German Federal Government

10/11/2024 | Press release | Archived content

Regierungspressekonferenz vom 11. Oktober 2024

Sprecherinnen und Sprecher
• stellvertretender Regierungssprecher Büchner
• Wagner (AA)
• Müller (BMVg)
• Ungrad (BMWK)
• Alexandrin (BMDV)
• Dr. Kock (BMI)
• Ernoult (BMF)

(Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
SRS Büchner sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

SRS Büchner

Erlauben Sie, dass ich heute ausnahmsweise nicht nur mit Ihnen spreche, wie sonst üblich, sondern auch einmal über Sie bzw. eine einzigartige Institution. Denn - Sie haben es gerade gehört - heute jährt sich ein historisches Datum. Vor 75 Jahren, am 11. Oktober 1949, gründete sich die Bundespressekonferenz als ein Verein der in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn arbeitenden Journalistinnen und Journalisten. Auf der ersten Pressekonferenz, die am 18. Oktober 1949 stattfand, standen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard den Korrespondenten Rede und Antwort. Eines der Themen war damals die Festsetzung der Relation der D-Mark zum Dollar bei 4,20 D-Mark.

Die Bundespressekonferenz und damit verbunden die Regierungspressekonferenz sind absolut einzigartig in der Welt. Darauf können Sie und wir als Land insgesamt stolz sein. Hier ist die Presse Gastgeber. Wir, die Regierung, sind hier nur zu Gast, weil Sie uns einladen. Klaus Bölling, einst Regierungssprecher des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, soll - so wird es im Bundespresseamt kolportiert - über die BPK bzw. die Regierungspressekonferenz einmal gesagt haben: Man ist zwar zu Gast in der Bundespressekonferenz, aber man wird nicht immer wie ein Gast behandelt. - Dieses Hinterfragen, Nachbohren, Abklopfen, das seit Jahrzehnten geschieht, sei es vor der braun getäfelten Rückwand des BPK-Saals damals noch in Bonn oder hier vor der blauen Wand der BPK in Berlin, ist vielleicht nicht immer ohne Ecken und Kanten, aber es ist Ausweis einer lebendigen Demokratie, in der vor allem die Politik der Öffentlichkeit, das heißt, den Medien und Bürgerinnen und Bürgern, Rede und Antwort steht.

Ich bin sehr dankbar, dass wir in einem Land leben, in dem das so ist. Denn Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaften. Jeden Tag müssen wir sie aufs Neue verteidigen, gerade jetzt, auch hier bei uns. Wir leben in einer Zeit, in der mit Desinformationen und Deepfakes Stimmungsmache betrieben wird.

Hier im Haus der Bundespressekonferenz arbeiten Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt. Sie arbeiten frei und unabhängig und setzen sich hohe journalistische Standards. Sie sind gewissermaßen die Fachkräfte der Demokratie. Unsere Demokratie, unser demokratisches Zusammenleben kann nur gelingen, wenn wir bei allen Meinungsunterschieden überhaupt erst einmal von denselben Fakten und Tatsachen ausgehen und, darauf aufbauend, um die besten Lösungen ringen. Gerade weil Meinungsfreiheit und Pressefreiheit Lebensgrundlagen der Demokratie sind, können wir stolz darauf sein, dass wir in Deutschland diesen Raum, dieses Forum hier haben. Wir wirken zwar in verschiedenen Rollen, dienen aber der gleichen Sache: der Demokratie.

Wir alle hier auf dieser Seite im BPK-Saal gratulieren der Bundespressekonferenz von Herzen und wünschen weiterhin erkenntnisreiche Pressekonferenzen mit einem vielleicht dann doch manchmal etwas volleren Saal, neugierigen Journalistinnen und Journalisten, die kritische Fragen stellen und hoffentlich - das ist wiederum unser Anspruch - fundierte Antworten bekommen. Auch im Namen des Bundeskanzlers herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag, liebe Bundespressekonferenz!

(zu den Terminen des Bundeskanzlers) Bundeskanzler Scholz lädt am Montag, den 14. Oktober, ab 9.30 Uhr zum diesjährigen Gipfel des Berlin-Prozesses zum Westbalkan ein. Es ist der zehnte Gipfel des Berlin-Prozesses, der 2014 als Format für regionale Kooperation auf dem westlichen Balkan sowie zur Unterstützung der EU-Annäherung geschaffen wurde. Nachdem im Oktober 2023 mit Albanien erstmals eines der sechs Westbalkanländer die Konferenz in der Region Tirana ausgerichtet hatte, findet das Gipfeltreffen in diesem Jahr anlässlich des Jubiläums wieder im Bundeskanzleramt in Berlin statt. Der Bundeskanzler wird mit den Teilnehmern des Berlin-Prozesses in zwei Arbeitstreffen und einem Arbeitsmittagessen zu den Themen Regionale Kooperation und Gemeinsamer Regionaler Markt, Grüne Agenda für den westlichen Balkan, Konnektivität und Energie sowie zur zukünftigen Ausrichtung des Berlin-Prozesses reden. Zudem werden die sechs Westbalkanstaaten eine gemeinsame Erklärung zum neuen Aktionsplan für den Gemeinsamen Regionalen Markt sowie das Mobilitätsabkommen Access to Study unterzeichnen. Des Weiteren wird es ein Treffen der Teilnehmer mit Vertreterinnen und Vertretern des Jugend- und Zivilgesellschaftsforums geben, die diese Woche im Rahmen des Berlin-Prozesses getagt haben.

Im Anschluss ist für 14 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz des Bundeskanzlers mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, geplant.

Am Montagabend wird der Bundeskanzler dann den World Health Summit in Berlin besuchen, eine der weltweit führenden Global-Health-Konferenzen, die jährlich in Berlin stattfindet. Gegen 18.30 Uhr wird er am sogenannten Signature Event zur Investment Round der WHO teilnehmen und eine Rede halten. Es handelt sich um eine Leitveranstaltung des diesjährigen World Health Summit und dient dazu, Finanzmittel für das 14. Allgemeine Arbeitsprogramm der WHO für 2025 bis 2028 zu mobilisieren. Dort wird er den deutschen Beitrag für die WHO verkünden. Dieser Termin ist presseöffentlich.

Am Dienstagvormittag nimmt der Bundeskanzler an der Jahreskonferenz der Initiative Chef:innensache teil. Die Initiative Chef:innensache ist ein Netzwerk von Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlichem Sektor und Medien, das die Chancengleichheit von Frauen und Männern fördern möchte. Der Bundeskanzler ist Schirmherr der Initiative. Die Jahreskonferenz findet in der DB Akademie im Kaiserbahnhof in Potsdam statt. Der Bundeskanzler wird ab 10.30 Uhr vor Ort sein und an einer Diskussionsrunde teilnehmen. Das Thema der Veranstaltung wird die Chancengerechtigkeit in der Arbeitswelt für Frauen und Männer sein. Dabei werden auch Fragen der künstlichen Intelligenz behandelt.

Am Mittwoch, den 16. Oktober, tagt um 11 Uhr das Kabinett unter der Leitung des Bundeskanzlers.

Danach wird Bundeskanzler Scholz ab 13 Uhr im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 17. und 18. Oktober abgeben.

Am Mittwochabend wird der Bundeskanzler dann anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Brenntag SE eine Rede halten. Das Unternehmen aus Essen ist international tätig und Weltmarktführer in der Distribution von Chemikalien und Inhaltsstoffen. Es betreibt ein weltweites Netzwerk mit rund 600 Standorten in 72 Ländern. Beginn des Festaktes ist um 18.30 Uhr in der Grand Hall Zollverein. Während der Teilnahme des Bundeskanzlers an der Veranstaltung ist diese presseöffentlich.

Am Donnerstag und Freitag wird Bundeskanzler Scholz dann an der Tagung des Europäischen Rates und des Euro-Gipfels in Brüssel teilnehmen. Der Europäische Rat wird sich mit verschiedenen Themen beschäftigen. Unter anderem wird es um die weitere Unterstützung der Ukraine sowie um die Lage in Nahost gehen. Ein weiteres Thema wird die Wettbewerbsfähigkeit der Union sein. Wie Sie wissen, hat der ehemalige italienische Ministerpräsident Draghi dazu Anfang vergangenen Monats einen umfassenden Bericht vorgelegt. Zudem steht das Thema der Migration auf der Tagesordnung des Treffens. Beim ebenfalls geplanten Euro-Gipfel soll ein Austausch zur wirtschaftlichen Situation und zu Fortschritten bei der Kapitalmarktunion stattfinden. Dazu wird am Dienstag davor, also am 15. Oktober, von 11.15 Uhr bis 12.15 Uhr im Bundespresseamt ein Briefing stattfinden.

Der Bundeskanzler wird Ende kommender Woche in die Türkei reisen. Am Samstag, den 19. Oktober, wird er in Istanbul mit Staatspräsident Erdoğan sprechen. Anschließend ist eine Pressekonferenz geplant. Den Inhalten können wir hier nicht vorgreifen. Aber es ist davon auszugehen, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine ebenso wie die Lage im Nahen Osten Thema der Gespräche sein wird. Auch Migration und bilaterale und wirtschaftspolitische Themen werden auf der Tagesordnung stehen.

Frage

Herr Büchner, es kursieren Meldungen, nach denen der abgesagte Besuch des US-Präsidenten Joe Biden möglicherweise schon kommende Woche nachgeholt werden soll. Liegen Ihnen darüber schon Informationen vor?

SRS Büchner

Dazu liegen mir keine Informationen vor. Sie kennen die Pressemitteilung zum Gespräch des Bundeskanzlers mit dem amerikanischen Präsidenten von gestern Abend. Ich glaube, das hat der Regierungssprecher, Herr Hebestreit, hier am Mittwoch schon gesagt. Natürlich würden wir uns freuen, wenn es zeitnah eine Möglichkeit gibt. Aber bisher habe ich dazu noch keine genauen Informationen.

Frage

Herr Büchner, Sie hatten gesagt, bei der Rede zum Health Event wird er den Beitrag Deutschlands für die WHO verkünden. Was ist damit genau gemeint? Geht es darum, dass der deutsche Beitrag da aufgestockt werden soll? Können Sie uns dazu Details nennen?

SRS Büchner

Ich kann dazu auch noch keine Details nennen. Dem kann ich nicht vorgreifen. Ich denke, es wird darum gehen, den Beitrag an der Stelle zu beziffern.

Zusatzfrage

Es gibt ja bereits einen Beitrag. Heißt das, das ist ein veränderter Beitrag? Wird es nach oben gehen?

SRS Büchner

Das weiß ich eben nicht. Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht sagen.

Zusatzfrage

Könnten Sie das vielleicht nachreichen?

SRS Büchner

Wenn wir das bekannt geben, bevor es der Kanzler selber bekannt gibt, dann kann ich das nachreichen. Ich würde aber davon ausgehen, dass er das erst im Rahmen dieser Konferenz tun wird.

Frage

Zum Berlin-Prozess würde mich interessieren: Ist vorher auch ein Gespräch mit Frau von der Leyen geplant, oder an welchem Teil dieses Termins nimmt sie teil? Warum gibt es eigentlich keine Pressebegegnung, die einen Vertreter der Westbalkanstaaten involviert?

SRS Büchner

Ich kann Ihnen bisher leider nur die Terminplanung mitteilen, so wie sie jetzt hier steht. Weitere Erwägungen zu den Details des Programms und dazu, wer wann mit wem vor die Presse geht, kann ich jetzt hier nicht kommentieren.

Frage

Ich habe noch eine Frage zu der Türkei-Reise. Sie haben gesagt, Sie wüssten noch nicht, was dort besprochen werde. Aber wird die Bundesregierung vielleicht aktiv die angeblichen Abschiebezentren, über die mehrere Medien berichtet haben, ansprechen? Ist das von Ihrer Seite gewollt?

SRS Büchner

Insgesamt - ich glaube, das habe ich gesagt - wird das Thema der Migration ein Thema sein. Ob und inwieweit in dem Rahmen auch solche Dinge angesprochen werden, müssen wir abwarten. Dem kann ich wirklich nicht vorgreifen.

Zusatzfrage

Vielleicht kann die Bundesregierung sagen, ob Sie von diesen Zentren wissen und wie Sie dazu stehen. Sonst frage ich es nachher noch einmal.

SRS Büchner

Noch einmal: Ich kann mich zu diesem Detail hier jetzt nicht einlassen. - Ich kann aber gern sagen: Die Bundesregierung spricht intensiv mit Herkunftsländern über die Verbesserung von Rückkehroptionen. Details solcher Gespräche sind auch in dem Fall vertraulich. Auch mit der Türkei ist die Bundesregierung fortlaufend über migrationspolitische Themen im Gespräch, auch im Bereich der Rückführungskooperation. Die Türkei ist hierbei ein sehr wichtiger Partner Deutschlands. Aber noch einmal: Ich kann an der Stelle nicht auf einzelne Detailfragen eingehen.

Frage

In türkischen Medien kursiert die Meldung, dass Deutschland eigentlich grünes Licht für den Verkauf von Eurofightern an die Türkei gebe. Wie ist die aktuelle Position der Bundesregierung?

SRS Büchner

Herr Kollege, auch da muss ich mich leider auf die hier wahrscheinlich nicht sehr beliebte Formel zurückziehen, dass ich Gesprächen nicht vorgreifen kann. Darüber hinaus ist das Thema von Rüstungsexporten natürlich eines, zu dem wir uns hier ohnehin nicht im Detail und schon gar nicht im Vorhinein äußern können.

Zusatzfrage

Heißt das, dass wir bei diesem Besuch etwas Neues erwarten, eine neue Position der Bundesregierung, ein grünes Licht?

SRS Büchner

In Bezug auf Rüstungsexporte kann ich Ihnen dazu nichts sagen und auch nichts ankündigen. Aber selbstverständlich können Sie bei einem Besuch des Bundeskanzlers beim türkischen Staatspräsidenten allgemein immer etwas Neues erwarten.

Frage

Herr Büchner, genau daran anknüpfend - das geht vielleicht auch an Herrn Wagner - zum Thema Ukraine, das ja auch eine Rolle spielen wird: Sind die Bundesregierung und der Bundeskanzler dafür, dass die Türkei Teil einer neuen Kontaktgruppe zu möglichen Lösungswegen für den Ukrainekonflikt werden könnte?

Wagner (AA)

Ich kann dazu wahrscheinlich nicht so wahnsinnig viel Befriedigendes für Sie sagen, Herr Kollegen, weil natürlich, wie Sie wissen, eine Vielzahl von Gesprächen auf diplomatischer Ebene läuft und ich jetzt hier nicht detailliert zu solchen Spekulationen Stellung nehmen werde.

Zusatzfrage

Herr Büchner, würde der Kanzler solch eine Kontaktgruppe, die dann auch die Türkei als Teilnehmer enthielte, befürworten?

SRS Büchner

Auch das ist Teil des Gesamtkomplexes der Gespräche, die dort geführt werden, zu dem ich mich jetzt vorher nicht einlassen kann. Ich glaube, wir können aber in diesem Zusammenhang betonen, dass natürlich auch der Umgang mit den Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine ein ganz wichtiges Thema bei diesem Besuch sein wird. Dabei ist die Türkei ein wichtiger Partner. Wie Sie wissen, hat sich zum Beispiel die Türkei intensiv für die Aufrechterhaltung der Getreidelieferungen aus der Ukraine eingesetzt. Zu all diesen Themen werden sich der Kanzler und der türkische Staatspräsident austauschen.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Zum Thema Libanon: Herr Wagner - wahrscheinlich auch Herr Müller, angesichts von UNIFIL -, gibt es eine Stellungnahme Ihrerseits? Ich meine, Herr Borrell hat die Angriffe auf UNIFIL-Stellungen schon verurteilt. Die Bundeswehr ist Teil von UNIFIL. Die israelischen Truppen haben mehrfach, auch gestern, UNO-Friedenstruppen im Libanon beschossen. Wie stehen Sie dazu?

Wagner (AA)

Israel hat wie jedes andere Land das Recht, sich gegen die Gefahr, die Bedrohung und den Beschuss der Hisbollah zu wehren. Der Beschuss von Friedenstruppen der Vereinten Nationen ist aber in keinerlei Weise akzeptabel und hinnehmbar. Der Schutz und die Sicherheit der Peacekeeper der Vereinten Nationen muss oberste Priorität haben. Das war gestern auch das einhellige Meinungsbild im UN-Sicherheitsrat. Sie wissen, dass bei dem Vorfall zwei Soldaten der UNIFIL-Truppe verletzt worden sind. Ihnen gilt unsere volle Solidarität. Sie haben sicherlich auch wahrgenommen, dass sich die israelische Regierung eingelassen und erklärt hat, dass es keine Absicht gewesen sei. Insofern erwarten wir natürlich, dass dieser Vorfall vollumfänglich aufgearbeitet wird. Das muss jetzt große Priorität haben.

Lassen Sie mich vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen, dass natürlich alle Konfliktparteien - das gilt auch für die israelische Armee - verpflichtet sind, ihre Kampfhandlungen ausschließlich auf militärische Ziele der anderen Konfliktparteien zu richten. Wir sind mit unseren Partnern mit Blick auf die Lage im Libanon mit Einsatz dabei, eine Lösung zu finden, die die legitimen Sicherheitsinteressen Israels, aber auch die legitimen Sicherheitsinteressen des Libanon wahrt. Dafür ist natürlich die vollständige Implementierung und Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1701 ganz wichtig. Gerade diese mandatiert ja UNIFIL, die Sicherheit und Stabilität an der Blue Line zwischen Israel und Libanon zu gewährleisten.

Zu den konkreten Beteiligungen kann vielleicht Herr Müller noch ausführen.

Müller (BMVg)

Ja, ich ergänze gern für den Bereich der Bundeswehr und des BMVg. Natürlich beobachten wir die Entwicklungen auch mit Sorge und sehr genau. Für uns steht die Sicherheit der deutschen Soldatinnen und Soldaten im Vordergrund, die dort bei UNIFIL tätig sind. Das sagen wir nicht nur so, sondern deswegen haben wir in den letzten Wochen und Tagen das Kontingent kontinuierlich leicht abschmelzen lassen. Alle Soldatinnen und Soldaten, die nicht mehr für den konkreten Einsatzauftrag vor Ort, der noch verblieben ist, tätig sind, sind nach Deutschland zurückgekehrt. Die Soldatinnen und Soldaten, die noch im Libanon sind, die hier vom UN-Hauptquartier aus von UNIFIL den seegehenden Auftrag betreuen, den wir natürlich weiterhin betreuen, befinden sich im UN-Hauptquartier. Dort gibt es auch entsprechend sehr gute Schutzmaßnahmen und Schutzbauten. Alle weiteren sind, wie ich gesagt habe, zurückgeführt oder befinden sich auf der seegehenden Einheit, wo sie weiterhin den maritimen Auftrag erfüllen. - Das vielleicht vorangestellt. Wir befinden uns hier also noch bei einem hohen zweistelligen Personalkörper, der noch vor Ort ist.

Natürlich stimmen wir uns mit den Partnern, die an UNIFIL beteiligt sind, und natürlich mit dem Libanon sehr eng dazu ab, wie es weitergeht, und auch zur Lageentwicklung und zur Lagebewertung. Wir haben aktuell auch den Auftrag zur Ausbildung der libanesischen Marine in enger Absprache mit dem Libanon ausgesetzt, sodass der Auftrag der seegehenden Einheiten, also der Überwachungsauftrag in See, der Auftrag ist, der noch durch das verbleibende Personal durchgeführt wird.

Zusatzfrage

Herr Wagner, Sie hatten darauf verwiesen, dass die Israelis sagen, das sei nicht beabsichtigt gewesen. Für wie glaubhaft halten Sie das? Denn die IDF haben schon vor einer Woche UNIFIL aufgefordert, alle ihre Positionen an der Demarkationslinie - da, wo das passiert ist - zu räumen. Das tut man ja nur, wenn man plant, das zu beschießen. Wie gesagt, das war kein Einzelfall. Gestern gab es mindestens viermal Beschuss; am Mittwoch gab es Beschuss. Das ist auch eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts sowie der Resolution des Sicherheitsrates.

Wagner (AA)

Herr Kollege, ehrlich gesagt fällt es mir von dieser Stelle aus sehr schwer, diesen Vorfall zu beurteilen und über Intentionen zu spekulieren. Aber es ist doch vollkommen klar, dass das jetzt vollends aufgeklärt werden muss. Ich glaube, es ist gut und es ist zu begrüßen, dass die israelische Armee in Kontakt mit UNIFIL steht und man sich dort abstimmt. Wenn man sich die Lage anschaut, dann stellt man fest, dass wir auch in einem Gebiet sind, in dem es offensichtlich zu heftigen Kämpfen mit der Hisbollah kommt. Aber noch einmal: Es gilt natürlich, dass UNIFIL ihr Mandat ausüben können muss. Es muss jetzt aufgeklärt werden, wie es zu diesem schwerwiegenden Vorfall kam.

Frage

Herr Wagner, Sie haben gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass generell nur auf militärische Ziele geschossen werden darf. Dazu habe ich eine Verständnisfrage. Ist es nach dem Verständnis der Bundesregierung ein militärisches Ziel, wenn sich eine Person in einem Wohnhaus voller Menschen befindet, die möglicherweise der Hisbollah oder der Hamas oder anderen militärischen Gruppen angehört? Ist das im Sinne der Bundesregierung ein legitimes militärisches Ziel?

Wagner (AA)

Frau Kollegin, es ist ja nicht an uns, das frei aus der Lamäng zu entscheiden, sondern es gilt das humanitäre Völkerrecht. Das humanitäre Völkerrecht sagt im Grundsatz sehr klar: Natürlich dürfen sich Kampfhandlungen nur gegen militärische Ziele richten, und zivile Ziele und die Zivilbevölkerung müssen geschützt werden. - Es ist aber im humanitären Völkerrecht auch so - das können Sie nachlesen -, dass zivile Ziele ihren Schutzstatus verlieren können, wenn sie militärisch missbraucht werden. Das haben wir in diesem Konflikt immer einmal wieder gesehen, in Gaza, im Libanon durch die Hisbollah. Die Terrororganisation Hisbollah verschanzt und versteckt sich offensichtlich auch hinter zivilen Zielen. Dann kann es im humanitären Völkerrecht schon so sein, dass diese Ziele - zivile Einrichtungen - ihren Schutzstatus verlieren. Aber es gilt auch der Grundsatz des humanitären Völkerrechts, dass eine Konfliktpartei alles dafür tun muss, dass Zivilisten weitestgehend vor den Kampfhandlungen geschützt werden. Das ist eine Verpflichtung, die alle Konfliktparteien trifft.

Zusatzfrage

Gestern gab es im Zentrum Beiruts einen Angriff auf ein Haus ohne vorherige Vorwarnung. Das Haus war komplett bewohnt. Dabei sind auch mehrere Zivilisten gestorben. Hier gab es also keine Vorwarnung. Wie bewerten Sie diese Attacke in dem Fall?

Wagner (AA)

Ich habe die Medienberichte dazu gesehen. Ich kann das, ehrlich gesagt, von dieser Stelle aus schlecht beurteilen. Ich weiß nicht, welche Vorwarnungen es gab oder nicht gab. Ich weiß auch nicht, was da sozusagen das militärische Ziel war. Ich kann nur die Einlassungen der unterschiedlichen Seiten wahrnehmen. Die israelische Armee hat immer wieder betont, sie gehe gegen militärische Ziele vor. Sie probiert es ja auch zu unterlegen. Aber noch einmal: Es gelten doch am Ende die Regeln des humanitären Völkerrechts. Das sagt sehr klar: Die Konfliktparteien - das gilt auch für die israelische Armee - müssen die Zivilbevölkerung so gut wie möglich schützen. - Natürlich ist es schwierig. Gut, dass Sie diesen Vorfall in Beirut ansprechen. Da wird in einem sehr dichten urbanen Umfeld operiert, in dem es natürlich noch schwieriger ist, Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen.

Frage

Ich hätte ganz gern nach Waffenlieferungen an Israel gefragt, weil jetzt der spanische Ministerpräsident als Reaktion auf diesen UNIFIL-Beschuss ebenfalls, wie Macron letzte Woche, gefordert hatte, dass der Waffenverkauf an Israel eingestellt werden solle. Der Bundeskanzler hat gestern noch einmal wiederholt, dass es doch Waffenlieferungen geben wird. Herr Büchner, vielleicht können Sie noch einmal auf Herrn Sánchez reagieren. Warum will sich Deutschland diesen Wünschen oder Forderungen Frankreichs und Spaniens nicht anschließen?

SRS Büchner

Ich kann nicht auf die Äußerungen von Herrn Sánchez reagieren, aber ich kann gern noch einmal auf das verweisen, was der Bundeskanzler gestern im Bundestag gesagt hat. Das ist eine klare Aussage, und an der hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage

Ich habe das gestern auch gehört, aber es geht mir um eine Begründung. Die hat der Bundeskanzler gestern im Bundestag eigentlich auch nicht geliefert. Er hat gesagt, es wird so sein, dass Waffen geliefert wurden und weitere geliefert werden. Aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Forderungen, aufzuhören, weil diese Waffen möglicherweise völkerrechtswidrig eingesetzt werden könnten, steht doch im Raum. Darauf hat die Bundesregierung bis jetzt keine Antwort gegeben.

SRS Büchner

Deutschland liefert grundsätzlich keine Waffen an Partner oder Länder, bei denen man davon ausgehen würde, dass Waffen völkerrechtswidrig eingesetzt werden. Insofern ist das eine sehr allgemeine Aussage zu dem Thema und keine im konkreten Einzelfall. Sie kennen sozusagen die Genehmigungs- und Unterrichtungspraxis beim Thema von Waffenlieferungen. Auch der Kanzler hat gestern auf den Bundessicherheitsrat verwiesen, der geheim tagt und die entsprechenden Gremien des Bundestages unterrichtet. Aber zu Einzelfällen äußern wir uns nicht und dürfen wir uns auch gar nicht äußern.

Aber ganz grundsätzlich - noch einmal wiederholt -: Deutschland verfolgt eine restriktive Waffenexportpolitik. Jeder Einzelfall wird geprüft. Dabei spielt auch eine Rolle, dass das humanitäre Völkerrecht von den Endverwendern solcher Waffenlieferungen eingehalten wird. Das aber ist wirklich nur eine allgemeine Erklärung zu unserer Praxis.

Frage

Ich habe auch eine Frage zu diesem Komplex an das BMWK. Nach der Ankündigung des Bundeskanzlers und den Ausführungen von Herrn Büchner eben, dass Waffen selbstverständlich nicht geliefert würden, wenn Zweifel bestehen, ob das Völkerrecht eingehalten wird: Hat Ihr Haus, das für Exportgenehmigungen zuständig ist, Anhaltspunkte dafür, dass Israel beim Waffeneinsatz Völkerrecht verletzt, oder haben Sie solche Anhaltspunkte nicht?

Ungrad (BMWK)

Zum einen hat sich der stellvertretende Regierungssprecher dazu geäußert, dass die Genehmigungspraxis in der Bundesregierung klar ist. Sie ist Ihnen ja auch bekannt. Die Entscheidung wird gemeinsam mit allen zuständigen Häusern getroffen.

Zum Thema Völkerrecht: Es ist nicht unsere Aufgabe, das zu bewerten. Das liegt im Auswärtigen Amt. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren. Zur Genehmigungspraxis haben wir schon gesagt, dass wir da gemeinsam entscheiden. Wir veröffentlichen ja- das ist ja auch neu in dieser Bundesregierung - ohnehin auch den Rüstungsbericht, aber auch in Presseberichten unsere Rüstungsvorhaben oder eventuelle Lieferungen. Insofern sind wir da auch transparent. Ich kann Ihnen dazu jetzt keine weiteren Informationen geben.

Zusatzfrage

Dann geht die Nachfrage ans zuständige Auswärtige Amt. Herr Wagner, nach der nochmaligen Betonung der Grundsätze der Bundesregierung, die ja seit 2000 gelten, wohin Waffen geliefert werden und wohin nicht, in Verbindung mit § 6 des Kriegswaffenkontrollgesetzes: Verfügt die Bundesregierung, verfügt das Auswärtige Amt über Hinweise oder Indizien dafür, dass sich Israel als potenzieller und tatsächlicher Empfänger von Waffenlieferungen möglicherweise nicht an völkerrechtliche Vorgaben beim Waffeneinsatz hält? Verfügen Sie über solche Indizien? Oder verfügen Sie nicht darüber, was dann ja bedeuten würde, dass Sie davon ausgehen, dass sich Israel jederzeit und vollumfänglich ans Völkerrecht hält?

Wagner (AA)

Herr Kollege, das wird Sie, glaube ich, nicht zufriedenstellen. Aber ich muss auch bei dieser Thematik darauf verweisen, dass wir uns natürlich - das ist ja stehende Praxis - bei dieser Frage immer den Einzelfall anschauen und dass natürlich auch die Frage der Bewertung des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte, der Lage vor Ort etc. eine Rolle spielt. Aber sehen Sie es uns nach, dass wir uns dazu einfach - das sind auch die gesetzlichen Obliegenheiten, die uns da aufgelegt sind - hier von dieser Bank nicht im Detail äußern können. Ich kann Sie aber gern auch noch einmal auf das verweisen, was die Außenministerin gestern bei der Debatte gesagt hat. Da können Sie auch noch einmal nachschauen. Sie hat sich auch zu der Frage eingelassen.

Frage

Es wird also im Vorhinein im Einzelfall geprüft. Welche Mechanismen gibt es denn im Nachhinein, um zu überprüfen, dass deutsche Waffen nicht doch in einem Kontext verwendet wurden, in dem mögliche Völkerrechtsbrüche vorliegen?

Ungrad (BMWK)

Zum einen werden Waffenlieferungen prinzipiell immer in der Bundesregierung besprochen und natürlich auch in diesem Kontext generell im Nachhinein besprochen. Es gibt auch die Dual-Use-Verordnung, mit der festgestellt wird, inwieweit Waffen zu anderen Zwecken weitergegeben oder gebraucht werden.

Zusatzfrage

Hat es bei den Waffenlieferungen, die im vergangenen Jahr erfolgt sind, solche Prüfungen gegeben, und, wenn ja, wie können - - -

Ungrad (BMWK)

Dazu verweise ich auf unsere Veröffentlichungen zu Rüstungsexportgenehmigungen. Eventuelle Informationen würden dort stehen. Aber sie stehen nicht darin. Insofern kann ich Ihnen jetzt nichts Neues dazu berichten.

Zusatzfrage

Hat es also keine Prüfungen mit Ergebnissen gegeben, die dann darin stünden?

Ungrad (BMWK)

Das ist etwas, was die Bundesregierung innerhalb der Bundesregierung bespricht. Ich kann mich dazu hier nicht äußern.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Herr Wagner, noch einmal zurück zum Libanon: Sie meinten, Sie seien froh, dass die israelische Seite mit UNIFIL in Kontakt sei. Ich hatte zitiert, was die Israelis UNIFIL gesendet haben. Das war eine Aufforderung, abzuhauen. Die Aufforderung selbst ist schon völkerrechtswidrig.

Meinten Sie das mit In-Kontakt-Stehen? Denn ich hatte explizit auch nach der Aufforderung zur Evakuierung der UNIFIL-Stellung gefragt.

Wagner (AA)

Herr Kollege, ich meinte - aber das kann vielleicht Herr Müller noch besser erklären, weil er Militär ist - das ganz normale Vorgehen zwischen Militärs, die in Konfliktregionen operieren, sich auch sozusagen gegenseitig zu informieren.

Zu dem, was Sie aufwerfen, hat sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen sehr deutlich eingelassen. UNIFIL wird weiterhin präsent sein und ihr Mandat dort ausfüllen. Diese Erwartung hat auch die Bundesregierung.

Müller (BMVg)

Ich habe dem nichts hinzuzufügen, weil die Abstimmung hierzu zwischen der UN und Israel erfolgt. Klar, unser Anteil sowohl bei der UN als auch unten im Kontingent im Libanon ist natürlich im Austausch mit der UN-Seite. Aber dazu sprechen kann nur die UN.

Zusatzfrage

Herr Wagner - das geht vielleicht auch an Herrn Büchner -, haben Sie die Warnung des israelischen Regierungschefs Netanjahu an die Libanesen wahrgenommen, dass man den Libanon wie Gaza - Zitat - in Schutt und Asche legen werde, wenn sich die Seite nicht ergeben werde? Das ist ja eine außerordentliche Drohung angesichts der Lage in Gaza.

Wagner (AA)

Dazu haben sich Vertreter der Bundesregierung, nicht zuletzt die Außenministerin, schon eingelassen. Natürlich hat Israel das Recht, sich gegen Hisbollah zu verteidigen. Nach wie vor findet Raketenbeschuss auf Israel durch Hisbollah statt. Natürlich darf Israel wie jeder andere Staat auf der Welt dagegen vorgehen. Gleichzeitig glaube ich, ehrlich gesagt, nicht, dass es im Sicherheitsinteresse Israels ist, den Libanon in ein zweites Gaza zu verwandeln. Dazu hat sich, denke ich, die Außenministerin gestern in der Bundestagsdebatte noch einmal eingelassen.

Frage

Ich muss noch einmal auf das Thema der Waffenexporte zurückkommen. Herr Wagner, Sie haben eben auf die gestrige Rede der Außenministerin verwiesen. Darin hat sie gesagt, sie möchte darum bitten, dass wir die Kraft der Differenzierung finden. Wir hätten ein geheim tagendes Gremium, aber wir hätten auch eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof.

Vielleicht können Sie - darauf bezog sich auch meine Frage von vorhin - noch einmal erklären, wie die Bundesregierung bei der Genehmigung von Waffen an Israel unterscheidet. Denn offenbar wird ein Teil dieser Anträge möglicherweise mit Blick auf die Klage vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Deutschland nicht genehmigt. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, wie da die Unterscheidung stattfindet.

Wagner (AA)

Aus Ihren Reihen kam gerade schon verschiedentlich die Frage, ob Israel humanitäres Völkerrecht einhalte. Das entscheiden natürlich am Ende Gerichte. Sie wissen, dass im Moment verschiedene Gerichte damit befasst sind. Insofern muss man das natürlich in diesem Kontext sehen.

Aber es ist - das haben wir hier eben, denke ich, auch dargelegt - einer der Grundsätze, dass einer der Parameter, wenn die Bundesregierung über Rüstungsexportgenehmigungen entscheidet, natürlich die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ist.

Zusatzfrage

Wenn ich nachfragen darf, um das richtig zu verstehen: Das heißt, dass auch die Bundesregierung davon ausgeht, dass es durchaus sein könnte, dass ein Teil der gelieferten Waffen völkerrechtswidrig eingesetzt werden könnte.

Wagner (AA)

Diese Interpretation Ihrerseits mache ich mir jetzt nicht zu eigen.

Ich kann Sie aber auch noch einmal darauf verweisen, dass sich die Bundesregierung in dem laufenden IGH-Verfahren - ich meine, es war im März - ausführlich auch zu diesem Aspekt eingelassen hat. Die Stellungnahme finden Sie auf der Seite des Auswärtigen Amtes.

Zusatz

Entschuldigung, aber wenn Sie keine Zweifel hätten, dann könnten Sie doch eigentlich alle Anträge genehmigen.

Wagner (AA)

Das ist ein netter Versuch, Herr Kollege, aber wir können hier zur Genehmigungspraxis und zu Einzelfällen keine Stellung nehmen.

Frage

(zum Nahostkonflikt) 44 Ärzte, Krankenpfleger und Ersthelfer, die in Gaza waren, bestätigen, dass sie mehrfach Fälle von Kindern in vorpubertärem Alter gesehen hätten, denen in den Kopf oder in die Brust geschossen worden sei. Von solchen Fällen gibt es auch entsprechende Röntgenbilder.

Sind der Bundesregierung diese Berichte bekannt, und inwiefern werden sie in die Bewertung der Frage einfließen, ob sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält? Sie sagen immer wieder, es gebe dort keine unabhängigen Beobachter. Aber diese Menschen sind ja unabhängige Beobachter.

Wagner (AA)

Auch ich habe diese Berichte zur Kenntnis genommen. Eben weil wir in Gaza nicht vor Ort sind, fällt es uns schwer, das selbst und eigen zu beurteilen. Aber Sie haben vielleicht auch gesehen, dass es einen Bericht der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats gab, in dem auch schwerwiegende Vorwürfe gegen die israelische Kriegsführung erhoben und eben auch Angriffe auf medizinische Einrichtungen behandelt werden. Natürlich müssen diese Vorwürfe aufgeklärt werden, und das muss durch die israelische Justiz erfolgen. Das ist unsere Erwartung.

Natürlich ist die Lage in Gaza - das habe ich schon oft gesagt, und ich weiß, dass Sie das jetzt nicht zufriedenstellt, aber es ist trotzdem Ausdruck unserer Haltung - katastrophal und ganz schlimm. Die Zivilbevölkerung dort leidet unglaublich. Es gibt viel zu viele Tote. Das ist ja der Grund, warum wir uns auf diplomatischem Weg für einen Waffenstillstand, für eine Lösung dieses Konflikts einsetzen, damit die Geiseln freikommen und damit mehr humanitäre Hilfe dort hineinkommt. Es kommt im Moment viel zu wenig humanitäre Hilfe nach Gaza hinein. Wir reden, meine ich, über 50 LKWs am Tag. Vor dem Konflikt waren es 500. Das war gestern auch Thema im Sicherheitsrat. Israel ist aufgerufen, diese Lage zu verbessern.

SRS Büchner

Die Bundesregierung freut sich über die Bekanntgabe, dass der diesjährige Friedensnobelpreis an die japanische Organisation Nihon Hidankyo verliehen wird und gratuliert den Geehrten sehr herzlich zu diesem Preis. Die Auszeichnung von Nihon Hidankyo steht für den jahrzehntelangen, unermüdlichen Einsatz der Überlebenden der Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki für eine Welt ohne Atomwaffen. Die Zeugnisse der Überlebenden haben die Welt daran erinnert, welche verheerenden menschlichen Folgen der Einsatz von Nuklearwaffen hat. Angesichts der Tatsache, dass nur noch wenige Überlebende am Leben sind, ist ihre Botschaft heute wichtiger denn je.

Die Vergabe des Preises steht damit auch dafür, dass die Erfahrungen und das Engagement der Hibakusha für zukünftige Generationen von zentraler Bedeutung sind, um sicherzustellen, dass Atomwaffen niemals wieder zum Einsatz kommen.

Frage

Bleibt es dabei, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beitritt?

Wagner (AA)

Sie wissen, dass wir bei der Vertragsstaatenkonferenz als Beobachter teilgenommen haben. Atomwaffen sind heutzutage weiterhin eine Realität, mit der wir umgehen müssen, und das muss man, denke ich, auch zur Kenntnis nehmen. Sie wissen - das brauche ich hier nicht zu betonen -, dass der russische Präsident im Kontext seines Krieges in der Ukraine immer wieder mit Atomwaffen gedroht hat. Insofern ist die Frage der nuklearen Teilhabe, die Frage, wie wir uns vor diesen Drohungen schützen, und die Frage der nuklearen Abschreckung eine wichtige Frage und relevant. Gleichzeitig bleibt das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt, auch wenn diese im Moment nicht sehr nah erscheint.

Zusatzfrage

Weil wir gerade beim Nahen Osten waren: Als Mitglied der IAEO ist die Bundesregierung auch aufgefordert, andere Nichtmitglieder, die aber Atomwaffen haben, zur Kontrolle dieser Waffen aufzufordern. Wann hat die Bundesregierung Israel zuletzt aufgefordert, der IAEO Zugang zu den Atomwaffen zu geben?

Wagner (AA)

Das müsste ich Ihnen nachreichen, Herr Kollege. Das kann ich nicht aus der Lamäng beantworten.

Frage

Ich habe eine Frage zu Lilium, diesem Flugtaxiunternehmen, ans Verkehrsministerium. Im Haushaltsausschuss - - -

Vorsitzende Welty

Das haben wir schon am Montag diskutiert, aber bitte.

Zusatzfrage

Wie bewerten Sie, dass das jetzt nicht kommt?

Alexandrin (BMDV)

Das kann ich zum einen nicht bestätigen und würde Sie zum anderen auf das verweisen, was der Kollege am Montag schon gesagt hat. Ich denke, was gerade in der Presse kursiert, sind zwei Gespräche mit Haushaltern. Das ist meiner Meinung nach keine Entscheidung des Haushaltsausschusses. Diese steht, soweit ich weiß, noch aus.

Vorsitzende Welty

Aber vielleicht mögen Sie noch einmal ins Protokoll schauen.

Zusatz

Das werde ich tun, danke.

Frage

Der spanische Premierminister hat Mittwochnachmittag gesagt, er werde die EU-Kommission bitten, die Frist für die Umsetzung der EU-Migrationsreform auf 2025 vorzuziehen. Unterstützt Deutschland das?

Dr. Kock (BMI)

Bundesinnenministerin Faeser ist gestern in Luxemburg mit ihren EU-Amtskolleginnen und -Amtskollegen zusammengetroffen. Das haben Sie sicherlich zur Kenntnis genommen. Dazu gab eine durchaus breite Berichterstattung. Sie hat sich in diesem Rahmen, aber mehrfach auch schon davor dazu geäußert, dass auch wir bemüht sind, einzelne Teile vorzuziehen und schneller umzusetzen. Inzwischen gibt es - das habe ich zumindest zur Kenntnis genommen - auch Äußerungen der EU-Innenkommissarin Johansson, in denen sie gesagt hat, sie begrüße das.

Zusatzfrage

Genau, einzelne Teile. Das war bekannt. Mich würde aber interessieren, ob die Innenministerin auch den konkreten Vorzug der gesamten Reform, der Deadline, von 2026 auf 2025 unterstützt.

Dr. Kock (BMI)

Wir sind sehr bemüht, das so schnell wie möglich umzusetzen.

Zusatzfrage

Sie würden das an dieser Stelle also nicht weiter konkretisieren?

Dr. Kock (BMI)

Nein.

Frage

Inwieweit bemüht sich Deutschland um einen Frieden in der Ukraine? Herr Selenskyj ist ja heute da. Deswegen die Frage an Herrn Büchner: Wird Scholz sein Angebot, an Putin, mit ihm zu telefonieren, noch einmal erneuern, und zwar in Absprache mit Herrn Selenskyj? Wird heute vielleicht auch eine mögliche zweite Friedenskonferenz-Thema sein, und sollte Russland dann auch dazukommen?

SRS Büchner

Da Herr Selenskyj heute da ist und sich der Bundeskanzler und auch Herr Selenskyj in Statements vor ihrem Treffen äußern werden, werde ich mich jetzt nicht im Vorhinein zu den Themen einlassen können. Grundsätzlich kennen Sie die Bereitschaft des Bundeskanzlers, mit dem russischen Präsidenten zu telefonieren. Es ist aber nicht zu erkennen, dass der russische Präsident irgendein Interesse an einem solchen Gespräch, geschweige denn an einem gerechten Frieden haben könnte.

Frage

Herr Büchner, wenn Sie nicht vorausschauen wollen, können Sie ja zurückblicken. Gestern hat es ein Telefonat von Herrn Biden und dem Bundeskanzler gegeben. Waren in dem Gespräch die Restriktionen, die es für den Einsatz oder erst einmal schon die Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine gibt, ein Thema? Hat der Bundeskanzler seine Vorbehalte dagegen nach dem Gespräch aufgegeben?

SRS Büchner

Herr Kollege, Sie wissen, dass bilaterale Gespräche immer genau so weit öffentlich gemacht werden, wie wir es im Rahmen der Pressemitteilung tun. Darüber hinaus kann ich leider nicht davon berichten, was der amerikanische Präsident und der Bundeskanzler besprochen haben.

Zusatzfrage

Wenn Sie nichts zu dem Gespräch sagen wollen: Als der Biden-Besuch und das Treffen im Ramsteinformat geplant waren, hat es Medienberichte gegeben, wonach Deutschland ein neues Hilfspaket für die Ukraine schnüren wolle. Wird das im Rahmen des heutigen Besuchs bekannt gegeben werden?

SRS Büchner

Das wäre ja auch schon wieder ein Vorausgreifen auf irgendetwas.

Zusatz

Bezug nehmend auf eine zurückliegende Äußerung!

SRS Büchner

Ich denke, Herr Hebestreit hat am Mittwoch hier gesagt, dass wir die Bedarfe der Ukraine fortlaufend anschauen und fortlaufend das tun, was möglich ist, in enger Abstimmung mit der Ukraine, aber auch mit unseren Partnern in Europa, vor allem aber auch mit den USA und mit unseren Partnern in der NATO. Es ist ein fortlaufender Prozess - das hat der Bundeskanzler immer wieder gesagt -, den wir so lange fortsetzen, wie es nötig ist.

Frage

Wird die Aufklärung der Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines heute Thema der Gespräche sein?

SRS Büchner

Wir können jetzt natürlich ganz viele Themen aufrufen, die möglicherweise Gesprächsthema sein können oder nicht. Aber ich kann jetzt leider wirklich nichts anderes sagen als dies: Warten Sie bitte die Gespräche ab, und lassen Sie uns schauen, was in den Statements erklärt und eventuell auch hinterher noch veröffentlicht wird. Vorher möchte ich mich hier jetzt nicht an Spekulationen darüber beteiligen, was eventuell besprochen wird oder auch nicht. Wie üblich spricht der Bundeskanzler mit seinen Gästen sehr intensiv über alle relevanten Themen, die sozusagen auf dem Tisch liegen.

Zusatzfrage

Deswegen frage ich ja! Das ist ja nämlich keine beliebige Liste ganz vieler Themen. - Darf man davon ausgehen, dass die Aufklärung der Nord-Stream-Anschläge aus Sicht des Bundeskanzlers ein relevantes Thema ist?

SRS Büchner

Dass es ein relevantes Thema ist, das wissen Sie. Das haben wir hier immer wieder gesagt. Aber ich werde hier jetzt trotzdem nicht bestätigen oder dementieren, dass genau darüber gesprochen wird oder nicht.

Frage

Herr Büchner, es gibt ja wieder keine Fragemöglichkeit. Können Sie uns einen Grund dafür nennen, warum es nur Statements gibt?

SRS Büchner

Weil das, wie Sie wissen, von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Es gibt bei solchen Arbeitsbesuchen durchaus die Praxis, dass man ein kurzes Statement oder vielleicht auch sogar einmal gar kein Statement abgibt. Ich glaube, bei den Besuchen von Herrn Selenskyj, die er bisher gemacht hat, gab es einmal ein Statement, in Paris. Es gab aber auch einmal kein Statement, sondern wirklich nur einen Arbeitsbesuch hinter verschlossenen Türen in London. Insofern wird das einfach jeweils von Fall zu Fall und in Abstimmung mit den Partnern entschieden. Das ist keine Aussage darüber, welche Transparenz man sich wünscht oder nicht. Ich glaube, wir als Bundesregierung sind, soweit wir es in diesem ganzen Zusammenhang nur irgendwie sein können, immer sehr transparent.

Zusatzfrage

Würden Sie nicht auch sagen, dass ein kleines Problem darin besteht, dass Sie zurückblickend nichts zu einem Gespräch sagen wollen, vorausblickend nichts zu einem Gespräch sagen wollen und dass wir dann auch nicht die Möglichkeit haben, wenn das Gespräch stattfindet, zu fragen, was denn eigentlich besprochen wird?

SRS Büchner

Ich spreche Ihnen auf keinen Fall das Recht ab, das zu kritisieren. Aber ich kann trotzdem leider nicht sagen, was da jetzt besprochen werden wird. Ich finde, es wäre auch ein Stück weit unhöflich, wenn ich mich jetzt vorher hier hinsetzen und sagen würde, das, das, das und das werde wohl besprochen werden. Das muss man dann schon in einem bilateralen Gespräch den Gesprächspartnern überlassen.

Frage

Konterkariert das nicht das, was Sie vorhin zum Jubiläum der Bundespressekonferenz gesagt haben? Sie wollen die Öffentlichkeit aufklären, Sie wollen hier für Transparenz sorgen. Das ist ja wahrscheinlich - - -

SRS Büchner

Ja, im Rahmen dessen, was - - -

Zusatzfrage

Darf ich ausreden? - Das ist der generelle Anspruch der Bundesregierung, hatte ich verstanden, und jetzt gibt es immer weniger Pressekonferenzen. Herr Kollege hat das Dilemma ja gerade aufgezeigt. Gehen Sie da also nicht in eine andere Richtung?

SRS Büchner

Es stimmt ja nicht, dass es immer weniger Pressekonferenzen gibt. Es ist ein normales Verfahren, dass es bei Arbeitsbesuchen einmal Pressekonferenzen gibt und einmal nicht.

Nein, das widerspricht nicht dem Anspruch, den wir haben. Aber es gibt einfach auch Themen, zu denen wir uns - das ist seit Gründung dieser Institution übrigens eine gelebte Praxis - detaillierter einlassen können, und andere, zu denen wir das nicht tun können.

Frage

Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium und vielleicht auch an das Wirtschaftsministerium. Ryanair hat es gestern angekündigt, Eurowings heute auch: Die streichen Flüge oder fliegen gewisse Standorte nicht mehr an und beklagen, dass das vor allem an den hohen Standortkosten und an Gebühren liege. Will die Bundesregierung irgendetwas dagegen unternehmen?

Es wird auch ein Belastungsmoratorium aus der Branche gefordert. Kommt das infrage?

Alexandrin (BMDV)

Ich kann kurz beginnen und sagen, dass es eine unternehmerische Entscheidung von Ryanair ist, welche Standorte man besetzt und welche nicht. Die haben wir von hier aus nicht zu kommentieren.

Das Verkehrsministerium wie auch die gesamte Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass wir einen starken und wettbewerbsfähigen Luftverkehrsstandort in Deutschland haben. Es ist aber nun einmal auch so, dass wir überall in Europa steigende Standortkosten sehen, größtenteils durch externe Faktoren wie die Inflation oder eben auch Personalmangel. Damit einher gehen steigende Löhne und Gehälter, und Deutschland ist da keine Ausnahme. Wir sehen gerade im europäischen Vergleich durchaus auch Standorte, die höhere Standortkosten haben.

Ungrad (BMWK)

Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage

Noch einmal konkret zu diesem Belastungsmoratorium: Wäre das eine Option, oder steht das momentan nicht zur Debatte?

Alexandrin (BMDV)

Ich habe mich schon dazu geäußert. Wir tun alles dafür, Deutschland zu einem wettbewerbsfähigen Luftfahrtstandort zu machen bzw. ihn als solchen zu erhalten. Dazu zählen diverse Maßnahmen. Von einem Moratorium habe ich derzeit keine Kenntnis.

Frage

Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Der Bundeswirtschaftsminister hat gestern an dieser Stelle die Konjunkturerwartungen der Bundesregierung gegenüber der Prognose von Frühjahr doch deutlich nach unten korrigiert. Welche Folgen hat das für die im kommenden Jahr ja über die veränderte Konjunkturkomponente mögliche Nettokreditaufnahme?

Ernoult (BMF)

Vielen Dank. - Wie Sie wissen, kommentieren wir keine externen Berichterstattungen und können auch an dieser Stelle keine Zahlen kommentieren, bestätigen oder dementieren. Das BMWK hat die Herbstprojektion, wie Sie eben sagten, vorgelegt. Daraus ergibt sich in der Tat eine neue Konjunkturkomponente. Wir werden dann seitens des Finanzministeriums im Zuge der Steuerschätzung entsprechende Zahlen kundtun können, vorher leider nicht.

Zusatzfrage

Können Sie mir das vielleicht einmal technisch erklären? Wenn sich ein neuer Weg ergibt, wird dann der entsprechende Passus des Haushaltsgesetzes von Ihnen umformuliert, oder obliegt es dem Haushaltsausschuss des Bundestags, diese Aktualisierung dann einzuarbeiten?

Ernoult (BMF)

Eine Anpassung obliegt uns. Das würde dann im Zuge der Steuerschätzung erfolgen, also konkrete Zahlungen und gegebenenfalls auch Anpassungen.

Zusatzfrage

Durch Ihr Haus?

Ernoult (BMF)

In der Tat.

Frage

Herr Büchner, das Finanzministerium hat ja eigentlich indirekt schon bestätigt, dass im nächsten Jahr 5,2 Milliarden Euro mehr Schulden aufgenommen werden könnten. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob der Kanzler befürwortet, dass man an das Maximum der möglichen Schuldenaufnahme geht, also diesen neuen Spielraum von 5,2 Milliarden Euro auch ausnutzt.

SRS Büchner

Was den Zeitrahmen angeht, hat sich die Kollegin aus dem Finanzministerium ja gerade schon geäußert. Wir haben innerhalb der Regierung beschlossen, dass wir bis Ende Oktober abwarten, bis wir alle Daten zusammen haben, bevor dann konkrete Beschlüsse gefasst werden. Die Bundesregierung hat ja aber bereits beim Beschluss über den Haushaltsentwurf angekündigt, dass sich aus der konjunkturellen Entwicklung, der Entwicklung der Steuereinnahmen und der wirtschaftlichen Entwicklung Veränderungen ergeben können, auch der Art, wie wir sie hier sehen, einer Veränderung der Konjunkturkomponente. Wir müssen jetzt aber abwarten, was die Steuerschätzung ergibt, und wir müssen auch abwarten, wie sich die Ausgaben entwickeln. Das ergibt dann einen entsprechenden Saldo mit entsprechenden Handlungsmöglichkeiten. Wie und in welcher Form der dann ausgeschöpft wird, genau das ist dann sozusagen noch einmal Gegenstand der internen Beratungen der Bundesregierung, deren Ergebnis wir Ihnen dann vorstellen werden.

Ernoult (BMF)

Herr Kollege, nur ganz kurz: Wir haben weder direkt noch indirekt Zahlen bestätigt oder dementiert. Die Zahlen werden auch erst im Zuge der Steuerschätzung entsprechend belastbar vorliegen.

Zusatzfrage

Herr Büchner, ich habe ja gefragt, ob der Kanzler befürwortet, dass man den maximalen Spielraum der maximalen Verschuldung ausnutzt. Das ist ja noch einmal ein bisschen etwas anderes. Mir geht es jetzt gar nicht um die konkrete Zahl, sondern darum, ob der Bundeskanzler möchte, dass man den Spielraum, den man zur Verfügung hat, angesichts des Investitionsbedarfs, der ja auch von ihm immer wieder erwähnt wurde, voll ausschöpft.

SRS Büchner

Das wird man dann im Zuge dieser Beratungen sehen.

Zusatzfrage

Er hat also noch keine klare Meinung dazu, ob man es voll ausschöpfen sollte?

SRS Büchner

Ob er an der Stelle eine klare Meinung hat, weiß ich nicht, aber ich würde schon davon ausgehen, dass er eine klare Meinung davon hat, wie er die Dinge auflösen möchte. Mir ist aber hier nichts bekannt, was ich Ihnen berichten kann.

Frage

Bleibt es dabei, dass der Kanzler die Einnahmeseite nicht verbessern möchte?

SRS Büchner

Ich verstehe die Frage nicht.

Zusatz

Man könnte ja auch die Einnahmen erhöhen, wieder eine Vermögenssteuer einführen, die Erbschaftsteuer erhöhen. Es gibt ja viele - - -

SRS Büchner

Das sieht der Koalitionsvertrag nicht vor.

Zusatz

Der Koalitionsvertrag hat viele Dinge nicht vorgesehen, den Ukrainekrieg auch nicht!

SRS Büchner

Es gibt keine Pläne, von denen ich berichten könnte, in irgendeiner Form Steuern zu erhöhen.

Frage

Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Es geht um das Unternehmen Northvolt und die Batteriefabrik in Heide. Das war hier auch schon einmal ein Thema gewesen. Jetzt hat das Unternehmen in den letzten Tagen angekündigt, dass es, weil ja finanziell angeschlagen ist, seine Rohstoffe zum Teil verkaufen und neues Geld einsammeln wolle. Ich hätte ganz gerne von Ihnen gewusst, Frau Ungrad, ob Sie Informationen haben, dass sich die Fabrikbaupläne in Heide irgendwie verzögern oder in Gefahr geraten könnten.

Ungrad (BMWK)

Das Wirtschaftsministerium beobachtet die Entwicklung von Northvolt sehr genau und steht mit dem Unternehmen in ständigem Austausch. Unsere Unterstützung für Heide ist dabei ungebrochen. Wir stehen natürlich auch hinsichtlich Heide in engem Austausch.

Northvolt ist ja ein schwedisches Unternehmen, und die derzeitigen Probleme des Hochlaufs sind eher im schwedischen Unternehmen verortet, also direkt in Schweden. Da stellt sich die Frage zum Beispiel einer deutschen Unterstützung auch für das Projekt in Heide mit Fördermitteln jetzt nicht. Das Unternehmen hat zudem ja auch bestätigt, dass das Projekt in Heide davon nicht betroffen sei.

Grundsätzlich: An Spekulationen, die jetzt auch aufgekommen sind, beteiligen wir uns nicht. Zu Inhalten der Gespräche möchte ich mich jetzt auch nicht äußern, weil das interne Gespräche sind. Aber wir halten, wie gesagt, weiter an dem Projekt fest, und nach jetzigem Stand wurde uns das auch so von Northvolt widergespiegelt.

Zusatzfrage

Gibt es auch keine Verzögerung? Ich frage, weil wir diesen Fall ja bei Intel hatten, dass das Projekt zwar weiter besteht, aber dass es eine Verzögerung um zwei Jahre gibt.

Ungrad (BMWK)

Mir liegen dazu keine Informationen vor.

Frage

Die Frage geht an das Finanzministerium. Es geht um die Einnahmeseite bei Steuern in Verbindung zwischen Bund und Land. Dem Land Berlin entgehen mehrere Millionen an Steuereinnahmen, die eigentlich durch den Verkauf der restlichen Anteile des Wohnungsbauunternehmens an die Vonovia fällig gewesen wären. Vonovia benutzt ein Steuerschlupfloch, um Steuerzahlungen zu vermeiden, sogenannte Share-Deals. Die vorherige Bundesregierung hatte mit dem damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz das Projekt gehabt, dieses Steuerschlupfloch zu schließen. Es ist nicht geschlossen worden. Warum besteht weiterhin die Möglichkeit, über solche Steuerschlupflöcher eigentlich fällige Steuerzahlungen zu vermeiden?

Ernoult (BMF)

Vielen Dank für die Frage. Ich gehe gerne darauf ein. Wir kommentieren keine Berichterstattung, aber zur Grunderwerbsteuer kann ich gerne etwas ausführen.

Es ist so, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag - das ist richtig - vereinbart hat, den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer zu ermöglichen, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung sollen Steuerschlupflöcher bei den Share-Deals geschlossen werden. Dementsprechend sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Grunderwerbsteuer durchaus Handelsbedarf. Insbesondere im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen gelingt es immer wieder - auch das ist richtig -, weiterhin durch gestalterische Maßnahmen Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Es ist ein wichtiges Anliegen des BMF, Gestaltungen zu unterbinden, die das Ziel haben, durch den Anteilserwerb an Grundstücksgesellschaften - sogenannten Share-Deals, die Sie ja auch eben genannt haben - wirtschaftlich ein reales Grundstück zu erwerben.

Zur Umsetzung des Koalitionsvertrags hat das Bundesministerium der Finanzen auf Fachebene den Ländern einen Vorschlag unterbreitet, der auf Bund-Länder-Ebene geprüft wird und aktuell auch noch in Prüfung ist. Dieser Vorschlag enthält auch grundlegende Änderungen bei den Ergänzungstatbeständen hinsichtlich der sogenannten Share-Deals. Die Ertrags- und Verwaltungskompetenz bezüglich der Grunderwerbsteuer obliegt, wie Sie wissen, den Ländern. Deren Belange sind daher bei Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes besonders zu berücksichtigen. Aufgrund der daraus resultierenden erforderlichen Zustimmung der Länder im Bundesrat können Änderungen nur gemeinsam mit den Ländern umgesetzt werden.

Zusatzfrage

Vielen Dank für die ausführliche Darlegung, die aber meine Frage nicht beantwortet. - Die entgangenen Steuereinnahmen liegen in der Summe dann doch bei fast einer Milliarde Euro. Das ist für ein Land wie Berlin gigantisch viel. Noch einmal die Frage: Warum wurde, obwohl es eigentlich geplant war, dieses Share-Deal-Steuerschlupfloch nicht geschlossen? Wie ist die Haltung des Bundesfinanzministers persönlich zu diesem Steuerschlupfloch? Soll es geschlossen werden oder offen bleiben?

Ernoult (BMF)

Wie ich eben ausgeführt habe, kann eine entsprechende Änderung und Anpassung nur in Abstimmung mit und mit Zustimmung der Länder erfolgen. Das Bundesfinanzministerium hat einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Die Länder prüfen diesen gerade. Das ist der aktuelle Stand. Das ist auch das, was ich Ihnen aktuell berichten kann und was sowohl im Koalitionsvertrag als auch vom Bundesfinanzministerium bis dato vorgelegt wurde.