11/07/2024 | News release | Distributed by Public on 11/07/2024 05:35
Am 4. Oktober 2024 fand in Genf die 20. Sitzung der ITU Council Working Group on Internet (CWG-Internet) statt. Diskutiert wurden u.a. Internet und nachhaltige Entwicklung, verbesserte Konnektivität in Entwicklungsländern und die Umsetzung des Global Digital Compacts (GDC). Kontrovers ist noch immer die Einbeziehung nicht-staatlicher Stakeholder. Die Entscheidung über eine Öffnung der CWG-Internet wurde auf die ITU-Vollversammlung (2026) verschoben. Russland, Usbekistan, Belarus und Kirgisiens sind gegen eine Öffnung und wollen die Effektivität globaler Internet Governance-Mechanismen überprüfen. 19 Jahre nach der Tunis Agenda gäbe es noch immer kein zwischenstaatliches UN-Gremium für Internet Governance. "We believe, that the existing model for managing critical Internet ressources is insufficient and that governments should take a more active role. …The transnational nature of the Internet necessitates international regulation." Die CWG-Internet könnte diese Lücke schließen. Der Vorschlag wurde aber mit Blick auf die bevorstehende WSIS+20 Überprüfungskonferenz nicht weiter behandelt.[1]
Am 24. Oktober 2024 einigte sich in New Delhi die World Telecommunication Standardisation Assembly (WTSA) auf das nächste 4-Jahres-Programm der ITU-T. Im Mittelpunkt stehen Standards für künstliche Intelligenz, Metaverse, virtuelle Welten, Smart Cities und für die digitale Transformation.[2] Neu formiert wurde eine ITU-T Study Group 21 für "Multimedia, Content Delivery and Cable TV". Große Kontroversen, z.B. zu Standards für das Internet der Dinge (SG 20) blieben aus. ITU-Generalsekretärin Bogdan-Martin zeigte sich zufrieden: "The outcomes of WTSA-24 remind us that humanity has one Earth, one human family and one shared digital future. Together with the global standards community, ITU is committed to ensuring that our digital future is technically strong, with innovation, inclusion and sustainability at its core". Vom 14. - 18. Oktober tagte zuvor in New Dehli der erste "International AI Standards Summit", an dem sich neben ITU-T, ISO, IEEE, IEC und ETSI auch ICANN beteiligte.[3]
Am 16. Oktober 2024 präsentierte "Freedom House" seinen Jahresbericht "Freedom on the Net". Internet Restriktionen nehmen weltweit zu. Zum 14. Mal in Folge wuchs die Zahl der Länder mit eingeschränkter Internetfreiheit. 2024 hat sich die Situation in 27 von 72 untersuchten Ländern verschlechtert. Zugenommen hat die strafrechtliche Verfolgung von individuellen Postings in sozialen Netzwerken, die in einigen Ländern mit bis zu 10 Jahren Gefängnis geahndet würden. Die größte Internetfreiheit gibt es in Island, Estland und Kanada, am Ende stehen Myamar, China und Russland. Deutschland liegt auf Platz 10.[4]
Über 80 Prozent des Internetverkehrs werden über Unterseekabel abgewickelt. Diese Kabel, entscheidender Teil der globalen Infrastruktur, sind ein "Fenster der Verwundbarkeit". Am 26. September 2024 wurde am Rande der 79. UN-Vollversammlung erstmals eine Vereinbarung zum Schutz von Unterseekabeln getroffen. Das "New York Joint Statement on the Security and Resilience of Undersea Cables in a Globally Digitalized World" wird von über 40 Staaten unterstützt. Es definiert neun Prinzipien, um Sicherheit, Zuverlässigkeit, Interoperabilität, Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit bei der Entwicklung, Reparatur und Wartung dieser Kabel zu verbessern. Dazu gehören Grundsätze für Planung, Bau und Management, Zusammenarbeit zwischen Regierung und Industrie, Koordinierung bei Raum- und Routenplanung sowie Lizenzvergaben, Transparenz und regelmäßiger Risikobewertungen.[5]
Am 21. und 22. Oktober 2024 tagte in Genf die UN-Kommission für wissenschaftlich-technische Entwicklung (UNCSTD), die seit 2005 für das WSIS-Follow-Up zuständig ist. Diskutiert wurden die Modalitäten der WSIS+20-Überprüfungskonferenz 2025. UN Tech Envoy Amandeep Singh Gil betonte den zwischenstaatlichen Charakter von WSIS+20, versicherte aber, dass nicht-staatliche Stakeholder "adequat" eingebunden werden sollen. Das trifft auch auf ITU, UNESCO und UNDP zu. Im Juni 2025 werden zwei Regierungen als Ko-Koordinatoren benannt. Strittig ist u.a., was in Genf und was in New York verhandelt werden soll. Diskutiert wurde auch die Formierung der vom GDC beschlossenen "UNCSTD Working Group on Data Governance". Sie soll im 1. Quartal 2025 gebildet werden und bis Ende 2026 arbeiten. Kontrovers ist, ob es für "Data Governance" einen völkerrechtlichen Vertrag geben soll.[6]
Der 16. BRICS-Gipfel fand am 23. Oktober 2024 unter der russischen Präsidentschaft in Kasan erstmals im erweiterten Format (9 Mitglieder: Äthiopien, Ägypten, Brasilien, China, Indien, Iran, Russland, Südafrika, VAE und über 30 Anwärter,darunter Saudi Arabien und Türkei) statt. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst. Die Erklärungen zu Cybersicherheit und Digitalwirtschaft in der 33seitigen "Kazan Declaration" sind sehr allgemein. Unterstützt wird die UN-Konvention gegen Cyberkriminalität. Die OEWG soll sich innerhalb der UNO zum zentralen zwischenstaatlichen Verhandlungsgremium für Cybersicherheit entwickeln. BRICS will nicht weiter spezifizierte Aktivitäten unternehmen "to ensure the integrity, stability of the the functioning and security of national segments of the Internet while respecting national legislative frameworks". Weder der GDC noch IGF oder WSIS+20 werden erwähnt. Bei der Digitalwirtschaft wird auf vor Jahren gegründete BRICS-Initiativen wie "Partnership for the new Industrial Revolution (PartNir)" oder das "BRICS Start Up Forum" verwiesen, die bislang aber kaum Resultate vorlegen konnten. Zu KI wird der UNO eine zentrale Rolle zugewiesen. Unterstützt wird die von China eingebrachte UN-Resolution zur Kapazitätsbildung für KI.[7]
Am 29. Oktober 2024 haben sich mehr als ein Dutzend nichtstaatliche Stakeholder an die designierte EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen gewandt mit der Aufforderung, sich für ein freies und offenes Internet einzusetzen und Versuche großer Telcos, neue Bezahlsysteme (fair-share, cost-sharing, network fees, or sender pays) einzuführen, mit Verweis auf die "Netzwerkneutralität" zurückzuweisen. "All these fundamentally represent the same concept: of altering the Internet's networking model in favor of a handful of large telecom operators. We strongly oppose these proposals that we believe are not only unnecessary, but also extremely harmful to the global Internet and its users….Any recommendations must be based on evidence and stakeholder input."[8]
Am 29. Oktober 2024 haben sechs Senatoren des US-Kongresses in einem Brief an US-Außenminister Blinken und US-Sicherheitsberater Sullivan Vorbehalte gegen die UNO-Konvention gegen Cyberkriminalität (August 2024) geäußert. "We fear the Convention will legitimize efforts by authoritarian countries like Russia and China to censor and surveil internet users, furthering repression and human rights abuses around the world….As the UNGA considers the Convention, the United States must not align itself with repressive regimes by supporting a Convention that undermines human rights and U.S. interests."[9]
[1] https://www.itu.int/md/S24-RCLINTPOL20-C/en
[2] https://www.itu.int/dms_pub/itu-t/opb/reg/T-REG-WTSADRAFT-2024-PDF-E.pdf
[3] https://aiforgood.itu.int/ai-standards/
[4] https://freedomhouse.org/sites/default/files/2024-10/FREEDOM-ON-THE-NET-2024-DIGITAL-BOOKLET.pdf
[5] https://www.state.gov/joint-statement-on-the-security-and-resilience-of-undersea-cables-in-a-globally-digitalized-world/
[6] https://unctad.org/meeting/commission-science-and-technology-development-2024-2025-inter-sessional-panel
[7] http://static.kremlin.ru/media/events/files/en/RosOySvLzGaJtmx2wYFv0lN4NSPZploG.pdf
[8] https://www.internetsociety.org/open-letters/preserving-the-open-internet/
[9] https://www.documentcloud.org/documents/25257141-wyden_un_convention_against_cybercrime_letter