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10/01/2024 | News release | Distributed by Public on 10/01/2024 04:21

Wie Big Tech die Medienlandschaft verändert

Zu Beginn erinnerte Höppner, Partner bei der Kanzlei Hausfeld und renommierter Kartellrechtsexperte, an Artikel 5 des Grundgesetzes. Dieser garantiert nicht nur die Pressefreiheit, sondern bedeutet auch eine staatliche Schutzpflicht für die freie Presse: "Die Institutsgarantie des Art. 5 GG verpflichtet den Staat, einen Rechtsrahmen zu setzen, der eine private Finanzierung von Presse ermöglicht und absichert", so Höppner. "Die freie Presse ist für die moderne Demokratie unentbehrlich", urteilt auch das Bundesverfassungsgericht. Doch laut Höppner versäumt die Politik, die Presse ausreichend zu schützen.

Dominanz der Plattformen im Werbemarkt

Seit 2004 haben die Zeitungen 70 Prozent ihrer Werbeerlöse verloren, während Google, Amazon und Meta ihre Dominanz ausbauten. Google erwirtschaftete allein 2023 in Deutschland 6,16 Milliarden Euro aus Werbung, Amazon 2,93 Milliarden Euro, Meta 1,69 Milliarden Euro - alle drei verzeichnen zweistellige Zuwachsraten. Sie kontrollieren 40 Prozent des gesamten Werbemarkts und 70 Prozent der Online-Werbung.

Für klassische Medien wird es immer schwieriger, ihre Inhalte zu monetarisieren. Gleichzeitig sind die Verlage im Vergleich zu den US-Konzernen deutlich engagierter als Arbeitgeber, wie Höppner aufzeigt: Google, Amazon und Meta generieren in Deutschland 4,7-mal mehr Werbeumsatz (11 vs. 2,3 Milliarden Euro) als alle Verlage zusammen, beschäftigen aber nur 1/17 der Mitarbeiter (3.255 vs. 56.500).

Der Einfluss von Algorithmen auf die Meinungsbildung

"Die Marktmacht von Big Tech ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch eines für die Meinungsbildung", betont Höppner. Plattformen wie Google und Meta profitieren von Werbeanzeigen und steuern gleichzeitig die Sichtbarkeit und Verbreitung von Medieninhalten. Soziale Medien haben einen starken Anreiz, Nutzer lange auf ihren Seiten zu halten und ihre Aufmerksamkeit auf Anzeigen zu lenken. Gleichzeitig geht es ihnen darum, möglichst nichts für Inhalte zu zahlen und User von anderen Medien fernzuhalten.

Das fördert Populismus und Radikalisierung auf den Plattformen, da populistische und emotionale Inhalte die Interaktion und Verweildauer erhöhen. Algorithmen spülen bevorzugt solche Inhalte in die Timelines, die Nutzer länger auf der Plattform halten, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Dadurch verstärken soziale Medien populistische Inhalte und fördern die Polarisierung der Öffentlichkeit. Algorithmen entscheiden zunehmend, welche Inhalte Nutzer sehen, und führen sie in Filterblasen, die differenzierte Meinungsbildung behindern.

Eine Entwicklung, die schon sehr reale Konsequenzen hat, wie Höppner belegt: Eine Untersuchung zeigt, dass rund 80 Prozent des politischen Contents in den TikTok-Feeds von Erstwählern von populistischen Parteien stammt. Die AfD dominiert TikTok und ist bei den 18- bis 24-Jährigen damit besonders erfolgreich, wie die Landtagswahlen in Ostdeutschland zeigen. "Algorithmische Filterblasen sind ein großes gesellschaftliches Problem", warnt Höppner.

Die Risiken der generativen KI

Der Einsatz von generativer KI durch Plattformen stellt eine zusätzliche Bedrohung dar. Sie ermöglicht es, aus den Inhalten anderer Medien eigene Inhalte zu generieren und diese gegenüber klassischen Medien zu bevorzugen. Die Tendenz, den Informationsbedarf von Menschen mit selbst generierten KI-Inhalten zu befriedigen, so dass Nutzer gar keine anderen Informationsquellen oder Medien mehr ansteuern, erhöhe die Manipulationsgefahr deutlich, warnt Höppner. "Generative KI kann höchst personalisierte, überzeugende Botschaften liefern, ohne dass der Prozess transparent oder replizierbar wäre", und weiter: "Generative KI ermöglicht individuelle Manipulation auf neuem Niveau", warnt Höppner. Indem Plattformen einen Anreiz haben, Verbraucher auf allen Ebenen dahin zu manipulieren, dass die Werbeerlöse steigen, erschweren sie es Medienunternehmen weiter, ihre Inhalte zu schützen und zu monetarisieren.

Ein zusätzliches Problem sieht der Medienrechtsexperte in der wachsenden Abhängigkeit europäischer Medien von KI-Modellen, die außerhalb Europas entwickelt werden. Laut dem Draghi-Bericht zur Zukunft der EU-Wettbewerbsfähigkeit könnte Europa langfristig von KI-Systemen aus den USA oder China abhängig werden.

"Von einem ehemals offenen Netz entwickeln wir uns zu einem Netz privilegierter Partner, in dem es nur einigen wenigen Großunternehmen gut geht," beschreibt Höppner die Gefahren der KI-Revolution. "Kann ein demokratischer Staat den gesellschaftlichen Diskurs den auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Algorithmen global agierender Plattformen überlassen?"

Regulierung ist unverzichtbar

Höppner skizziert Lösungsansätze, um den negativen Auswirkungen der Plattform-Dominanz entgegenzuwirken. Er fordert eine stärkere Regulierung von Big Tech und die Wiederherstellung der ökonomischen Kontrolle über eigene Inhalte. Das Bundeskartellamt habe bislang keine effektive Regulierung vorgenommen, so Höppner.

Er hält es für notwendig, das Urheberrecht zu stärken und Kooperationen zwischen lokalen Medienanbietern zu erleichtern, um eine Verhandlungsposition gegenüber den großen Plattformen zu schaffen. Außerdem fordert er eine Trennung von werbefinanzierter Verbreitung und KI-basierter Erstellung von Inhalten.

Der Staat könne seine Schutzpflicht für die freie Presse nur erfüllen, wenn deren Finanzierungsmöglichkeiten bestehen bleiben. "Sind Inhalte nicht vor generativer KI geschützt, wird jede eigene Monetarisierung scheitern. " Medienvielfalt und demokratischer Diskurs würden massiv eingeschränkt, wenn die Sichtbarkeit von Inhalten auf wenige Plattformen konzentriert werde. Höppners eindringlicher Appell: "Plattformen dürfen nicht die Hoheit über den öffentlichen Diskurs erlangen. Es bedarf eines fairen Wettbewerbs, um die demokratische Meinungsbildung zu sichern. "

Dialog zwischen den Akteuren der Branche sei, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. "Das Presse-Grosso und wir sind Partner in bewegten Zeiten", sagte er und dankte den Anwesenden für die enge Zusammenarbeit, bevor er den Dialog für Fragen öffnete.