European Parliament

10/09/2024 | Press release | Distributed by Public on 10/09/2024 15:02

Debatte zum Programm des ungarischen Ratsvorsitzes mit Ministerpräsident Orbán

Ministerpräsident Viktor Orbán spricht im Plenum über die Prioritäten des ungarischen Ratsvorsitzes © European Union 2024

Am Mittwoch erörterten die Abgeordneten mit Premierminister Viktor Orbán die Prioritäten Ungarns für die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli begann.

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, wies in ihrer Eröffnungsrede darauf hin, dass der ungarische Ratsvorsitz zu einer Zeit komme, in der die EU "bedeutende Fortschritte" mache, darunter die Unterstützung der Ukraine, die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und der Aufbau eines stabileren, sichereren Europas. Sie erinnerte daran, dass das Parlament das Haus der Demokratie sei, "in dem Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit unantastbar sind", und dass "wir uns hier zwar nicht immer einig sind, aber stets Raum für respektvollen Meinungsaustausch schaffen".

"Die EU muss sich ändern", sagte Ministerpräsident Viktor Orbán und fügte hinzu dass die ungarische Ratspräsidentschaft als Stimme und Katalysator für diesen Wandel dienen wolle. Laut Orbán sei die Lage der EU heute weitaus ernster als 2011, während der ersten ungarischen Ratspräsidentschaft. Er verwies auf den Krieg in der Ukraine, eskalierende Konflikte im Nahen Osten und Afrika, Migration, Risiken für den Schengen-Raum sowie den Verlust der globalen Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Orbán versprach, dass Ungarn während der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft ein ehrlicher und konstruktiver Vermittler sein werde, auch in Bezug auf die 52 anhängigen Gesetzgebungsdossiers, die abgeschlossen werden müssen, und dass das Land bereit sei, interinstitutionelle Verhandlungen mit dem Parlament aufzunehmen.

Er hob die Wettbewerbsfähigkeit als zentrales Thema hervor und wies darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum der EU in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich geringer war als in China und den USA, wobei auch der Anteil der EU am Welthandel zurückging. Energiepreise stellte er als Haupthindernis dar: "Durch den Verzicht auf russische Energiequellen hat die EU erhebliche Wachstumsverluste hinnehmen müssen", sagte Orbán und warnte davor, dass der grüne Wandel allein keine Lösung für das Problem biete. Die Dekarbonisierung habe die Produktivität verlangsamt und Arbeitsplätze gekostet.

Zum Thema Migration erklärte Orbán, dass "ohne externe Hotspots ein Schutz der Europäer vor illegaler Migration nicht möglich" sei. "Das Asylsystem der EU funktioniert schlichtweg nicht. Die illegale Migration hat zu einem Anstieg von Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie geführt", behauptete er. Er schlug regelmäßige "Schengen-Gipfel" vor und forderte, dass Bulgarien und Rumänien bis Jahresende Vollmitglieder des Schengen-Raums werden sollten.

In Bezug auf die Erweiterung forderte Herr Orbán eine Beschleunigung des Beitritts der Westbalkanländer und betonte, dass 'wir den Balkan nicht stabilisieren können, wenn Serbien nicht beitritt'.

Der ungarische Ministerpräsident sprach sich für eine EU-Verteidigungsindustrie, einen landwirtfreundlichen, wettbewerbsfähigen Agrarsektor und für die Bedeutung der EU-Kohäsionspolitik aus. "Kohäsionsfonds sind weder Almosen noch Spenden, sondern eine der größten Formen der Investitionspolitik in der EU und eine Voraussetzung für den Ausgleich des Binnenmarktes", sagte er.

Antwort der Präsidentin der Europäischen Kommission

In ihrer Antwort an Ministerpräsident Orbán bekräftigte Ursula von der Leyen Unterstützung der EU für Ungarn nach den jüngsten Überschwemmungen und nannte drei zentrale Prioritäten: die Ukraine, Wettbewerbsfähigkeit und Migration. Sie kritisierte die Haltung Ungarns gegenüber Russland und bedauerte, dass "ein ganz bestimmter Mitgliedstaat" weiterhin fossile Brennstoffe aus Russland kaufen wolle, obwohl sich die EU für Energieunabhängigkeit einsetze. In Bezug auf die Migration verurteilte sie die Entscheidung Ungarns, verurteilte Schmuggler freizulassen, und stellte die Visapolitik des Landes in Frage, die russische Staatsangehörige ohne zusätzliche Kontrollen in die EU lasse, und warnte, dass dies "Ungarn zu einem Sicherheitsrisiko macht, nicht nur für das Land selbst, sondern für alle Mitgliedstaaten". Sie betonte das Potenzial des Landes innerhalb der EU und forderte es auf, "der Sache der europäischen Einheit zu dienen", anstatt von den gemeinsamen Werten abzuweichen. (Die vollständige Rede finden Sie hier)

Redebeiträge aus den Fraktionen

Die Mehrheit der Redner im Parlament kritisierte den ungarischen Ministerpräsidenten für seine Bilanz seit Übernahme des Ratsvorsitzes sowie dafür, dass er Ungarn in ein hybrides Regime verwandelt, den Kampf der Ukraine gegen die russische Aggression untergraben und mit illiberalen Regimen in Moskau und Peking zusammengearbeitet habe. Die meisten Redner äußerten sich besorgt über die Missachtung der EU-Werte durch den ungarischen Ministerpräsidenten sowie über die Vorwürfe weitverbreiteter Korruption in Ungarn. Viele Abgeordnete bekundeten ihre Solidarität mit der ungarischen Bevölkerung, die unter den Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz, der Medienfreiheit und der Zivilgesellschaft durch seine Regierung leidet. Mehrere Redner erklärten, dass es ein Fehler gewesen sei, Ungarn die rotierende Ratspräsidentschaft zu übertragen, und forderten eine Aussetzung seiner Stimmrechte im Rat im Rahmen des in Artikel 7 vorgesehenen Verfahrens.

Andere Abgeordnete widersprachen und lobten die ungarische Regierung für ihre Haltung in der Migrationspolitik und die Fokussierung auf Wettbewerbsfähigkeit. Sie würdigten Ungarn als Verteidiger traditioneller Werte und kritisierten gleichzeitig den grünen Wandel sowie angeblich schwerfällige EU-Vorschriften, die Europas Wirtschaft zerstörten.


Die Aufzeichnung der Debatte ist hier verfügbar


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