Österreichisches Parlament

08/05/2024 | Press release | Distributed by Public on 08/05/2024 02:28

#MehralseinKreuzerl und rechnerische Effekte des 'Nicht-Wählens' Rund 25 % der Wahlberechtigten machten bei der Nationalratswahl 2019 von ihrem Stimmrecht nicht Gebrauch

Wien (PK) - Bei demokratischen Wahlen bietet die Wahlbeteiligung immer wieder ausführlichen Stoff für Analysen. In Österreich pendelte sich seit 1999 bei den Nationalratswahlen die Wahlbeteiligung bisher zwischen ca. 75 % und 85 % ein. Zuletzt verzeichnete Österreich bei der Nationalratswahl 2019 knapp 6,4 Mio. Wahlberechtigte. Davon gaben rund 4,8 Mio. Bürger:innen bzw. 75,6 % ihre Stimme ab. In einem Ranking von 44 europäischen Staaten lag Österreich damit an 13. Stelle im Vergleich der letzten Parlamentswahlen und damit im vorderen Drittel. Die Gruppe der Wahlberechtigten, die 2019 nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, umfasste dennoch 1,6 Mio. Menschen. Im Vergleich: Für die stimmenstärkste Partei im Jahr 2019 setzten rund 1,8 Mio. Menschen ihr "Kreuzerl" auf den Stimmzettel.

Freie Entscheidung des "Nicht-Wählens"

Laut vorläufiger Zahl der Wahlberechtigten werden für die Nationalratswahl 2024 am 29. September über 6,3 Mio. Österreicherinnen und Österreicher wahlberechtigt sein. Die endgültige Zahl der Wahlberechtigten steht am 27. September 2024 fest. Wahlberechtigte können frei entscheiden, ob sie von ihrem Recht auf demokratische Mitbestimmung Gebrauch machen. In Demokratien stellt sich dennoch die Frage, ob und wie wahlberechtigte Nichtwähler:innen angeregt werden können, zur Wahl zu gehen. In Analogie des bekannten Satzes von Paul Watzlawick "Man kann nicht nicht kommunizieren" lässt sich etwa errechnen, dass ein Nicht-Wählen im Verhältniswahlrecht - sinnbildlich wie ein "Nicht-Kommunizieren" in anderen Bereichen - trotzdem gewisse Auswirkungen auf die Mandatsverteilung zeigen kann. So kann beispielsweise eine Partei, die die Anzahl der Stimmen von der letzten Wahl halten kann, bei sinkender Wahlbeteiligung unter Umständen mit den gleichen Stimmen mehr Mandate erzielen, wenn sich aus den gültigen Stimmen insgesamt das entsprechende Verhältnis dafür errechnet.

Nichtwähler:innen hätten fiktiv 46 leere Sitze im Nationalrat

1,6 Mio. Nichtwähler:innen bei 6,4 Mio. Wahlberechtigten bei der Nationalratswahl 2019 stellen etwa ein Viertel der möglichen Stimmen dar, so Christoph Konrath, Leiter der Abteilung Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit im Hohen Haus. Der Nationalrat besteht aus 183 Abgeordneten. Im Verhältniswahlrecht zählt für die Vergabe der 183 Mandate alleinig die Anzahl der abgegebenen, gültigen Stimmen. Diese werden im Verhältnis - über die Wahllisten - auf die 183 Sitze "aufgeteilt". Würde man nun am Beispiel 2019 der Gruppe der Nichtwähler:innen im Nationalrat fiktiverweise leere Plätze zuteilen, könnte daher ein Viertel der 183 Sitze - also fast 46 Stück - leer bleiben, informiert Konrath zur Veranschaulichung.

Entwicklung der Wahlbeteiligung

Historisch betrachtet zeigt die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen in der Zweiten Republik bisher einen kontinuierlichen, leichten Abwärtstrend. Die Höchststände lagen anfangs - etwa im Jahr 1949 - bei über 96 %. In den 1980er-Jahren beteiligten sich noch über 90 % der Wahlberechtigten an den Nationalratswahlen, ab den 2000er-Jahren lag die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen bisher zwischen 75 % und 85 %. Die früheren Verpflichtungen in manchen Bundesländern, bei der Nationalratswahl zu wählen, wurden allesamt spätestens bis 1992 aufgehoben.

Vielzahl an Faktoren für Wahlbeteiligung

Was die Beteiligung von Wahlberechtigten an Wahlen betrifft, können diese einem Fachdossier des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Diensts der Parlamentsdirektion zufolge von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst werden. Allen voran sind dies sozioökonomische bzw. demographische Variablen und das jeweilige Wahlsystem. Zudem hängt die Beteiligung davon ab, ob jene, die zur Wahl berechtigt sind, einerseits über Ressourcen wie Zeit, Geld, Bildung und Wissen verfügen, die sie für die Beschaffung von Informationen, die Entscheidungsfindung und letztendlich den Wahlvorgang selbst benötigen. Andererseits müssen diese Personen diese Ressourcen auch aufbringen können und wollen. Darüber hinaus sind beispielsweise private und berufliche Netzwerke, persönliche Betroffenheit sowie politisches Interesse und die Motivation, an Politik teilhaben zu wollen, relevant. Wie komplex und vielschichtig die möglichen Faktoren sind, zeigt dem Fachdossier zufolge auch die Tatsache, dass es sogar bis hin zur Bedeutung des Wetters an Wahltagen wissenschaftliche Studien gibt.

Steigende Tendenz bei Zahl der Nichtwahlberechtigten

Darüber hinaus zeigt sich, dass die Wohnbevölkerung Österreichs konstant wächst, sich aber die Zahl der Wahlberechtigten seit 2008 kaum verändert hat bzw. zwischen 2017 und 2019 sogar leicht gesunken ist. Das bedeutet, dass die Zahl der Nichtwahlberechtigten angestiegen ist. Österreich ist neben Malta zwar das einzige Mitgliedsland der EU, in dem man an allen bundesweiten Wahlen teilnehmen darf, wenn man am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet hat. Die Verknüpfung des Wahlrechts mit der Staatsbürgerschaft führt allerdings dazu, dass eine immer größer werdende Gruppe an Menschen zwar ihren Hauptwohnsitz in Österreich hat, aber trotzdem bei Nationalratswahlen nicht wählen darf. Beispielsweise in Wien betraf das laut Integrationsmonitor 2023 der Stadt Wien ein Drittel der Bevölkerung im wahlfähigen Alter - mit stetig steigender Tendenz.

Interaktives Analysetool zu bisherigen Wahlen

Zum Thema Wahlbeteiligung zeigt im Parlament ein neues Analysetool im Besucher:innenzentrum "Demokratikum - Erlebnis Parlament" sowie im Webportal des Parlaments das Wahlverhalten bei bisherigen Europa- und Nationalratswahlen. Mit dem interaktiven Tool können Bürger:innen die Ergebnisse sowie Wählerstromanalysen von allen Europawahlen seit dem österreichischen Beitritt zur EU sowie von allen Nationalratswahlen seit 1919 einsehen. Die Anwendung entstand in Kooperation mit dem Zukunftsfonds der Republik Österreich und mit dem Institut Foresight. (Schluss) mbu

HINWEIS: Mehr Informationen zum Wahljahr 2024 finden Sie unter www.parlament.gv.at/mehralseinkreuzerl.