Österreichisches Parlament

09/11/2024 | Press release | Distributed by Public on 09/11/2024 08:46

Antisemitismuskonferenz widmet sich Auswirkungen der Entwicklungen im Nahen Osten auf unsere Gesellschaft Internationaler Austausch über den Nahostkonflikt als Katalysator für[...]

Wien (PK) - Im dritten Teil der heutigen Vernetzungskonferenz zum Thema Antisemitismus im Parlament standen die Entwicklungen im Nahen Osten und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft im Zentrum. So betonte Hillel Neuer, Generaldirektor der Nichtregierungsorganisation UN Watch, die Verantwortung der Vereinten Nationen. Diese müssten angesichts des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der daraus folgenden Welle des Antisemitismus "moralische Klarheit und Führung" bieten. Scharfe Kritik übte er an den Aktivitäten der UNWRA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten), die teilweise anti-israelische Ressentiments und sogar Terrorismus befördern würde.

Der arabisch-israelische Journalist Yoseph Haddad betonte in seinem Statement den Zusammenhang zwischen der Feindschaft gegenüber Israel und der Ablehnung westlicher Werte. Christoph Piorkowski, ebenfalls Journalist, ging auf die "kognitive Dissonanz" ein, durch die der Terrorangriff auf Israel zu einer Welle des Antisemitismus habe führen können. In der anschließenden Diskussionsrunde verurteilten alle parlamentarischen Vertreter:innen die Angriffe vom 7. Oktober 2023 auf Israel und werteten sie ebenfalls als Angriff auf den Westen und seine Werte.

Hillel Neuer über die Verantwortung der Weltgemeinschaft

Juden und Jüdinnen weltweit befänden sich aktuell in ihrer "dunkelsten Stunde seit dem Holocaust", konstatierte Hillel Neuer. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 seien sie und ihre Einrichtungen etwa in Europa fortwährenden Angriffen ausgesetzt und könnten ihre Identität kaum noch frei ausleben. Auch in der öffentlichen Meinung würde zumeist "mit dem Finger auf Israel gezeigt", obwohl die "barbarischen Akte" der Hamas an Israelis begangen worden seien. Neuer sprach von falschen Beschuldigungen, die den globalen Antisemitismus befeuerten - etwa, dass Israel Krankenhäuser bombardiere.

Auch die Vereinten Nationen spielten dabei eine unrühmlich Rolle. Deren Generalversammlung habe die Hamas für den Terrorangriff kein einziges Mal verurteilt und auch Staaten wie der Iran, Syrien oder Nordkorea müssten kaum mit Kritik rechnen. Israel hingegen sei etwa im Rahmen von Resolutionen bereits 15 Mal verurteilt worden und fungiere selbst für Diktaturen als "Sündenbock", so Neuer. Als besonders problematisch bewertete er die Aktivitäten der UNWRA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten). Diese sei unter anderem für die Bildung von etwa 90 % der Einwohner:innen des Gaza-Streifens verantwortlich und erhalte dafür hunderte Millionen an Finanzierung von der Weltgemeinschaft. Anstatt jedoch für die Vermittlung von Menschenrechten Sorge zu tragen, riefen UNWRA-Mitarbeiter:innen regelmäßig zum Mord an Jüdinnen und Juden auf, dämonisierten Israel und stifteten zu Antisemitismus an, berichtete Neuer. Einzelnen von ihnen bekleideten sogar hochrangige Positionen innerhalb der Hamas.

Neuer plädierte an die Teilnehmer:innen der Konferenz, sich für eine Unterbindung der Finanzierung von UNWRA einzusetzen und einen Ersatz für die Organisation zu suchen. Generell forderte er die Vereinten Nationen auf, ihrem Gründungsversprechen gerecht zu werden. Gerade in der aktuellen Situation müsse sie "moralische Klarheit und Führung bieten". Dies bedeute etwa, die Hamas für ihre Verbrechen, wie die Verwendung menschlicher Schutzschilder, zu verurteilen, so Neuer.

Yoseph Haddad plädiert für die Verteidigung jüdisch-christlicher Werte

Yoseph Haddad berichtete von seiner Kindheit in Israel und seinen Freundschaften mit Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Hintergründe. Vehement wehrte er sich gegen den Vorwurf, Israel sei ein "Apartheidstaat". Arabische Israelis wie er würden führende Rollen in allen Bereichen der Gesellschaft - etwa in der Knesset oder der Armee - einnehmen.

Als "stolzer Bürger Israels" habe sich auch Haddad freiwillig für den Dienst in den israelischen Verteidigungskräften gemeldet, in dessen Rahmen er von einer Rakete der Hisbollah schwer verwundet worden sei. Die Raketen der Terroristen unterschieden nicht zwischen Araber:innen und Jüdinnen bzw. Juden, gab Haddad zu bedenken. Es handle sich bei dem gegenwärtigen Krieg auch nicht um einen Konflikt zwischen beiden Gruppen, sondern um die Manifestation der "genozidalen Ideologie" der Hamas, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Schließlich sei das Ziel der Hamas und anderer terroristischer Organisationen nicht nur die Vernichtung Israels, sondern auch jene der westlichen, jüdisch-christlichen Werte, erklärte Haddad.

Christoph Piorkowski: Antisemitische Welle basiert auf "kognitiver Dissonanz"

Nicht einmal 24 Stunden nach dem Angriff der Hamas auf Israel und noch bevor das israelische Militär eine relevante Handlung gesetzt habe, hätten die "Selbstgerechten aller Nationen" bereits einen Genozid an den Palästinenser:innen "herbeifantasiert", erklärte Christoph Piorkowski. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer "kognitiven Dissonanz" insbesondere gewisser Milieus in Europa, die einer "antisemitischen Täuschung" unterliegen würden. Natürlich sei das Leiden etwa von Kindern im Gaza-Streifen zu bedauern, doch Antisemit:innen aus allen Richtungen interessierten sich gar nicht für diese Kinder. Juden-Hass werde als Selbstverteidigung getarnt, so Piorkowski.

Der 7. Oktober 2023 habe bestätigt, dass selbst die brutalste Form des Antisemitismus noch weiteren Antisemitismus hervorbringe, anstatt einer klaren Haltung dagegen. Vormals verborgene Ressentiments würden nun offen zutage treten und sich unter anderem in Schändungen von Gedenkstätten oder Dämonisierungen von Jüdinnen und Juden in den sozialen Medien manifestieren. Antiimperialistische Linke, Islamist:innen und Faschist:innen demonstrierten gemeinsam gegen Israel, illustrierte Piorkowski das "Querfrontphänomen" Antisemitismus. Damit jüdisches Leben nicht noch mehr in Bedrängnis gerate, gelte es, dahingehenden Narrativen entschieden entgegen zu treten.

Zweistaatenlösung und Meinungsfreiheit

István Hiller, Mitglied des ungarischen Parlaments, erzählte im Rahmen der anschließenden Diskussionsrunde von einem Erlebnis, das er Anfang Februar bei einem Besuch in Israel hatte. Er sei mit einer Parlamentsdelegation auf Einladung Israels dort gewesen, um Familienangehörige der entführten Geiseln zu treffen. Außerdem habe man Orte besucht, an denen die Tragödie vom 7. Oktober 2023 stattgefunden habe. Er erzählte von geplünderten Häusern, Blut und Einschusslöchern. Und von einem Gespräch mit einem Mann, der in Siebenbürgen in Rumänien geboren war und vor 15 Jahren in den Ort nur 300 Meter von der Grenze entfernt gezogen war. Der Mann habe gesagt, dass es eine bewusste Entscheidung gewesen sei, so nahe zu den Palästinenser:innen zu ziehen. Er und seine Familie wollten sich selbst und der Welt zeigen, dass es möglich sei, in Frieden zusammenzuleben. Der Mann habe gesagt: "Ich bleibe hier. Wir geben nicht auf, wir wollen hier in Frieden leben." Hiller ließ seine Geschichte unkommentiert.

Peter De Rover, Parlamentspräsident von Belgien, betonte, dass es eine traurige Tatsache sei, dass so eine Konferenz aus aktuellen Gründen überhaupt stattfinden muss. Eigentlich sollte es eine historische Konferenz sein, um die Vergangenheit zu studieren. Er forderte, dass der Kampf gegen Antisemitismus ein prominenter Punkt auf der politischen Agenda sein müsse, ebenso wie der Einsatz für die Geiseln des 7. Oktobers 2023 und die Opfer auf beiden Seiten. Es bedürfe einen dringenden Frieden für alle, das Ende von Gewalt im Mittleren Osten, Israel und Palästina. De Rover pochte auf die Zweistaatenlösung mit dem nichtverhandelbaren Existenzrecht für Israel. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit der Freiheit für Kritik an Regierungen. Die Meinungsfreiheit zu beschneiden, sei kein Mittel, mit dem Antisemitismus umzugehen.

Angelos Syrigos, Mitglied des griechischen Parlaments, betonte, dass die Verurteilung der Kriegsführung im Gazastreifen nicht Antisemitismus sei, die Dämonisierung von Israel und Parolen wie "From the river to the sea" als Aufruf zum Völkermord hingegen sehr wohl. Ebenso hielt Syrigos fest, dass man den Angriff vom 7. Oktober und die Geiselnahme verdamme. Die Verurteilung von Antisemitismus sei keine Oberflächlichkeit. Er sagte: "Wir stellen uns gemeinsam gegen Antisemitismus, egal ob von rechts oder links, es ist eine Bedrohung für die Grundfesten der EU."

Helfen statt Terrorfinanzierung

Ariel Kallner, Mitglied der israelischen Knesset, betonte, dass der radikale Islamismus die freie Welt bedrohe. Der radikale Islamismus wolle eine einzige Nation aufbauen, die Nation des Islams. Kaller hat keinen Zweifel daran, dass der Mittlere Osten einen Einfluss auf die westliche Welt habe. Er benannte das Regime des Iran als "Kopf der Schlange". Kallner meinte, dass der Westen auf zahlreiche Organisationen keinen Einfluss mehr habe, die eigentlich gegründet worden seien, um zu helfen und nun den Terrorismus unterstützen, wie etwa UNWRA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten). An die Konferenzteilnehmer:innen gerichtet fügte er hinzu, dass man gemeinsam mit Personen wie ihnen, Personen, die für die Jüdinnen und Juden einstehen, gewinnen werde.

Harris Georgiades, Mitglied des zypriotischen Parlaments, identifizierte in seinem Statement die Attacke gegen Israel am 7. Oktober 2023 als einen Angriff auf die Weltordnung, einen Angriff auf den Westen und seine Werte, wie die freie Demokratie. Man habe den Feinden jahrelang Glauben gemacht, dass man nicht fähig sei, für die eigenen Werte einzutreten. Jetzt müsste der Westen aufwachen, denn die Freiheit der Demokratie müsste geschützt werden. Georgiades betonte, voll und ganz hinter dem Selbstverteidigungsrecht Israels zu stehen. Gleichzeitig sei die militärische Lösung nicht alles, es bedürfe auch friedlicher Mittel. Politische Lösungen benannte er als einzige Möglichkeit, um geeignete Bedingungen für Israel zu schaffen und dafür, Jüdinnen und Juden überall auf der Welt zu schützen.

EU-weiter Schulterschluss gefordert

Marjana Petir, Parlamentsmitglied von Kroatien, betonte ebenfalls, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung habe. Sie forderte auch, dass Europa mit klaren Worten die Hamas und andere als Terrororganisationen verurteilen müsse. Außerdem gelte es für Europa auch, seinen wirtschaftlichen Einfluss geltend zu machen. Man könne keine Beziehungen fortführen mit Organisationen, die Terrorismus finanzieren, stellte Petir klar.

Der österreichische Nationalratsabgeordnete Martin Engelberg hob die klare Positionierung Österreichs hervor. Schon im Regierungsprogramm sei festgehalten, dass man keine einseitigen Resolutionen gegen Israel unterstütze. In der EU gebe es abseits von Tschechien nicht viele Partner, die sich hier ebenso klar positionieren würden. Engelberg betonte, dass es überhaupt keinen Sinn hätte, einen Staat Palästina anzuerkennen. Wie sollte man das selbst erklären, wenn man einen Staat Palästina, aber keinen Staat Kosovo anerkenne, stellte er die Frage in den Raum. Er hängte eine weitere an: Warum man nicht die iranische Revolutionsgarden auf die Liste der Terrororganisationen stelle, wo man doch wisse, dass sie Terrorismus finanzieren würden. Engelberg nutzte die Gelegenheit, gegen eine UN-Resolution mobil zu machen, die in der kommenden Woche zur Abstimmung kommen soll. Die angesprochene Resolution, initiiert von der Palästinensischen Autonomiebehörde, würde Israel jegliche Legitimität absprechen und alle Formen von Antisemitismus verwenden. Engelberg würde sich wünschen, dass man in der EU Allianzen bilden und dagegen Stellung beziehe, das würde es im Kampf gegen Antisemitismus und im Kampf für Frieden brauchen. (Schluss Antisemitismuskonferenz) wit/map

HINWEISE: Fotos von der Antisemitismuskonferenz finden Sie im Webportal des Parlaments. Eine Aufzeichnung finden sie nach der Konferenz in der Mediathek des Parlaments.