür, dass dies auch andere tun.

Frage

Ich habe mich gerade gefragt, ob der Kanzler den Unterschied zwischen einer Versicherungsgesellschaft und einer Mafia sieht. Aber mich würde interessieren, ob der Kanzler von der Wahl J. D. Vances überrascht war - dieser hat Trump einmal als amerikanischen Hitler bezeichnet -, gerade im deutschen Kontext, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.

StS Hebestreit

Der Bundeskanzler ist ein exzessiver Zeitungsleser. Insofern hat er auch die Vorberichterstattung zur Republican National Convention intensiv verfolgt und dabei wahrgenommen, dass der Name J. D. Vance einer von drei oder vier Namen war, die immer wieder als mögliche Kandidaten für die Vizepräsidentschaft genannt wurden. Er hat keine eigenen Informationen im Vorfeld gehabt. Insofern hat er das genauso wie wir alle wahrgenommen, hat dazu aber keine eigenen Einschätzungen gehabt.

Zusatzfrage

Und der amerikanische Hitler?

StS Hebestreit

Sehen Sie es mir nach, dass ich nicht alles, was den lieben langen Tag geäußert wird oder einmal geäußert worden ist, kommentiere, an dieser Stelle sowieso nicht. Ich denke, solche Kommentare entlarven sich selbst.

Frage

Elon Musk hat sich im Kontext des Attentats auf Donald Trump geäußert und den Kanzler direkt angesprochen. Dabei geht es - das wissen Sie wahrscheinlich - um eine Äußerung eines Mitarbeiters von Böhmermann auf der Plattform X. Er hat den Kanzler gefragt, ob es denn sein könne, dass quasi klammheimliche Freude über ein Attentat geäußert werde. Was ist die Antwort des Kanzlers an Elon Musk?

StS Hebestreit

Ich denke, ich habe den Tweet - wie immer das jetzt heißt, seitdem Twitter nicht mehr Twitter heißt - von Herrn Musk wahrgenommen. Ich glaube, er hat die Frage gestellt, wie es sein könne, dass jemand eine solche Äußerung tätige und dafür von der deutschen Regierung bezahlt werde.

Zum Ersten herrscht Meinungsfreiheit in diesem Land. Das gilt auch für Geschmackloses. Zum Zweiten ist das nicht in der Funktion, weil die betreffende Person für einen Sender gearbeitet hat oder arbeitet, sondern das hat er als ein im Internet durchaus bekannter Satiriker getan. Die Frage der Geschmacklosigkeit habe ich genannt. Insofern ist die Unterstellung im Tweet von Herrn Musk so nicht richtig. Ich überlege mir noch, ob wir Herrn Musk mitteilen, dass die Unterstellung falsch ist, oder nicht.

Zusatzfrage

Können Sie es uns mitteilen, wenn Sie es ihm noch mitteilen sollten?

StS Hebestreit

Da Sie auch diese Plattform durchaus im Blick haben, würden Sie es dann merken. Wir würden es nicht heimlich tun. Auch die Frage wurde ja nicht heimlich gestellt.

Frage

Ich frage mich auch, ob man darauf nicht reagieren muss. Denn das, was Herr Musk weiterverbreitet, ist erstens ein Tweet einer Rechtsradikalen, die behauptet, dass El Hotzo nicht nur Trump den Tod wünsche, sondern Musk selbst, und dann wird auch noch behauptet, dass die deutsche Regierung hier Comedians bezahle. Das ist ja irre! Muss man auf so etwas nicht reagieren, gerade bei einem Netzwerksinhaber, der Trump laut Berichten mit 45 Millionen Dollar pro Monat unterstützen will?

StS Hebestreit

Davon bin ich noch nicht völlig überzeugt. Wenn wir alle unpräzisen Informationen korrigieren müssten, die in den sozialen Medien verbreitet werden, dann hätten wir noch mehr zu tun als wir sowieso zu tun haben. Alles Weitere zur Kommentierung von Äußerungen habe ich Ihnen gerade mit Bezug auf einen anderen Sachverhalt geantwortet. Das können Sie auch auf diesen Sachverhalt anwenden. Dann muss man sehen, ob das sinnvoll wirkt oder nicht. Das überlege ich mir gerade.

Zusatz

Es geht nicht um irgendeine Äußerung auf Social Media, sondern um eine des reichsten Menschen der Welt, der das wichtigste Kommunikationsmedium besitzt und Unsinn verbreitet. Gerade deshalb, weil Sie sich immer gegen Desinformation aus Russland und anderen Ländern äußern und dagegen kämpfen wollen, wundert mich das jetzt.

StS Hebestreit

Da auch Sie ein wichtiges Medium besitzen, zumindest anteilig, würde ich sagen: Man muss immer auswählen, was man korrigieren und auf welche Schlacht man sich einlassen will. Es ist ja gut, dass Sie und viele andere Ihrer Kolleginnen und Kollegen das kritisch aufgreifen und mitteilen, dass das Unfug ist. Auch das ist Teil des Kampfes gegen Desinformation. Insoweit habe ich das Gefühl, dass Sie an der Stelle Ihren Job tun können und ich mich und vor allem der Bundeskanzler sich dann nicht in die Schlacht begeben muss. Wir werden es prüfen.

Frage

Meine Frage nimmt Bezug auf das Verbot des "COMPACT-Magazins". Zunächst würde mich der mediale Umgang des BMI damit interessieren. Zum Zeitpunkt der Razzia ab sechs Uhr waren auch Medienvertreter vor Ort. Wir alle kennen, denke ich, die entsprechenden Fotos und die schon kurz nach sechs Uhr veröffentlichten 12 000-Zeichen-Artikel bei gewissen Zeitungen.

Wie rechtfertigt und begründet das BMI dieses Vorabdurchstechen von Informationen zu Verbot und Razzia? Viele Juristen sehen darin unter anderem eine Verletzung des Dienstgeheimnisses, eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes sowie eine Gefährdung des Untersuchungszwecks.

Vorsitzende Wefers

Sie wollten, glaube ich, auch noch Zahlen nachliefern. Vielleicht tun Sie das noch, das hatte ich vergessen.

Kall (BMI)

Das geht ganz schnell. Die Nachlieferung für den Kollegen zum Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan: Bisher rund 3000 Zusagen und rund 540 Aufnahmen in Deutschland, das nur, um die Zahlen von vorhin zu präzisieren.

(zum Verbot der COMPACT-Magazin GmbH und der CONSPECT FILM GmbH) Herrn kann ich sagen, dass das Bundesinnenministerium gestern um etwa 6.45 Uhr oder 6.50 Uhr über das Verbot informiert hat. Es hat davor nicht darüber informiert und auch keine entsprechenden Informationen an die Presse gegeben. Viele Landesbehörden, viele Polizeibehörden, viele Verfassungsschutzämter waren an der Maßnahme beteiligt. Uns ärgert es, wenn Informationen vorher durchdringen. Das ist nicht in Ordnung, und dem wird nachgegangen. Vom Bundesinnenministerium sind diese Informationen nicht gegeben worden.

Zusatzfrage

Frau Faeser hat erklärt - ich zitiere kurz -:

"Ich habe heute das rechtsextremistische 'COMPACT-Magazin' verboten."

Presserecht ist eigentlich Ländersache. Das wird man auch im BMI wissen. Aus welchen Gründen hat die Ministerin entschieden, über das Konstrukt des Vereinsrechts erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine Zeitschrift verbieten zu lassen und damit die eigentlich dafür zuständigen Gesetzessystematiken inklusive von Landesrecht oder Abwägung, Grundgesetzbindung plus presserechtliche Gesetze zu umgehen?

Kall (BMI)

Das haben wir ausführlich begründet. Das können Sie auch unseren gestrigen Mitteilungen entnehmen. Es ist mitnichten der Fall, dass es das erste Mal wäre, dass bestimmte Publikationen mit dem Mittel des Vereinigungsverbots verboten worden wären. Sie werden sich sicherlich an die Plattform Indymedia aus dem linksextremistischen Bereich erinnern. Dieses Verbot wurde übrigens vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Des Weiteren gab es Publikationsorgane, auch organisiert in Form von Unternehmen, von GmbHs, die der PKK zuzurechnen waren. Diese GmbHs sind verboten worden. Auch das ist vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden.

Selbstverständlich wurde die gestrige Verbotsverfügung sehr ausführlich begründet und liegen ihr sehr umfassende Beweismittel zugrunde, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz ebenso wie den beteiligten Landesämtern für Verfassungsschutz zusammengetragen worden sind. Der COMPACT-Verlag, die entsprechenden Publikationen sind seit 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und waren vorher als rechtsextremistische Verdachtsfälle eingestuft. Insofern gibt es dazu umfassendes Beweismaterial. Alle 14 Durchsuchungsmaßnahmen, die gestern stattgefunden haben, sind gerichtlich angeordnet worden. Das ist ein wichtiger Hinweis.

Diese ausführliche Verbotsverfügung kann natürlich gerichtlich überprüft werden - dagegen besteht Rechtsschutz -, unmittelbar vor dem Bundesverwaltungsgericht. Schon viele Verbotsverfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht überprüft worden. Bisher hat das BMI diese Verbotsverfügungen jedes Mal erfolgreich verteidigen können. Sie haben bisher immer gehalten. So ist es im Rechtsstaat. Es gibt staatliche Entscheidungen, die dann gerichtlich überprüft werden, in dem Fall direkt in erster Instanz vom Bundesverwaltungsgericht, weil es eine sehr wichtige und auch sehr einschneidende Maßnahme ist, die aber im Grundgesetz unmittelbar vorgesehen ist. Wenn Sie in Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes schauen, dann sehen Sie, das Vereine, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen - Vereine, das ist ein weiter Begriff; darunter können auch Unternehmen fallen - zu verbieten sind. Das folgt unmittelbar aus dem Grundgesetz, ebenso wie die Pressefreiheit. Entsprechend ist in der Verbotsverfügung sehr ausführlich begründet worden, warum dieses durch und durch verfassungsfeindlich agierende Unternehmen zu verbieten war, und ist die Pressefreiheit ausführlich gegen die Gründe abgewogen worden, die für das Verbot sprachen, den Antisemitismus, den Rassismus, die eklatante Verfassungsfeindlichkeit dieser Publikationen. Das trägt dieses Verbot.

Sie können das übrigens nicht nur der Auffassung des BMI entnehmen, sondern auch dem, was einige Landesinnenminister, deren Behörden dieses Verbot gestern ja mitvollzogen haben, geäußert haben, etwa der brandenburgische Innenminister, der hessische Innenminister. Viele haben sich dazu geäußert. Wie gesagt, sind Beweismittel des Bundesamts für Verfassungsschutz ebenso wie der Landesämter gestern eingeflossen. Bei den Durchsuchungen ist noch einmal umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden, das natürlich auch noch in dieses Verfahren einfließt.

Wenn das gerichtlich überprüft wird, dann sehen wir dem entgegen. Denn genau so soll es im Rechtsstaat sein, dass gegebenenfalls am Ende Gerichte entscheiden.

Frage

Herr Kall, der Bundestagsvizepräsident Kubicki hat gestern getwittert, er gehe davon aus, dass das Verbot vor Gericht gekippt werde und dass in diesem Fall Frau Faeser als Innenministerin nicht zu halten sei.

Ist sie bereit, ihre persönliche Zukunft als Ministerin mit diesem Verbotsverfahren zu verbinden?

Kall (BMI)

Solche Aussagen und politischen Meinungsäußerungen kommentieren wir von hier aus nicht. Das tun wir nie.

Dass diese Verbotsverfügung ausführlich begründet ist, gerade auch in der Abwägung mit der Pressefreiheit, und sich an den Leitlinien, die aus der bisherigen Rechtsprechung folgen - - - Es gibt Urteile dazu, unter welchen Prämissen auch Publikationen trotz dem Schutz der Pressefreiheit aufgrund der eklatanten Verfassungswidrigkeit, der Verletzung der Menschenwürde, der Verletzung des Demokratieprinzips, der Verletzung des Gleichheitsrechts, des Rassismus, des Antisemitismus, des Geschichtsrevisionismus, der diese Publikationen durch und durch prägt - - - Das rechtfertigt das Verbot. Das ist ausführlich begründet. Insofern kann das dann gerichtlich überprüft werden.

Frage

Aber wieso ist man nicht von Anfang an den Weg über Staatsanwaltschaften und Gerichte gegangen, sondern hat das Konstrukt des Vereinsrechts genommen? Sie haben die Positivbeispiele genannt, die das bejahen. Aber es gibt zahlreiche, auch namhafte Juristen, die sehr hinterfragen, ob das verfassungskonform ist. Deswegen würde mich interessieren, wieso die Ministerin gerade diesen Schritt gewählt hat. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben.

Kall (BMI)

Das ist ein Instrument der wehrhaften Demokratie. Wenn die Beweismittel dafür vorliegen, dass so eklatant gegen die Verfassung verstoßen wird, dann muss man solche Mittel auch einsetzen. Das ist ausdrücklich in Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes vorgesehen, nicht nur im Vereinsrecht, das das einfachgesetzlich ausbuchstabiert und die konkreten Voraussetzungen nennt, sondern das sieht das Grundgesetz als wehrhafte Verfassung vor, die sich auch durch die Umsturzvorstellungen und Ähnliches, was bei "COMPACT" propagiert wurde, nicht selbst aushebeln lässt, sondern diese wehrhaften Instrumente vorsieht. Wenn die Beweismittel dafür vorliegen, dann müssen die Sicherheitsbehörden sie auch einsetzen. Das ist ein anderes Instrument als die Strafverfolgung. Das kann parallel zueinander oder unabhängig voneinander stattfinden.

Schon im Vorfeld sind diverse rechtliche Instrumente eingesetzt worden, wie gesagt, zunächst Verdachtsfall in der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter, dann Einstufung als gesichert rechtsextremistisch, was die höchste Stufe ist, in die ein Beobachtungsobjekt eingestuft wird. Die entsprechenden Ausführungen dazu finden Sie auch im Verfassungsschutzbericht. Diese Instrumente sind im Vorfeld schon eingesetzt worden. Sie haben die entsprechenden Beweismittel ergeben, um das Verbot eines - ich sage es noch einmal - zentralen Akteurs der rechtsextremistischen Szene in Deutschland zu rechtfertigen.

Frage

Dann noch eine Verständnisfrage zur Zentralität von "Compact": Nach eigenen Angaben hat "Compact" grob eine Auflage von 40 000. Davon kann man vermutlich die Hälfte abziehen. Die Abfragen des Social-Media-Angebots sind auch überschaubar. Das hat also vermutlich 0,0 Prozent der Bevölkerung erreicht. Sieht die Ministerin in diesem Medium wirklich eine Gefährdung der bundesdeutschen Demokratie?

Kall (BMI)

Das haben wir wirklich ausführlich dargelegt, und das finden Sie auch ausführlich dargelegt im Verfassungsschutzbericht. Darauf würde ich gerne verweisen.

Frage

Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Es geht um die Vorwürfe von käuflichen Terminen, die sich sowohl gegen Mobil in Deutschland als auch quasi um den Verkehrsminister herum ranken. Mich würde interessieren: Sind Sie in Kontakt mit Mobil in Deutschland? Wie verläuft die Aufklärungsarbeit und wie geht es jetzt weiter mit der Schirmherrschaft für diese Kampagne? Planen Sie vielleicht strengere Compliance-Vorschriften, um solche Dinge in Zukunft zu verhindern?

Pauly (BMDV)

Ihre Frage gibt mir die Gelegenheit, hier eine Einordnung vorzunehmen - vielen Dank für diese Gelegenheit.

Ich möchte gerne vorausschicken, dass das BMDV jeglichen Vorwürfen einer unrechtmäßigen Einflussnahme von Interessengruppen und einer Vermittlung von Terminen mit der Hausleitung gegen Bezahlung mit aller Entschiedenheit entgegentritt. Diese Vorwürfe sind nicht zutreffend, und die weisen wir auch entschieden zurück. Das ist wichtig zur Klarstellung.

Ich möchte ganz kurz die zeitliche Abfolge hinweisen: Die Regierungskoalition hat im Koalitionsausschuss im März 2023 entschieden, HVO100 - das ist ein fortschrittlicher Biokraftstoff - in Deutschland zuzulassen. Infolge dieser Entscheidung, dieser Einigung, hat sich unser Haus entschieden, die Kampagne "HVO100 goes Germany" von Mobil in Deutschland e. V. insofern zu unterstützen, als der Parlamentarische Staatssekretär Oliver Luksic die Schirmherrschaft übernimmt. Hier geht es darum, diesen Kraftstoff bekannt zu machen und mögliche Vorbehalte abzubauen. Wir hatten das in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Einführung von E10-Sprit gesehen: Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass diese Einführung sehr schwerfällig erfolgte, weil der Sprit von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht akzeptiert wurde.

Aus der Erfahrung heraus, dass das so war, hat man sich entschieden, dass sich das bei HVO100 sich nicht wiederholen sollte, sondern dass es im Gegenteil wichtig ist, für die Bekanntheit dieses klimafreundlichen Kraftstoffs zu werben. HVO100 ist ein wichtiger Baustein für die klimaneutrale und klimafreundliche Mobilität der Zukunft; denn dieser Kraftstoff bietet ein CO2-Minderungspotenzial von 90 Prozent und ist somit ein besonders klimafreundlicher Dieselkraftstoff.

Sie fragten zu der Schirmherrschaft: Ich habe kurz skizziert, was die Motivation war, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Die Vorwürfe, über die "frontal" gestern berichtet hat, waren uns bis zur Konfrontation durch die Redaktion mit den Fragen, mit der Recherche nicht bekannt. Ab dem Moment, in dem die Fragen und die sich daraus ableitenden Vorwürfe eingingen, haben wir sofort eine Prüfung und Aufklärung angestoßen, und zwar in der Form, dass Herr Parlamentarischer Staatssekretär Oliver Luksic in seiner Funktion als Schirmherr einen Brief an Mobil in Deutschland e. V. geschrieben hat und um umgehende und umfassende Aufklärung dieser Vorwürfe gebeten hat. Er hat in diesem Brief auch in Aussicht gestellt: Sollten sich diese Vorwürfe bewahrheiten oder sollten die Vorwürfe nicht ausgeräumt werden können, dann muss die Schirmherrschaft ruhen.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Vorwürfe aus unserer Sicht nicht rückstandslos ausgeräumt. Insofern wurde am Montag, also vorgestern, entschieden, die Schirmherrschaft ruhen zu lassen. Wir dringen natürlich darauf, dass diese Vorwürfe umfassend aufgearbeitet werden; denn allein der Eindruck einer möglichen Käuflichkeit, der durch die Veröffentlichung entstanden ist, ist natürlich schädlich und ein Problem. Deshalb weisen wir das auch entschieden zurück und dringen auf Aufklärung. Hier liegt der Ball jetzt bei Mobil in Deutschland e. V. - die müssen diese Vorwürfe aufklären.

Vielleicht auch noch mal zum Modus Vivendi bei der Durchführung von Schirmherrschaften: Schirmherrschaften sind natürlich grundsätzlich nicht mit Gegenleistungen verbunden. Das wird bei der Erteilung einer Schirmherrschaft auch klar gemacht, und das ist auch in diesem Fall klar gewesen. Insofern kann ich für das BMDV sagen, dass hier alles sauber gelaufen ist. Wir haben die notwendigen Konsequenzen gezogen, und nun liegt der Ball bei Mobil in Deutschland, was die Aufklärung angeht.

Frage

Herr Pauly, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, sind Sie damit unzufrieden, wie Mobil in Deutschland bislang für Aufklärung gesorgt hat; denn das ist nicht restlos aufgeklärt. Sie haben die Schirmherrschaft daher auf ruhend gestellt, statt sie niederzulegen. Ist das nicht inkonsequent?

Pauly (BMDV)

Nein, das ist nicht inkonsequent. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich auch keine Vorverurteilung betreiben. Es stehen jetzt Vorwürfe im Raum. Diese sind nicht widerlegt, sie sind aus unserer Sicht aber auch nicht eineindeutig belegt; denn die Präsentationen, über die die "frontal"-Redaktion berichtet hat, liegen uns nicht vor. Wir kennen diese Präsentationen nicht, und selbstverständlich gab es auch keine solchen Vereinbarungen.

Insofern läuft gerade die Sachverhaltsaufklärung, der Sachverhalt ist für uns noch nicht final aufgeklärt, und für die Dauer der Sachverhaltsaufklärung ruht diese Schirmherrschaft. Grundsätzlich besteht ja entweder die Möglichkeit, dass die Vorwürfe sich bestätigen, oder aber die Möglichkeit, dass sie ausgeräumt werden können, und dann muss man über nächste Schritte nachdenken.

Zusatzfrage

Das heißt, Sie gehen nach wie vor davon aus, dass sich diese Vorwürfe auch als unberechtigt bewahrheiten könnten?

Pauly (BMDV)

Ich möchte mich jetzt hier nicht in den Raum des Spekulativen begeben. Wir reden über eine Presseberichterstattung, und nach der Konfrontation mit der Recherche haben wir die Aufklärung begonnen. Jetzt haben wir auch erste Konsequenzen gezogen, und für den Fall, dass sich diese Vorwürfe bewahrheiten sollten, haben wir uns auch weitere Schritte ausdrücklich vorbehalten - inklusive rechtlicher Schritte. Dafür ist es zum jetzigen Zeitpunkt aus unserer Sicht aber einfach viel zu früh.

Frage

An das Umweltministerium: Es geht um eine gestern veröffentlichte Recherche zur potenziell gefährlichen Nutzung von Standortdaten, die Nutzerinnen und Nutzer von Mobiltelefonen betreffen.

Erste Frage: Wie beurteilt Ihr Ministerium beziehungsweise die Bundesregierung den Handel mit diesen sensiblen Daten?

Zweite Frage: Solche Daten werden auch in Deutschland erhoben und gehandelt. Was planen Sie, um Nutzerinnen und Nutzer von Mobiltelefonen besser vor Ausbeutung zu schützen?

Stolzenberg (BMUV)

Ich fühle mich in diesem Fall als Sprecher des Verbraucherschutzministeriums angesprochen. Zu Ihren Fragen: Umfassende Bewegungsprofile über Nutzerinnen und Nutzer digitaler Geräte erlauben intensive Einblicke in den Alltag und haben das Potenzial, die gesamte Persönlichkeit offenzulegen. Das ist natürlich ein enormes Risiko für die persönliche Freiheit. Daher sollten sensible personenbezogene Informationen in einer freien Gesellschaft nicht für Dritte verfügbar sein; denn die Übertragung von personenbezogenen Daten als Selbstzweck, also als reine Handelsware, ist aus unserer Sicht mit dem Datenschutzrecht nicht vereinbar. Gerade Standortdaten sind äußerst sensibel. Sie können dazu führen, dass Menschen konkret gefährdet werden. Daher halten wir es für erforderlich, den Schutz von Standortdaten im EU-Recht deutlich zu verbessern.

Am besten ist es, die Erhebung personenbezogener Daten zum Zweck personalisierter Werbung bereits am Ausgangspunkt zu vermeiden, also dort, wo die Daten erstmals erhoben werden. Dafür sehen wir zwei Hebel: Erstens brauchen wir eine klare Regulierung, die umfassend vor der Datennutzung für personalisierte Werbung schützt. Ziel ist es, einen konsequenten Umstieg auf alternative Werbemodelle zu bewirken, zum Beispiel kontextbasierte Werbung. Zweitens sollten Internetdienste grundsätzlich nicht mehr Daten erheben dürfen, als für ihre Nutzung erforderlich ist. Dafür setzt sich das BMUV auf EU-Ebene ein, um Verbraucherrechte zu stärken und einen hohen Schutzstandard zu gewähren.

Zusatzfrage

Bis wann werden konkrete Forderungen Ihres Hauses an die EU übermittelt?

Stolzenberg (BMUV)

Wir warten nun erst einmal ab, dass sich die neue Kommission konstituiert, und dann können wir dort Gespräche beginnen. Insofern kann ich da keinen Zeitplan vorgeben.