DETEC - Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications of the Swiss Confederation

11/16/2024 | Press release | Distributed by Public on 11/16/2024 05:08

ETH-Tag

Generalsekretariat UVEK

Zürich, 16.11.2024 - Rede von Bundesrat Albert Rösti

(es gilt das gesprochene Wort)

Vielen Dank für die Einladung! Für einen so speziellen Tag in meine alma mater zurückkehren und vor Ihnen sprechen zu dürfen, ist mir eine ganz besondere Ehre und eine grosse Freude!

Mit der ETH Zürich verbinde ich wunderschöne Erinnerungen - nun, ich weiss, man neigt ja dazu, die Vergangenheit zu verklären. Aber ich meine, das ist hier nicht der Fall. Denn ich erinnere mich noch sehr lebhaft zurück an meine Semester an der ETH; an intensive, spannende Jahre als Student und später als Doktorand - mir scheint, dass ich trotz anspruchsvollen Arbeiten und Prüfungen später nie mehr so frei und unbeschwert über meine eigene Zeit verfügen konnte wie damals ...

Ich erinnere mich an die langen Nächte in der Bibliothek oder zu Hause hinter Büchern am Lernen - und ich erinnere mich an die langen Nächte nicht in der Bibliothek und nicht zu Hause und nicht am Lernen ...

Beides war wichtig, beides gehört zusammen: Als Ehemalige der ETH teilen wir wahrscheinlich alle die Erfahrung, dass wir aus der Studienzeit eine ausgezeichnete Ausbildung, aber auch viele schöne Erinnerungen und wertvolle Freundschaften fürs Leben mitnehmen.

Persönlich kann ich anfügen, dass für mich als Berner Oberländer noch die spezielle soziokulturelle Erfahrung dazukam, für einige Jahre in einer Weltstadt zu leben ...

Wie die ETH die Schweiz prägt

Die ETH ist also formend und prägend - sicher für uns Ehemalige, aber sie war und ist auch formend und prägend für die Schweiz:

Die Anfänge unserer Hochschule gehen zurück auf die Zeit unmittelbar nach der Gründung des Bundesstaates. Am 7. Februar 1854 erliessen die eidgenössischen Räte das Gesetz über die «eidgenössische polytechnische Schule in Verbindung mit einer Schule für das höhere Studium der exakten, politischen und humanistischen Wissenschaften». Im Herbst 1855 nahm das Polytechnikum seinen Betrieb auf.

Damit erhielt die Schweiz einen Wissensgenerator, der unser Land grundlegend verändert hat. Aus einem Agrarland wurde eine moderne Industrienation; aus einem Auswandererland wurde eines der reichsten Länder der Welt.

Dieser Wandel wäre ohne die ETH nicht möglich gewesen: Ich denke an die eindrücklichen Infrastrukturbauten, an die Bahnstrecken und Strassen durch schwierigstes Gelände, an Tunnel und Brücken; an die Zahnrad- und Seilbahnen in unseren Alpen, an all diese Pionierleistungen, mit denen auch noch die entlegensten Täler erschlossen wurden.

Aus der Not der schwierigen Topographie machten die Ingenieure der ETH nicht nur eine Tugend, sondern eine Kunst grossartigster Bauwerke und ein Markenzeichen der Schweiz.

ETH-Alumni setzten weltweit neue Massstäbe, wie beispielsweise Othmar Ammann mit der George Washington Bridge in New York, Christian Menn mit seiner zehnspurigen Hängebrücke in Boston oder der legendäre Brückenbauer und Pionier des Stahlbetonbaus, Robert Maillart, mit seinen zwei Brücken in Frutigen ...

... nun, fairerweise muss ich einräumen: Die Werke in meinem Heimatort Frutigen haben vielleicht bislang noch nicht ganz die selbe Anerkennung gefunden wie Maillarts Salginatobelbrücke im Prättigau, die auf der Kandidatenliste für das UNESCO-Welterbe steht ...

Ich erwähne hier den Brückenbau stellvertretend für die fundamentale Veränderung, die unser Land seit der Gründung der ETH erfahren hat; ich hätte auch Beispiele aus vielen andern Gebieten aufführen können, in denen sie die entscheidenden Impulse für die Modernisierung gegeben hat: Sei es in der Architektur, der Chemie, der Physik, der Agrarökonomie und so weiter ...

Ohne die ETH hätte es keine industrielle Revolution in der Schweiz gegeben; nicht diesen rasanten Fortschritt der Technik:

Die international erfolgreichen Industriebetriebe, die überall in unserem Land entstanden; die Erschliessung der Wasserkraft und die Elektrifizierung; die Stauseen, die dafür gebaut wurden; dann die Kernkraft und später die Informatik - all das verdanken wir der ETH, die Generation für Generation die hervorragenden Berufsleute hervorbringt, die die Schweiz zu dem gemacht haben, was sie heute ist:

Ein Land mit erstklassiger Infrastruktur und einer der innovativsten Volkswirtschaften der Welt. Wir können es auch so sagen: Die ETH vermittelt der Schweiz nun seit über eineinhalb Jahrhunderten das Rüstzeug für eine erfolgreiche Zukunft.

Die ETH hat sich als Know-How-Maschine der Schweiz etabliert, gleichzeitig aber auch als Hochschule von Weltrang; in Ausbildung und Forschung gehört die ETH global zu den Allerbesten: Zeugnis dafür sind unter anderem die 22 Nobelpreise, die an Forscher mit einem Bezug zur ETH Zürich vergeben wurden.

Ich bin überzeugt: Diese symbiotische Verbindung zwischen unserem Land und der ETH wird sogar noch an Bedeutung gewinnen. Denn vieles deutet darauf hin, dass die nächsten Jahrzehnte insbesondere von drei Faktoren geprägt sein werden: Vom Wissen, das wir uns aneignen können; von der Energie, die uns zur Verfügung steht und von den Rahmenbedingungen, die wir uns geben. Ich möchte hier kurz näher darauf eingehen:

Wissen

Moderne Länder sind Wissensgesellschaften. Das ist allerdings kein statischer Zustand, den man einmal erreicht hat, um ihn dann für immer halten zu können, sondern ein fortwährendes Mithalten mit einer Entwicklung, die mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz mittlerweile geradezu revolutionäre Züge trägt. Es braucht einen fortwährenden Effort, um an der Spitze zu bleiben. Die Geschichte kennt viele Beispiele einst blühender Länder, die irgendwann den Anschluss an die Entwicklung verpasst haben.

Wenn wir unseren Wohlstand wahren, wenn wir weiterhin ein modernes, innovatives Land bleiben wollen, dann sind wir auf die Exzellenz der ETH angewiesen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Die Stellung der Schweiz in der Welt hängt wesentlich von Ihnen ab.

Energie

Der zweite Faktor ist die Energie. Wir stehen vor einer grossen Herausforderung, denn wir brauchen sichere, saubere und günstige Energie - und wir brauchen genügend davon. Der Energiebedarf wird weiter steigen; Dekarbonisierung und Künstliche Intelligenz sind starke Treiber.

Zudem wurden wir in den letzten Jahren daran erinnert, dass Energie geopolitisch eine grosse Bedeutung hat und dass Abhängigkeiten gefährlich sind. Ganz besonders in einer Welt, in der die Spannungen zunehmen.

Die Bedeutung der Energie sehen wir auch am Energiehunger der aufstrebenden Staaten in Asien und an ihren strategischen Entscheiden, in grossem Stil in die Kernkraft zu investieren, wie etwa China oder Indien. Umgekehrt sehen wir wirtschaftliche Schwierigkeiten in europäischen Ländern, in denen steigende Energiekosten die Industrie zu Verlagerungen ins Ausland zwingt.

Solche Herausforderungen kann man nicht mit Geboten und Verboten meistern, sondern nur mit Erfindergeist und Kreativität. Ich spreche in diesem Zusammenhang jeweils von Technologieoffenheit - denn ich glaube an die Forschung, die Institutionen wie die ETH betreiben, ich glaube an die Wissenschaft - ja, ich glaube an Sie!

Deshalb habe ich mich dazu entschieden, der Blackout-Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Dieser sieht eine Aufhebung des bestehenden Neubauverbots für Kernkraftwerke vor. Es geht mir dabei vor allem auch um den Forschungsplatz Schweiz; ich will verhindern, dass junge Wissenschaftler ins Ausland abwandern, weil sie hier bei uns keine Zukunft mehr sehen; wir müssen doch alles daransetzen, dass sie ihre Talente bei uns einbringen können. Die Schweiz darf sich nicht aus ideologischen Gründen dem Fortschritt verschliessen, das kann nicht unser Weg sein. Die ETH steht symbolhaft für Forschung, Fortschritt und Innovation ohne Scheuklappen - das soll so bleiben können.

Rahmenbedingungen

Als letzter Punkt will ich noch die Rahmenbedingungen ansprechen: Der Erfolg der ETH und der Erfolg unseres Landes beruhen auf dem weiten Handlungsspielraum unserer liberalen Ordnung sowie auf der erfolgreichen Verbindung von Weltoffenheit und Bezug zur Schweiz. Seit der Gründungszeit holt die ETH die besten Professoren aus aller Welt nach Zürich, seit den 1850er-Jahren kommen brillante Kommilitonen aus dem Ausland zu uns. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Besten der Welt gehört zum festen Verständnis dieser Hochschule. Das schlägt sich in den Rankings nieder, wo die ETH regelmässig Spitzenplätze belegt - als einzige Vertreterin Kontinentaleuropas unter amerikanischen und britischen Universitäten.

Das sollte uns darin bestärken, dass unser Ausblick global sein muss, über diesen Kontinent hinaus, auf die weltweit Besten gerichtet; das sind unsere Partner, das sind unsere Peers, das ist die Liga der ETH - gestalten wir entsprechend die Rahmenbedungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der akademischen Weltspitze.

Der ehemalige Rektor der ETH Zürich, der legendäre Karl Schmid, nach dem die Strasse hier gleich nebenan zwischen ETH und Uni benannt ist, hat uns Schweizern schon 1963 in seiner Schrift «Das Unbehagen im Kleinstaat» vorgehalten, dass wir zu oft an uns selbst zweifeln und verzweifeln.

Aber diese Zweifel sind nicht angebracht, wenn es um die ETH geht. Da dürfen wir durchaus selbstbewusst sein - ich bin optimistisch, dass eine ETH, die sich darauf konzentriert, in der Liga der weltweit Besten zu spielen, unserem Land weiterhin die wichtigsten und wertvollsten Impulse für den Fortschritt geben wird.

Ich danke Ihnen!

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