Stadt Eschwege

06/21/2024 | Press release | Distributed by Public on 06/21/2024 06:10

21. Juni 2024Eintrag ins Goldene Buch der Stadt

Als Ehrengast der Stadt Eschwege wurde Michelle Stein aus den USA letzte Woche von Bürgermeister Alexander Heppe willkommen geheißen und trug sich ins Goldene Buch der Stadt Eschwege ein.

Michelle Stein ist die Tochter von Ludwig (Larry) Stein (1924-2009), der als Sohn einer jüdischen Familie in Eschwege geboren wurde und nach der Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland in den USA lebte. Bekannt wurde Ludwig Stein durch die Leitung der Restaurierungsarbeiten an der "Brooklyn Bridge" und weiteren Bauwerken in New York City.

Begleitet wurde Michelle Stein von ihrem Ehemann Paul Shaviv und ihrem Cousin David Vorchheimer aus Australien. Dabei waren außerdem die Familienforscherin Ute Brandenburg, die die Familie auf ihrer Reise durch Deutschland begleitet und Edgar Ingrisch, früherer Schulleiter der Eschweger Anne-Frank-Schule. Ingrisch hatte Ludwig Stein und dessen Ehefrau Anita noch persönlich kennengelernt. So besuchte Ludwig Stein die Anne-Frank Schule noch 2006 und berichtete dort als Zeitzeuge über seine Geschichte.

Nach dem Empfang im Rathaus begleiteten Stadtarchivarin Dr. Annika Spilker und Archivmitarbeiter York-Egbert König unsere Gäste zu den Orten ihrer Familiengeschichte in Eschwege. Unter anderem ging es in die Friedrich-Wilhelm-Straße 6, wo die Familie Stein ab 1915 wohnte. Seit 2019 erinnert dort eine Gedenktafel an den berühmten Sohn der Stadt und an das Schicksal der Familie Stein.

Die Firma Max Stein, geführt von Ludwig Steins Vater, war ein in Eschwege bekanntes Fachgeschäft für die Fabrikation wasserdichter Wagenplanen, Pferdedecken und Säcke.
Unter anderem wurden auch die Zelttücher für die Johannisfestzelte in der Fabrik produziert.

Bei der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 war Ludwig Stein neun Jahre alt, 1937 wechselte er zunächst an eine Schule nach Coburg, da er in Eschwege ausgegrenzt wurde.
Nach den lebensbedrohlichen Ereignissen der Reichspogromnacht gelang der Familie Stein die Flucht aus Deutschland, zunächst nach Belgien, dann über England in die USA.

Ein weiterer Ort, den unsere Gäste besuchten, war der historische jüdische Friedhof in Eschwege neben dem heutigen Kreiskrankenhaus. Dort finden sich noch heute die Grabstätten der Großmutter von Ludwig Stein und anderer Familienangehöriger.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus hatte Ludwig Stein trotz aller schrecklichen Erfahrungen von Antisemitismus, Gewalt, Vertreibung und Flucht den Kontakt zu seiner Heimatstadt stets gehalten. Sein Schicksal und das der vielen anderen Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde, die während der nationalsozialistischen Herrschaft in den Jahren 1933-1945 gedemütigt, entrechtet, vertrieben, verschleppt und ermordet wurden, darf nicht vergessen werden.