German Federal Government

09/06/2024 | Press release | Archived content

Regierungspressekonferenz vom 6. September 2024


Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Stratmann (BMAS)
  • Einhorn (BMWK)
  • Schulz (BMEL)
  • Kall (BMI)
  • Beckfeld (BMJ)
  • Collatz (BMVg)
  • Druckenthaner (BMDV)
  • Kübler (BMUV)
  • Deschauer (AA)

(Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

StS Hebestreit

Wie üblich, am Freitag der Überblick über die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche. Die beginnt am Montag und Dienstag mit gleich zwei Treffen des Bundeskanzlers mit Diplomatinnen und Diplomaten.

Am Montagmittag empfängt er im Kanzleramt die deutschen Botschafterinnen und Botschafter, die sich im Rahmen der jährlichen Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes in Berlin aufhalten werden.

Am Dienstagnachmittag wird der Bundeskanzler dann das Diplomatische Corps - sofern das Wetter es zulässt - auf Schloss Meseberg begrüßen. Bei der Begrüßung dort ist ein Bildtermin vorgesehen. Als Dienstleistung: Was ist das Diplomatische Corps? Dazu gehören die Botschafterinnen und Botschafter der in Deutschland akkreditierten Staaten sowie die Leiterinnen und Leiter einiger in Deutschland ansässiger internationaler Organisationen. Einmal im Jahr gibt es einen solchen Empfang des Bundeskanzlers.

Am Dienstag, den 10. September, um 10 Uhr wird der Bundeskanzler an einer Sonderveranstaltung zum 75. Jahrestag der konstituierenden Sitzung des ersten Deutschen Bundestages teilnehmen. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung wird die Würdigung dieses historischen Datums stehen. Der 7. September 1949 markiert den Neubeginn Deutschlands als parlamentarische Demokratie - allerdings in einem damals noch geteilten Land.

Ebenfalls am Dienstag - nach dem eben erwähnten Treffen auf Schloss Meseberg mit dem Diplomatischen Corps - ist der Bundeskanzler dann ab 17 Uhr Ehrengast auf dem Jahresempfang des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel. Die Veranstaltung findet im Café Moskau in Berlin statt. Der Bundeskanzler wird dort eine Rede halten. Im Jubiläumsjahr von 75 Jahren Grundgesetz feiern wir ein weiteres wichtiges Datum, nämlich: Seit 30 Jahren steht in unserer Verfassung: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Darauf und auf die inklusionspolitischen Schwerpunkte der Bundesregierung wird der Kanzler in seiner Rede eingehen.

Am Dienstagabend schließlich, um 18 Uhr, wird der Kanzler dann am St. Michael-Jahresempfang der katholischen Kirche in Deutschland teilnehmen. Der St. Michael-Jahresempfang findet auf Einladung des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, in Berlin statt. Die Festansprache hält der Großerzbischof der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Sviatoslav Shevchuk. Als Gäste werden Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften erwartet.

Am Mittwoch, 11. September, findet keine Kabinettssitzung statt; denn wir befinden uns in der Haushaltswoche des Deutschen Bundestages. Im Rahmen der Haushaltswoche findet am Mittwoch die Generaldebatte statt, an der Bundeskanzler Scholz ab 9 Uhr im Bundestag teilnehmen und bei der er natürlich eine Grundsatzrede halten wird. Die Regierungspressekonferenz beginnt, weil es keine Kabinettssitzung gibt, schon um 11.30 Uhr; das als kleiner Hinweis.

Am Donnerstag, 12. September, wird der Bundeskanzler ab 11 Uhr am Jahreskongress des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) im nhow-Hotel Berlin teilnehmen. Der Kongress widmet sich in diesem Jahr dem Thema "Freie Presse, starke Demokratie - in guter Verfassung?". Dazu wird der Kanzler anlässlich des 70. Gründungsjubiläums des Verbandes einen Impulsvortrag halten. Der Termin ist selbstverständlich presseöffentlich.

Weiterhin wird der Bundeskanzler am Donnerstag gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister am Chemie- und Pharma-Summit teilnehmen. Es handelt sich dabei um den Verbandstag der Chemischen Industrie, kurz VCI. Er wird im dbb-Forum in der Friedrichstraße ausgerichtet. Der Kanzler hält dort um 12.30 Uhr die Eröffnungsrede. Sie kann im Livestream auf der VCI-Website verfolgt werden.

Die chemische Industrie ist - das wissen Sie - eine der wichtigsten Branchen der deutschen Volkswirtschaft. Sie ist Basis vieler industrieller Wertschöpfungsketten, Impulsgeberin für Innovationen und essenziell für eine erfolgreiche Transformation unserer gesamten Industrie. Die Bundesregierung unterstützt die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie mit allen Kräften.

Deutschland ist ein erfolgreiches Industrieland und auf dem Weg zur Klimaneutralität. Unser Land hat Wachstumsperspektiven und ist weiterhin attraktiv für weltweit tätige Unternehmen. Wir sehen, dass gerade auch große Pharma- und Biotechunternehmen in Deutschland investieren wie seit Langem nicht.

Anschließend, am Donnerstagnachmittag, lädt der Bundeskanzler gemeinsam mit dem Präsidenten Namibias, Nangolo Mbumba, zu einem Vorbereitungsgipfel für den VN-Zukunftsgipfel ein. Auch VN-Generalsekretär Antonio Guterres wird daran teilnehmen und sprechen. Das Ganze findet als Videoschalte statt, die live über die Internetseite der Vereinten Nationen übertragen wird. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs werden in diesem Format Statements abgeben. Die Videokonferenz dient zur Vorbereitung des VN-Zukunftsgipfels Summit of the Future, der am 22. und 23. September 2024 in New York stattfinden wird. Der Summit of the Future ist der wichtigste multilaterale Prozess der Vereinten Nationen in diesem Jahr. Erstmals seit dem World Summit im Jahr 2005 werden bei einem VN-Gipfel Themen aus den drei Säulen der VN, nämlich Entwicklung, Frieden und Sicherheit sowie Menschenrechte, gemeinsam be- und verhandelt.

Am Freitag, den 13. September, wird Bundeskanzler Scholz um 13.15 Uhr den Präsidenten Kenias, William Ruto, im Bundeskanzleramt begrüßen. Der Präsident ist in Berlin anlässlich des Bürgerfests des Bundespräsidenten, bei dem Kenia in diesem Land Gastland sein wird. Im Mittelpunkt der Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und Staatspräsident Ruto stehen sowohl bilaterale Themen wie Migrationspolitik oder die Zusammenarbeit in Klima- und Entwicklungsfragen sowie die politischen und wirtschaftlichen Lagen in Kenia und Deutschland. Natürlich werden sie auch über regionalpolitische Fragen diskutieren. Wir schätzen Kenias Beitrag zur Stabilisierung der verschiedenen Konflikte in der Region. Im Anschluss ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Eine ergänzende Information: Anlässlich des Besuchs ist auch vorgesehen, ein Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Kenia zu unterzeichnen. Darin geht es darum, die Fachkräfteeinwanderung zu erleichtern und die Zusammenarbeit bei Rückführungen für ausreisepflichtige Menschen ebenfalls zu regeln.

Am Sonntag, 15. September, bricht Bundeskanzler Scholz dann nach Usbekistan und Kasachstan auf. Er wird sich bis 17. September dort aufhalten. Es ist die erste Reise des Bundeskanzlers nach Zentralasien.

Usbekistan und Kasachstan sind für uns Schlüsselländer und enge Partner - wegen ihrer geostrategischen Lage zwischen Russland und China und weil wir eine Vertiefung unserer Kooperationen mit ihnen anstreben, vor allem in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Energie, Konnektivität und Rohstoffen. Darüber hinaus werden selbstverständlich bilaterale und außenpolitische Themen im Mittelpunkt stehen.

In Kasachstan nimmt der Bundeskanzler auch an dem sogenannten Z5+1-Gipfel der zentralasiatischen Länder mit Deutschland teil. Zu den Z5-Ländern gehören neben Usbekistan und Kasachstan auch Tadschikistan, Kirgisistan und Turkmenistan.

Sie haben das sicherlich nicht vergessen: Im vergangenen Jahr, am 29. September, hat bereits einmal ein solches Treffen stattgefunden, und zwar in Berlin. Das ist jetzt das erste Treffen seiner Art mit einem EU-Mitgliedstaat auf Chefebene mit den Ländern Zentralasiens.

Der Bundeskanzler hält es für an der Zeit, die Zusammenarbeit mit den Staaten dieser Region zu verstetigen und auszubauen sowie regionale Kooperationen zu fördern. Zu diesem Zweck wurde beim ersten Z5+1-Treffen im vergangenen Herbst in Berlin eine strategische Regionalpartnerschaft geschlossen. Die bevorstehende Reise dient auch dazu, diese Regionalpartnerschaft jetzt mit Leben zu füllen. Die Stärkung der regionalen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird bei dem Treffen daher sicherlich im Mittelpunkt stehen. Deshalb wird auch eine Wirtschaftsdelegation den Bundeskanzler auf seiner Reise begleiten und vor Ort Gespräche führen.

Noch ein Servicehinweis: Für den 12. September um 17.15 Uhr ist für diese Reise ein Pressebriefing geplant. Daran teilnehmen werden Staatssekretär Jörg Kukies, der außen- und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers, Jens Plötner, sowie ich. Aufgrund der Organisation wird es ausnahmsweise im Bundeskanzleramt stattfinden und nicht in den schönen Räumen, die wir sonst gerne dafür nutzen.

So weit der Überblick über die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche.

Frage

Ich habe eine kurze Frage, Stichwort "Usbekistan". Herr Hebestreit, Sie haben jetzt Wirtschaft, Technologie und andere Themen genannt. Das Stichwort "Migration" fiel nicht. Dabei ist ja bekannt, dass es Gespräche und Verhandlungen über Abschiebungen nach Afghanistan mit Usbekistan gab. Wird auch das Thema vor Ort sein?

StS Hebestreit

Ich gehe davon aus, dass auch das Thema Migration eine Rolle spielen kann. Aber dazu würde ich auf das Briefing am 12. September verweisen. Da kann ich das womöglich mit etwas größerem Gehalt mitteilen.

Stratmann (BMAS)

Ich habe eine Reiseankündigung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wird in der kommenden Woche am Mittwoch nach Cagliari auf Sardinien reisen, um am G7-Gipfel der Arbeitsministerinnen und Arbeitsminister teilzunehmen. Der Gipfel dauert drei Tage bis zum 14. September. Im Mittelpunkt des Treffens stehen unter anderem der verantwortungsvolle Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt und die Gestaltung von Arbeitsmärkten in alternden Gesellschaften. Minister Heil wird sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen über gemeinsame Lösungen austauschen. Ziel ist, durch internationale Zusammenarbeit widerstandsfähige und sozial gerechte Arbeitsmärkte zu fördern.

Einhorn (BMWK)

Der Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck reist von heute Nachmittag bis Sonntagabend nach Thessaloniki in Griechenland.

Morgen, am 7. September, nimmt Minister Habeck an der Eröffnung der diesjährigen Thessaloniki International Fair teil, an der sich Deutschland auf Einladung der griechischen Regierung als Partnerland beteiligt. Dort wird der Minister gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis die deutsche Partnerlandhalle eröffnen. Im Rahmen des Messebesuchs wird Minister Habeck einige der über 100 deutschen Aussteller besuchen. Es handelt sich hier um das größte deutsche Messeengagement von deutschen Unternehmen im Ausland seit 25 Jahren.

Darüber hinaus wird der Minister bilaterale Gespräche mit Vertretern der griechischen Regierung führen, insbesondere mit dem griechischen Ministerpräsidenten, dem Minister für Entwicklung und Wirtschaft Theodorikakos, Außenminister Gerapetritis sowie dem Minister für Umwelt und Energie Skylakakis. Im Fokus der bilateralen Gespräche werden neben wirtschaftspolitischen auch geopolitische sowie energie- und klimapolitische Themen stehen.

Am Sonntag, den 8. September, wird Bundesminister Habeck gemeinsam mit seinem Amtskollegen Skylakakis den zweiten MENA Europe Future Energy Dialogue in Thessaloniki ausrichten. Ziel dieses Dialoges ist, die Energiekooperation zwischen der MENA-Region und Europa zu vertiefen. Dies ist auch die Botschaft der Thessaloniki Declaration, die die beiden Minister vereinbart haben.

Schulz (BMEL)

Auch der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, wird heute nach Thessaloniki reisen und morgen dann gemeinsam mit dem Vizekanzler, wie gerade erwähnt, die deutsche Gastlandhalle auf der TIF eröffnen. Die deutsche Präsentation ist, wie schon erwähnt, der größte deutsche Auslandsmesseauftritt, den BMEL und BMWK gemeinsam betreiben. Daher sind auch beide zuständige Minister als Vertretung der Bundesregierung vor Ort. Die Beteiligung an Messen und Ausstellungen im Ausland ist für uns eines der wichtigsten und effektivsten Instrumente des Exportmarketings der deutschen Wirtschaft. Das Auslandsmesseprogramm unterstützt insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, um auf neuen Märkten Fuß zu fassen.

Minister Özdemir wird sich zudem mit seinem griechischen Amtskollegen Tsiaras treffen. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs am Rande des TIF stehen unter anderem aktuelle agrarpolitische Themen auf EU-Ebene.

So weit von mir.

Frage

Ich habe eine Frage an das BMI. Wenn man auf die aktuelle Lage schaut und die Migrationszahlen usw. einbezieht, könnten dann überhaupt die Voraussetzungen nach dem berühmten Artikel 72 gegeben sein, um Zurückweisungen an der Grenze vorzunehmen?

Kall (BMI)

Die Bundesinnenministerin saß ja gestern hier in der Bundespressekonferenz zu einem anderen Thema, nämlich zur Vorstellung des Lagebilds Organisierte Kriminalität. Sie ist aber auch danach gefragt worden, auch zu Themen, die jetzt diskutiert werden in dem Kreis, der sich am Dienstag zum ersten Mal getroffen hat, mit der CDU/CSU als größter Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag, den Ländern im MPK-Vorsitz und der Bundesregierung. Die haben verschiedene Fragen vertraulich und sehr konstruktiv beraten, die möglicherweise auch weiter beraten werden können. Deswegen werde ich mich weiter daran halten und hält sich die Bundesregierung insgesamt daran, es bei diesen vertraulichen Beratungen zu lassen. Nur so gibt es eine Grundlage dafür, bestimmte Themen weiter besprechen zu können.

Das Ziel ist ganz klar, die irreguläre Migration noch weiter zurückzudrängen. Da gibt es Erfolge durch die starken Maßnahmen, die ja laufen, durch Binnengrenzkontrollen an vier Grenzen, an den östlichen und südlichen Grenzen, entlang der Migrationsrouten, entlang der Schleuserrouten. Es gibt auch Zurückweisungen, nämlich über 30 000 seit Oktober letzten Jahres, durch die Binnengrenzkontrollen. Solche Maßnahmen finden statt. Es wird die Frage diskutiert, wie man noch darüber hinausgehen kann.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat heute aktuelle Asylzahlen veröffentlicht. Die Asylzahlen liegen weiterhin gut 20 Prozent unter denen des Vorjahres. Sie wissen, dass die Rückführungszahlen 20 Prozent über denen des Vorjahres liegen. Das heißt, die irreguläre Migration wird wirksam begrenzt. Der Wille ist ganz klar, diesen Kurs mit starken Maßnahmen fortzusetzen. Dafür werden verschiedene Lösungen beraten. Aber ich werde da weiterhin heute nicht ins Detail gehen können.

Europarechtlich - danach haben Sie mich ja gefragt - ist für uns weiterhin das Gemeinsame Europäische Asylsystem ganz zentral. Es ist ein großer Erfolg, dass es nach zehnjährigen Verhandlungen eine Einigung darauf gab. Sie wissen, dass Teil des Sicherheitspakets der Bundesregierung das klare Commitment ist, noch in diesem Jahr all das vorzulegen, was sozusagen an Umsetzung im nationalen Recht nötig ist, an Anpassung des nationalen Rechts in Deutschland, um das Gemeinsame Europäische Asylsystem so schnell wie möglich umzusetzen. Das bringt mehr Kontrolle, eine Registrierung an den Außengrenzen, Außengrenzverfahren bei Menschen mit einer geringen Schutzquote und des Weiteren Schlüssel zur Begrenzung der irregulären Migration. Das alles ist unser Hauptaugenmerk, gerade natürlich die Umsetzung des Sicherheitspakets insgesamt, auch mit den migrationspolitischen Maßnahmen, die darin enthalten sind, insbesondere um auch im Dublin-System zu schnelleren Rückführungen in die zuständigen Mitgliedstaaten zu kommen. Dafür gibt es eine Taskforce. Die Rechtsänderungen, die darin sind, und das Sicherheitspaket sollen in allernächster Zeit als Gesetzentwürfe vorgelegt werden, um dann im Bundestag zügig beraten werden zu können.

Zusatzfrage

Trotz aller Vertraulichkeit der Versuch einer Nachfrage: Welche anderen Wege an diesem Artikel 72 vorbei könnte es möglicherweise noch geben, um Zurückweisungen vorzunehmen, auch dann, wenn sich jemand als Schutzsuchender zu erkennen gibt?

Kall (BMI)

Dazu gibt es, glaube ich, interessante Diskussionen unter Juristinnen und Juristen. Was dann intern beraten und diskutiert wird, welche möglichen Wege, welche möglichen Optionen, dazu kann ich hier heute nichts sagen.

Frage

Herr Kall, es gibt nicht nur interessante Diskussionen unter Juristen, sondern auch ein interessantes Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das Ihnen bekannt ist, vor ziemlich genau einem Jahr erlassen. Der EuGH hat festgestellt, dass an EU-Binnengrenzen direkte Zurückweisungen systematisch rechtswidrig wären. Sie dürfen nicht sein. Wie geht Ihr Haus - Rechtstreue natürlich immer vorausgesetzt - mit diesem sehr eindeutigen Urteil um?

Kall (BMI)

Nochmals: Zurückweisungen finden rechtskonform statt. Die Voraussetzungen dafür sind gesetzlich geregelt. Ich habe gesagt: über 30 000 durch die Binnengrenzkontrollen seit Oktober 2023. Das betrifft nicht Asylfälle, sondern andere Fälle, Einreisesperren, bestimmte andere Fallkonstellationen, die gesetzlich genau geregelt sind. In diesen Fällen gibt es auch Zurückweisungen. Es gibt gesetzliche Voraussetzungen, sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht. Im Detail ist das alles hochkomplex. Selbstverständlich handelt Deutschland, handelt die Bundesregierung in allem, was sie tut, im Einklang mit dem europäischen und dem nationalen Recht.

Zusatzfrage

Dann erklären Sie es bitte einem Nichtjuristen: Wie kann ein Urteil, das sagt, eine Zurückweisung an Binnengrenzen sei systematisch grundsätzlich rechtswidrig, dann dennoch mit dem Instrument der Zurückweisung an Binnengrenzen arbeiten? Wie geht das?

Kall (BMI)

Das stimmt einfach in der Undifferenziertheit nicht. Man muss sich ganz genau die Fallkonstellationen, die Personenkreise und die Voraussetzungen anschauen. Insofern sind das komplexe Fragen. Über das, was gerade beraten wird, werden wir weiter Stillschweigen wahren, weil nur das Möglichkeiten eröffnet, vertraulich miteinander zu beraten.

Frage

Ich versuche es einmal beim Bundesjustizministerium. Mir geht es speziell um die Asylsuchenden. Wie ist die Einschätzung dazu? Es ist eben schon gesagt worden, das wird juristisch unterschiedlich bewertet. Wie ist die Einschätzung des Bundesjustizministeriums zu Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen?

Beckfeld (BMJ)

Der Justizminister hat sich gestern beim IHK-Wirtschaftsforum zu der Frage von Zurückweisungen an Grenzen geäußert. Ich kann gerne wiederholen, was er da gesagt hat. Er hat gesagt: Die Innenministerin und ich wollen dazu einen Vorschlag machen. Mein Wunsch ist es, dass wir das politisch hinbekommen, aber natürlich nur im Rahmen des geltenden Rechts. - Darüber hinaus kann ich hier nichts mitteilen, auch nicht über das hinaus, was Herr Kall gerade schon gesagt hat.

Zusatzfrage

Müsste aus Ihrer Sicht ein Gesetz geändert werden, oder wird das eine Sache exekutiven Handelns?

Beckfeld (BMJ)

Auch da gilt das, was Herr Kall gesagt hat: Die Beratungen sind vertraulich. Derzeit wird darüber beraten, welche Maßnahmen hier möglich sind. Mehr kann auch ich an dieser Stelle nicht dazu sagen.

Frage

Zu dem möglichen Treffen am Dienstag kommender Woche - Sie selbst haben es angesprochen -: Was ist denn da der Stand, beziehungsweise wann soll feststehen, ob es dieses Treffen geben wird?

Kall (BMI)

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das gerade angesprochen hätte. Es ist Teil der weiteren Beratung, ob und wann es ein weiteres Treffen gibt. Ich kann da keine Planungen nennen.

Zusatzfrage Ecktein

Vielleicht nur zur Klarstellung: Den Dienstag hatte Herr Merz ja mehrfach öffentlich quasi als Deadline gesetzt.

Dann noch eine Nachfrage an Herrn Hebestreit, Stichwort "Zurückweisung". Man hat ein bisschen das Gefühl, dass die Bundesregierung ihre Position geändert hat. Bis vor einigen Wochen wirkte es noch mehr oder weniger wie Common Sense, was rechtlich möglich und was nicht möglich ist. Jetzt verstehe ich das so, dass neue Möglichkeiten ausgelotet werden. Beispielsweise auch im Gesamtzusammenhang Europäische Union: Führen Sie da Gespräche? Weisen Sie Nachbarstaaten wie beispielsweise Frankreich darauf hin, dass Deutschland hierzu grundsätzlich seine Position ändern wird? Welche Bedenken haben Sie da möglicherweise auch?

StS Hebestreit

Ich bin ein bisschen irritiert, weil Sie sicherlich genau gehört haben, was Herr Kall eben und auch schon vergangenen Mittwoch gesagt hat. Es finden bereits Zurückweisungen an der deutschen Grenze statt. Seit Oktober sind es etwa 30 000 gewesen. Das ist nicht etwas ganz Neues, was wir jetzt prüfen. Das, was in den Diskussionen, die auch mit der größten Oppositionspartei in dieser Woche begonnen worden sind, besprochen wurde, ist, ob wir das, was wir tun, noch nachschärfen können. Dazu findet jetzt eine Prüfung statt. Ich weiß, es ist zu Ihrer Frustration, dass wir das nicht transparent und nicht öffentlich machen und dass nicht jeder vorher seine eigene Position markiert. Das gehört in den vertraulichen Rahmen, in dem auch gute Regierungsarbeit entstehen kann. Diese Prüfung gilt es jetzt abzuwarten.

Es gilt, alle Elemente zu erwägen, die dazu vorgebracht werden können. Wir haben auf die juristischen Auseinandersetzungen und die Diskussionen dort verwiesen. Es gilt, auch andere Dinge zu beachten. Das wird jetzt unter hohem Druck und mit hoher Geschwindigkeit, aber eben auch vertraulich geprüft. Dann muss man sehen, was gemeinsam möglich ist. Darauf hat man sich am Dienstag dieser Woche im Bundesministerium des Inneren mit den dort Versammelten verständigt. Jetzt muss man sehen, wie schnell die Prüfung abgeschlossen sein wird, welches Ergebnis sie zeitigt und ob man dann zu weiteren Gesprächen zusammenkommen kann. Das ist jetzt der Prozess, den wir alle abwarten - mit einer gewissen Spannung selbstverständlich. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.

Frage

Auch noch zum Verständnis, Herr Kall - ich habe es nicht ganz verstanden -, zu dem besagten EuGH-Urteil, dass Zurückweisungen von Drittstaatsangehörigen an EU-Binnengrenzen rechtswidrig sind. Daran hält sich die Bundesregierung, korrekt?

Kall (BMI)

Nochmals: Ich gehe heute nicht ins Detail. Es gibt auch nicht nur ein EuGH-Urteil, sondern eine ganze Entwicklung von Rechtsprechung. Da muss man die Personenkreise differenzieren. Wie gesagt: In Asylfällen finden aktuell keine Zurückweisungen statt. Das betrifft andere Fälle, aber eine durchaus große Zahl, die Herr Hebestreit gerade noch einmal genannt hat. Insofern sind da viel Differenziertheit und ein genauer Blick nötig. Dazu gibt es juristische Diskussionen. Näher können wir uns während einer laufenden Beratung nicht zu möglichen Positionen beziehungsweise Optionen äußern.

Zusatzfrage

Man kann ja über nichts beraten, was aus Sicht des EuGH illegal wäre, was gegen europäisches Recht verstößt. Warum können Sie nicht klar sagen, dass man sich natürlich an dieses EuGH-Urteil hält?

Kall (BMI)

Ich habe doch gerade schon in meiner letzten Antwort gesagt: Selbstverständlich handelt die Bundesregierung bei allem, was sie tut, im Einklang mit nationalem und europäischem Recht. Das ist doch ganz klar. Das gibt den Rahmen vor. Deswegen: Alle Optionen, die geprüft werden, müssen sich natürlich im Rahmen des europäischen Rechts bewegen. Das ist doch völlig klar.

Frage

In diesem Zusammenhang: Plant die Bundesregierung eine Verlängerung oder Ausweitung der Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen, an den EU-Binnengrenzen, an denen Zurückweisungen stattfinden? Werden die Grenzkontrollen über die jetzigen Fristen hinaus verlängert und auf andere Grenzen ausgeweitet?

Kall (BMI)

Die Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz laufen bis Mitte November beziehungsweise bis Mitte Dezember, so die aktuelle Anordnung der Binnengrenzkontrollen. Die Bundesinnenministerin hat schon deutlich gemacht, zuletzt bei einem Besuch an der Grenze in Görlitz vor zwei oder drei Wochen, dass die Binnengrenzkontrollen weiter erforderlich sein werden.

Wir haben ganz erhebliche Erfolge, insbesondere was Festnahmen von Schleusern angeht, durch die Durchkreuzung von Schleusungsrouten. Es gab 1350 Festnahmen von Schleusern bei den Binnengrenzkontrollen seit Oktober letzten Jahres.

Die Binnengrenzkontrollen werden voraussichtlich weiter erforderlich sein, solange es den deutlich verstärkten Außengrenzschutz durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem noch nicht gibt. Deswegen auch die Konzentration darauf, das so schnell wie möglich umzusetzen und auch in Europa dafür zu sorgen, dass der Außengrenzschutz, die Grenzverfahren so schnell wie möglich eingeführt werden. Wie gesagt: Die Binnengrenzkontrollen werden voraussichtlich auch über den Dezember hinaus erforderlich sein.

Zusatzfrage

Werden Sie auf andere Länder ausgeweitet?

Kall (BMI)

Ich habe mich jetzt zu den vier Staaten geäußert. Das ist immer von aktuellen Notwendigkeiten, von der aktuellen Entwicklung abhängig und wird, so wie der Schengener Grenzkodex, also die europäische Grundlage dafür, das vorsieht, für bestimmte Zeiträume angeordnet beziehungsweise verlängert. Ich meine, das ist jetzt an diesen Grenzen um sechs Monate verlängert worden. Das wird die Bundesinnenministerin im Rahmen der Bundesregierung immer entscheiden, so wie die Lage das erfordert. Das heißt, aktuell für diese vier Grenzen. Aber das schließt weitere Maßnahmen nicht aus, die wir auch anlassabhängig zuletzt zu den Olympischen Spielen und davor zur Europameisterschaft getroffen haben.

Frage

Können Sie zu den 1350 Festnahmen noch ein bisschen genauer sagen, wie viele davon Fahrer sind? Denn nach Angaben der Bundespolizei erwischt man nur wenige Hintermänner, sondern eher die Fahrer, die rechtlich Schleuser sind, aber zerstört womöglich doch nicht die Strukturen, die man eigentlich zerstören möchte. Kann man das differenzieren?

Kall (BMI)

Natürlich geht es auch darum, über diejenigen, die man erwischt, an die Hintermänner und durch die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen - beispielsweise die Handys, die man dabei beschlagnahmt usw. - auch an die Strukturen heranzukommen und sie zu zerschlagen. Ich glaube, die Bundespolizei hat erst diese Woche in einem großen Komplex zugeschlagen und eine ganze Gruppe ausgehoben, wobei es auch Festnahmen gab. Die Bundespolizei hat darüber informiert. Insofern gibt es auf beiden Ebenen Erfolge. Es geht natürlich darum, die Strukturen zu zerschlagen. Das war auch gestern Thema. Das ist ein Bereich der organisierten Kriminalität. Die Schleusungskriminalität war auch gestern hier Thema.

Frage

Ich habe eine Frage an das BMI zu dem vereitelten Anschlag in München. Der Terrorexperte Peter Neumann fordert eine europäische Gefährderdatei. Er sagt, die deutschen Behörden müssten wissen, wenn Gefährder in Österreich oder einem anderen europäischen Land registriert seien.

Ist dazu etwas in Arbeit? Halten Sie eine europäische Gefährderdatei für wichtig? Gibt es Planungen dafür?

Kall (BMI)

Dazu kann ich gern etwas sagen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes tauschen sich mit ihren europäischen Partnern natürlich sehr eng aus. Das gilt insbesondere für das Bundeskriminalamt, aber auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verbindungsbeamte in sehr vielen anderen Staaten haben, um direkte Kontakte zu pflegen, und zwischen den jeweiligen ermittelnden Einheiten sehr eng kooperieren. Dabei tauscht man sich natürlich über Gefährdungssachverhalte aus. Die Verhinderung vieler Anschläge beruhte ja gerade auch auf dem internationalen Informationsaustausch, darauf, dass verschiedene Nachrichtendienste, verschiedene Ermittlungsbehörden in Europa und auch gerade transatlantisch dabei sehr eng zusammenarbeiten. Insofern gibt es diese enge europäische Zusammenarbeit. Natürlich gibt es auch viele europäische Systeme, insbesondere Fahndungssysteme, über die man sich über Gefährder, Straftäter und Menschen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, austauscht und gemeinsamen Zugriff darauf hat, insbesondere auch im Rahmen von Europol als der europäischen Polizeibehörde, die die Informationssysteme koordiniert und bei der Wege zusammenlaufen. Insofern vielleicht die Bitte, sich auch an die Europäische Kommission, an Europol zu wenden, die das sehen. Sehr Vieles ist unter dem Stichwort der Interoperabilität und europäischer Informationssysteme zusammengeführt worden, damit man schnellen Zugriff darauf hat. Das ist für die deutschen Sicherheitsbehörden ein ganz wesentlicher Teil der Ermittlungen.

Sie wissen, dass die Bundesinnenministerin mit dem Bundesjustizminister gerade erst im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum hier in Berlin war, Anfang der vergangenen Woche, glaube ich, und sich dort im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum noch einmal ein genaues Lagebild insbesondere über die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus verschafft hat. Auch da laufen die Fäden sowohl national als auch international zusammen.

Zu der Tat in München möchte ich noch einmal sagen, dass die schnelle und entschlossene Reaktion der Münchner Polizei eine terroristische Gewalttat - davon müssen wir ausgehen, davon gehen auch die Ermittlungen aus; das haben auch die Münchner Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft gesagt - dort am israelischen Generalkonsulat verhindert hat. Die Bundesinnenministerin hat gestern mit dem israelischen Botschafter natürlich auch noch einmal über den Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen gesprochen. Das hat für die deutschen Sicherheitsbehörden höchste Priorität. Gestern hat man, so hat sie sich gestern ausgedrückt, gesehen, wie lebenswichtig dieser Schutz, die Tatsache, dass solche Einrichtungen geschützt werden, ist und wie wichtig die entschlossene Reaktion der Münchner Polizei war.

Zusatzfrage

Verstehe ich Sie richtig, dass es schon eine Art europäischer Gefährderdatei gibt, oder wie ist das zu verstehen? Sehen Sie dabei also keinen Verbesserungsbedarf?

Kall (BMI)

Es gibt laufend Bedarf und laufend auch die Arbeit daran, die Informationssysteme weiter zu verbessern und Informationen bestmöglich auszutauschen. Aber wahrscheinlich ist es wenig sinnvoll, immer neue Begriffe in den Raum zu werfen, weil es, was sowohl Europol, als auch die europäischen Informationsfahndungssysteme angeht, diverse Wege gibt. Wie zentral dieser Informationsaustausch ist, habe ich ja beschrieben.

Frage

Herr Kall, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie davon ausgehen, dass die deutsche Variante der Interpretation des Wortes "Gefährder" bereits jetzt ausreichend Niederschlag in den einschlägigen europäischen Datenbanken bei Europol oder im SIS oder Ähnlichem gefunden hat?

Kall (BMI)

Ich habe gesagt, es gibt laufend den Bedarf, solche Informationen bestmöglich auszutauschen, deswegen auch laufend Arbeit daran. Deswegen auch der Hinweis auf das, was die Kommission, was Europol tut. Deutschland setzt sich für einen bestmöglichen Informationsaustausch ein, weil es gerade für die Verhinderung solcher terroristischen Taten entscheidend darauf ankommt, dass man frühzeitig Informationen hat, auch von ausländischen Partnern oder von uns aus an ausländische Partner, auf dem Weg natürlich genauso, um solche Taten verhindern zu können.

Zusatz

Heißt das, dass Sie dort momentan keinen akuten Handlungsbedarf in irgendeiner Form sehen?

Kall (BMI)

Wir sehen natürlich bei der Bekämpfung insbesondere des islamistischen Terrorismus akuten Handlungsbedarf. Deswegen auch ein so umfassendes Sicherheitspaket, das jetzt schnellstmöglich im Bundestag beraten werden soll. Deswegen so starke Ressourcen der Sicherheitsbehörden, die in den Kampf gegen islamistischen Terrorismus gehen. Und zum Informationsaustausch habe ich mich jetzt, glaube ich, mehrfach geäußert.

Frage

Herr Kall, wenn der Informationsaustausch zwischen den europäischen Sicherheitsbehörden schon so wunderbar läuft, wie Sie es gerade dargestellt haben, wie kann es dann sein, dass die österreichischen Sicherheitsbehörden von diesem Mann wussten und ihn als gefährlich einstuften, während die Deutschen überhaupt nichts von ihm wussten?

Kall (BMI)

Das alles, was wer wann über den Täter wusste, müssen die Ermittlungen ergeben. Die Bundesinnenministerin hat gestern mit dem österreichischen Innenminister telefoniert und darüber gesprochen. Aber Sie wissen, dass ich aus solchen Gesprächen nicht berichten kann. Es ist Sache der Generalstaatsanwaltschaft in München, Näheres über die Ermittlungen, über den Täter und über dessen Hintergrund zu sagen.

Natürlich findet Austausch über Gefährdungssachverhalte statt. Das hat auch schon dazu geführt, dass diverse Anschläge verhindert werden konnten. Zu dem aktuellen Fall müssen sich die Ermittlungsbehörden äußern.

Zusatzfrage

Möchten Sie dementieren, dass die deutschen Behörden von den österreichischen nicht informiert wurden?

Kall (BMI)

Zu den Ermittlungen und konkreten Erkenntnissen, was diesen Fall angeht, müssen sich die Ermittlungsbehörden äußern. Insofern kann ich darüber hinaus nichts weiter sagen.

Zusatzfrage

Bleiben Sie dabei, dass im Informationsaustausch alles wunderbar läuft?

Kall (BMI)

Das habe ich doch nicht gesagt! Sie legen mir hier permanent Wörter in den Mund, und zwar in Fällen, bei denen das wirklich nicht angemessen ist, bei einem verhinderten Terroranschlag. Soweit ich hier Auskunft geben kann, tue ich das. In laufenden Ermittlungen ist es Sache der Ermittlungsbehörden, sich näher zu äußern.

Frage

Der Münchner OB Reiter hat die Bundesregierung aufgefordert, mehr zur Vorbeugung gegen Verbrechen dieser Art zu tun. Unter anderem hat er das Thema der Vorratsdatenspeicherung genannt. Darüber gibt es ja Differenzen zwischen Ihnen und dem Bundesjustizministerium. Sehen Sie dabei trotzdem Bewegungspotenzial?

Kall (BMI)

Die Positionen sind bekannt. Die Bundesinnenministerin, alle 16 Landesinnenminister, alle Innenminister der Europäischen Union sowie inzwischen auch der Europäische Gerichtshof - das wird in seinen jüngsten Entscheidungen ganz klar - halten es für erforderlich, dass man IP-Adressen für kurze Zeit speichert, insbesondere im Bereich der Bekämpfung des Terrorismus, des islamistischen Terrorismus und anderer Terrorismussachverhalte sowie im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder. Insofern sind die Positionen diesbezüglich, denke ich, ganz klar.

Zusatzfrage

Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet.

Vielleicht auch an das BMJ: Warum bewegen Sie sich in dieser Frage nicht?

Beckfeld (BMJ)

Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag der anlasslosen Speicherung von Verkehrsdaten eine Absage erteilt. In Umsetzung dieser Vereinbarung hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf zum sogenannten Quick-Freeze-Verfahren erarbeitet. Aus Sicht des Ministeriums besteht derzeit kein Anlass, an diesen Vereinbarungen und der getroffenen Abrede zum Quick-Freeze-Verfahren etwas zu verändern.

Zusatzfrage

Was heißt das auf Deutsch? Was heißt das unterm Strich? Kommt die Vorratsdatenspeicherung oder nicht?

Beckfeld (BMJ)

Das heißt das, was ich gesagt habe. Wir haben einen Gesetzentwurf zum sogenannten Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt. Darauf hat sich die Bundesregierung verständigt.

Kall (BMI)

Ich denke, man muss noch einmal sagen, die Positionen in dem Thema sind bekannt. Was, glaube ich, trotzdem wichtig ist, ist, dass sich die Bundesregierung auf ein sehr umfassendes Sicherheitspaket geeinigt hat, auch auf Befugnisse etwa zur Gesichtserkennung, also auf noch einmal weitreichende neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Das ist das, was wir jetzt gerade umsetzen, und das stärkt die Sicherheitsbehörden.

Frage

Herr Hebestreit, es soll ein Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und Herrn Selenskyj geben. Könnten Sie dazu etwas sagen? Wird beispielsweise auch das Thema finanzieller Hilfen aus dem Bundeshaushalt für die Ukraine oder das Thema weiterer Waffenlieferung dabei eine Rolle spielen? Was wird Thema bei den Gesprächen sein?

StS Hebestreit

Ich kann dem Gespräch, das am heutigen frühen Nachmittag stattfinden wird, natürlich nicht sehr vorgreifen. Was die finanzielle Unterstützung der Ukraine angeht, stehen wir in einem ständigen, sehr belastbaren Kontakt mit der ukrainischen Seite. Sie weiß, dass sie sich auf uns verlassen kann. Wir haben sie auch frühzeitig darüber informiert, dass wir im laufenden Haushaltsverfahren für das kommende Jahr vier Milliarden Euro an bilateraler Finanzhilfe für die militärische Unterstützung vorgesehen haben - das ist im Übrigen genau der gleiche Betrag, den die Regierung im Entwurf für den Haushalt 2024 schon im vergangenen Jahr vorgesehen hatte -, darüber hinaus zusätzlich die 50 Milliarden an Krediten, die man als G7 und sicherlich auch in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union bis Ende des Jahres mobilisieren will, mit denen die Ukraine dann sehr verlässlich weitere Waffen kaufen kann.

Das Gespräch von Staatspräsident Selenskyj und dem Bundeskanzler reiht sich in eine lange Reihe von Gesprächen ein. Inzwischen treffen sie sich fast im Zweimonatstakt. Es ist immer auch ein Austausch darüber, wie die ukrainische Führung auf die militärische Situation in der Ukraine blickt, und über all die Fragen, die man jetzt mit Blick auf das weitere Vorgehen in diesem sehr schwerwiegenden Konflikt, der viele, viele Menschenleben kostet, miteinander bewegen muss.

Jetzt steht der Ukraine der dritte Kriegswinter bevor. Sie wissen, dass Russland sehr gezielt und sehr erbarmungslos die Energieinfrastruktur zerstört und dass auch die Stromversorgung deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden ist und weiterhin wird. Sie wissen, welche Luftverteidigungsfähigkeiten wir und andere Länder an die Ukraine übergeben haben und dass wir weiterhin versuchen, sie damit zu versorgen, damit sie sich vor solchen Angriffen schützen kann. Aber es ist eine sehr schwerwiegende Situation. Deswegen ist es dem Bundeskanzler wie vielen anderen Staats- und Regierungschefs sehr wichtig, kontinuierlich mit Präsident Selenskyj darüber zu sprechen.

Herr Selenskyj wird heute - das habe ich auch schon gelesen - nach Ramstein weiterreisen, um an dem Treffen im Ramsteinformat teilzunehmen. Es tagt auf Ebene der Verteidigungsminister. Der deutsche Verteidigungsminister wird ebenfalls vor Ort sein.

Frage

Herr Hebestreit, ist davon auszugehen, dass der Kanzler mit dem ukrainischen Präsidenten auch den Nord-Stream-Anschlag thematisieren wird? Da gibt es ja immer noch Klärungsbedarf, auch auf politischer Ebene.

StS Hebestreit

Darüber sind wir in Gesprächen, auch mit der ukrainischen Seite. Der ukrainische Präsident hat, glaube ich, auch öffentlich deutlich gemacht, dass seine Regierung mit diesem Anschlag nichts zu tun gehabt habe.

Zusatzfrage

Das ist bisher nur eine Behauptung. Es gibt auch Berichte, die andere Entwicklungen beziehungsweise Hintergründe behaupten. Glauben Sie diesen ukrainischen Regierungsantworten? Welche Gespräche zu Nord-Stream laufen konkret?

StS Hebestreit

In jedem der Treffen - nicht in jedem einzelnen, aber regelmäßig - wird auch dieses Thema aufgebracht. Wir haben auch bei der ukrainischen Seite nachgefragt, nachdem die Berichterstattung in diesem Fall eine Verbindung zumindest angezeigt hat. Die ukrainische Regierung hat auch öffentlich bestritten, dass diese Berichterstattung zutrifft. Es laufen Ermittlungen des Generalbundesanwaltes. Der Bundeskanzler hat mehrfach deutlich gemacht, dass er wissen möchte, wer für den Anschlag verantwortlich ist, und dass die Rädelsführer, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Frage

Ich habe eine Frage zu Steuergeldern. Die Bundesregierung unterstützt die sogenannte Recherchegruppe CORRECTIV mit Millionen an Steuergeldern. Die Gruppe sei, so Michael Hanfeld im Juli in der FAZ, Zitat, zuletzt mit ihrer theatralisch aufgemotzten Berichterstattung über das Geheimtreffen in Potsdam aufgefallen. CORRECTIV hat von diesen Spendengeldern einen sechsstelligen Betrag an die gewerbliche Tochtergesellschaft ausgeliehen.

Aus dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss im Bundesanzeiger gehen zweierlei Dinge hervor. Erstens: Die Darlehen wurden der gewerblichen Tochtergesellschaft von CORRECTIV von der gemeinnützigen Gesellschaft ohne jede Sicherheit zur Verfügung gestellt. - Zweitens, wörtlich, bestehe bei der Korrektivtochter eine bilanzielle Überschuldung.

Herr Hebestreit, welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus diesen Tatsachen ziehen?

StS Hebestreit

Mir ist dieser Fall in dieser Detailtiefe überhaupt nicht bekannt. Das müsste ich erst einmal klären lassen. Dann kann ich dazu Auskunft geben. Ich kann darüber an dieser Stelle nicht spekulieren.

Zusatzfrage

Würden Sie also sagen, dass man jetzt überprüft und dem auf den Grund, wohin die Gelder an CORRECTIV weiterfließen? Dabei geht es ja auch um Steuergelder.

StS Hebestreit

Nein, ich würde sagen, dass ich mir erst einmal all Ihre Behauptungen gar nicht zu eigen mache, auch nicht die Behauptungen, die Sie zitiert haben. Das ist Meinungsfreiheit, man darf alles behaupten. Aber als Regierungssprecher ist man immer gut beraten, das zu überprüfen. Ich mache mich schlau. Dann kann ich Ihnen sagen, ob ich Ihnen dazu etwas sagen kann oder nicht. Ich würde aus meinen Worten nicht das schließen wollen, was Sie daraus gerade zu schließen versucht haben.

Frage

Herr Collatz oder Herr Hebestreit, nach wie vor steht die Frage im Raum, ob die deutsche Fregatte "Baden-Württemberg" durch die Taiwanstraße fahren wird. Gibt es dazu etwas Neues? Wie ist der Sachstand diesbezüglich?

Collatz (BMVg)

Tatsächlich wissen wir alle, dass dieses Schiff in diplomatischer Mission unterwegs ist, um die deutsche Haltung der Freiheit der internationalen Seewege zu verdeutlichen. Dazu gibt es eindeutige Bestimmungen. Das Seerecht ist hierzu auch sehr eindeutig. Wir werden diesbezüglich aber nichts ankündigen. Das ist im Seerecht auch nicht vorgesehen. Wir werden dort einfach unsere Rechte wahrnehmen, wie auch immer. Das kann ich hier vorab nicht näher kommentieren. Es gibt also keine neue Entwicklung.

Zusatzfrage

Können Sie sagen, anhand welcher Maßstäbe die Entscheidung getroffen wird? Anhand der Wetterlage vor Ort oder der Wetterlage in Berlin?

Collatz (BMVg)

All die von Ihnen genannten Faktoren werden eine Rolle spielen.

Frage

Es gibt einen fast 300 Seiten langen Bericht des amerikanischen FBI über die russische Einflussnahme im Informationsbereich in den USA und auch in Europa. Darin heißt es unter anderem, Deutschland sei das Ziel Nummer eins in Europa für die russische Einflussnahme.

Wie wirkt sich diese Einflussnahme aus Russland im Regierungsalltag aus, und wie gehen Sie damit um?

StS Hebestreit

Uns ist bekannt, dass spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 auch Deutschland massives Ziel von Desinformationskampagnen geworden ist, die in enge Verbindung mit Russland gebracht werden. Die Bundesregierung versucht erst einmal, diese Desinformation zu detektieren. Das ist der erste Schritt. Dafür gibt es inzwischen eine Taskforce, die sich aus verschiedenen Ministerien zusammensetzt, dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium, dem Bundespresseamt und dem Bundesjustizministerium, um zu detektieren, welche möglichen Vorfälle es gibt. Das ist nicht ganz einfach. In der Regel ist das ja nicht ungeschickt gemacht.

Das Zweite ist, dass wir versuchen, unsererseits so transparent und aufrichtig wie möglich zu informieren, um der Desinformation etwas entgegenzusetzen.

Zum Dritten ist es der Aufruf an die meisten von denen, die hier sitzen, genauso aufrichtig und transparent Bericht zu erstatten und kritisch gegenüber dem zu sein, was alles einem auch im Internet begegnet. Das sind insbesondere die sozialen Medien, das sind Telegram-Kanäle und Ähnliches. Da gibt es ja sehr, sehr viele Bereiche, die wir gar nicht immer alle im Blick haben oder haben können, die aber auf gewisse Szenen einwirken. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass man nicht jede Information, die einem begegnet, für bare Münze nehmen kann, sondern dass sie kritisch überprüft werden soll. Das ist ein weiterer Grund, warum es kritischen Journalismus braucht, um auch so etwas aufzudecken.

Frage

Um das kritische Hinterfragen gleich praktisch zu machen: Herr Kall, das BMI hat die entsprechende Stelle eingerichtet, um Desinformation aufzuspüren und zumindest andere Stellen in der Bundesregierung darüber in Kenntnis zu setzen.

Wie viele Fälle von Desinformation sind dort bislang schon bearbeitet worden, die dann an die jeweils zuständigen Stellen innerhalb der Bundesregierung verteilt werden konnten?

Kall (BMI)

Da die Abwehr von hybriden Bedrohungen natürlich auch die Arbeit der Sicherheitsbehörden betrifft, werde ich das nicht im Detail ausführen können. Bei der Einheit, über die Sie sprechen, geht es insbesondere um die frühestmögliche Detektion. Davon hat Herr Hebestreit gerade gesprochen. Natürlich geht es für die Sicherheitsbehörden insgesamt darum, solche Versuche von Einflussnahme aufzudecken, gerade auch im Vorfeld von Wahlen. Denken Sie etwa an den Komplex von Voice of Europe vor der Europawahl, eine massive russische Einflussoperation. Das gelingt in zunehmendem Maße gemeinsam mit europäischen Partnern. Daran waren viele Sicherheitsbehörden beteiligt. Es ist gelungen, das kurz vor der Europawahl aufzudecken und zu enttarnen. Das ist gerade für das Bundesamt für Verfassungsschutz eine wesentliche Aufgabe, über die wir natürlich auch informieren.

Zusatzfrage

Haben Sie im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in der vergangenen Woche und der anstehenden Landtagswahl in Brandenburg irgendwelche Hinweise auf Auffälligkeiten, was Einflussnahmeoperationen in irgendeiner Form angeht?

Kall (BMI)

Versuche, durch Desinformationen Einfluss zu nehmen, gibt es sicherlich permanent, gerade auch im Vorfeld von Wahlen. Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dazu jetzt nicht ins Detail gehen kann. Wenn wir Näheres nachreichen können, dann tun wir das gern.

Frage

Noch einmal an den Leiter des Bundespresseamtes: Herr Hebestreit, dass es russische Einflussnahme und Desinformationskampagnen gibt, ist ja nichts Neues und klar belegt. Mein Stand war aber auch, dass die Bundesregierung immer wieder darauf hingewiesen hat, dass Desinformation überwiegend aus Deutschland selbst kommt, von Deutschen, von rechtsextremen und anderen Seiten. Ist das aus Ihrer Sicht immer noch der Fall?

StS Hebestreit

Das ist eine Definitionsfrage. Wir haben Desinformation, was auch diese Einheit im Bundesinnenministerium angeht, die wir jetzt angesprochen haben, immer erst einmal als ausländische Desinformation definiert. Das ist der Teil, um den sich diese Taskforce kümmern wird. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit einer bereits bestehenden Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, die natürlich insbesondere das Ausland monitort.

Das, was einem unter verschiedenen Begrifflichkeiten - sei es Fake News, sei es Wahlkampf, seien es Lügen, wenn Sie so wollen - im Tagtäglichen begegnet, ist etwas, dem wir immer unsere Sicht der Dinge - unsere Wahrheiten, wenn Sie so wollen - entgegensetzen können. Das ist in Teilen auch ein öffentlicher Diskurs. Man ist ja als Mensch, der sich in der Öffentlichkeit äußert, auch nicht der Wahrheit verpflichtet. Es gibt ja auch kein Wahrheitsministerium, das jetzt "Das ist richtig" oder "Das ist falsch" sagt. Insofern ist das der öffentliche Diskurs, in dem wir und der seriöse Journalismus immer wieder deutlich machen müssen, was richtig ist und was nicht richtig ist.

Wir sehen jetzt in der Welt auch nicht immer nur aus Gründen des Einflusses auf Deutschland oder auf Europa, sondern selbst in westlichen Demokratien Politiker, die sich nicht immer nur der Wahrheit verpflichtet fühlen, sondern mit alternativen Fakten und Ähnlichem hantieren. Das ist etwas, dem wir uns als Gesellschaft eigentlich entgegenstellen sollten und immer wieder darauf drängen sollten, dass es wahrhaftig bleibt. Es gibt die Faktenchecks, die Sie in Ihren Sendungen machen. Es gibt den kritischen Journalismus, der da ist, und eine kritische Öffentlichkeit, die genau hinschauen muss, um zu sehen, ob das, was behauptet beziehungsweise diskutiert wird, denn den Wahrheiten entspricht.

Es bleibt herausfordernd. Wir haben inzwischen ein sehr, sehr breites Feld der Medien, wie ich es im weiteren Sinne nenne, auf dem miteinander gesprochen, kommuniziert wird. Wir können das gar nicht alles rezipieren, weil es diese Echokammern gibt. Es gibt die zugewandten Kanäle. Es geht ja nicht um die breite Fernsehlandschaft oder so etwas, sondern da gibt es ja ganz viele Möglichkeiten. Der Bundeskanzler hat es an einer Stelle einmal so gesagt: Da müssen wir auch alle noch lernen, auch mit Unsinn umgehen zu können und Unsinn auch als Unsinn bezeichnen zu können.

Zusatz

Nun hatte ich ja nicht gefragt, wie man mit inländischer Desinformation umgeht, sondern ob Sie es auch so wie die meisten Experten sehen, dass Desinformation im Vergleich mit ausländischer Desinformation hauptsächlich immer noch aus Deutschland selbst kommt.

StS Hebestreit

Jetzt habe ich ja relativ lange gesprochen, aber erinnere mich noch an den Anfang, an dem ich die Definition für Desinformation, die wir zugrunde legen, genannt habe. Insofern habe ich gesagt: Das, was wir innerhalb der Bundesregierung als Desinformation bezeichnen, ist das, was aus dem Ausland in Richtung Deutschland gespielt wird. Das andere - Sie haben es Lügen genannt, man kann unterschiedliche Begriffe haben - ist natürlich ein Gros dessen, was uns hier in der öffentlichen Diskussion tagtäglich beschäftigt. Das muss man für sich selber sortieren, und wir helfen nach Kräften. Aber es ist natürlich auch ein Ansatzpunkt für den Journalismus, zu sortieren und das Richtige vom Unrichtigen und das Wahre vom Unwahren zu trennen.

Frage

Zum Stichwort der Digitalisierung bei der Bahn: Es gibt ja Berichte, dass jetzt offensichtlich bei der Stellwerktechnik das Geld fehlt und man deswegen auf Technik aus den Neunzigerjahren zurückgreifen möchte. Was sagt denn Herr Volker Wissing zu diesen Berichten? Es gab ja den Anspruch, glaube ich, und auch die Ankündigung der Bundesregierung, dass man die Bahn vollständig digitalisieren möchte.

Druckenthaner (BMDV)

Ja, das gilt weiterhin. Das Schienennetz wird digitalisiert. In den kommenden Jahren werden die Strecken Stück für Stück von dem bestehenden nationalen Zugsteuerungssystemen auf den europäischen Standard ETCS, das heißt European Train Control System, umgerüstet. Das führt zu mehr Kapazität im Netz und macht die Infrastruktur insgesamt zuverlässiger und leistungsfähiger.

Die Bahn hat die Berichterstattung, wonach sie die Digitalisierung von Zugstrecken stoppen würde, als falsch bezeichnet. Ich verweise für weitere Details auf die Stellungnahme der Bahn.

Zusatzfrage

Das heißt, auch im Rahmen quasi finanzieller Engpässe ist es für das Verkehrsministerium also nicht denkbar, dass, anders als ja in dem Bericht berichtet, man bei Stellwerktechnik auch auf ältere Technik zurückgreift und da die Digitalisierung gegebenenfalls auch in eine unbestimmte Zukunft verschiebt?

Druckenthaner (BMDV)

Ich kann Ihnen versichern, dass die Digitalisierung der Bahn weiterhin eine hohe Priorität genießt.

Frage

Herr Hebestreit, die für Mittwoch eigentlich geplante Sitzung des Koalitionsausschusses wurde heute laut mehreren Quellen abgesagt. Wer hat denn da den Stecker gezogen, und warum?

StS Hebestreit

Jetzt sind wir ja beide schon eine ganze Weile in dieser Veranstaltung, und Sie wissen ja, dass ein Koalitionsausschuss eine Veranstaltung ist, die die die Koalition tragenden Parteien veranstalten. Da hat der Regierungssprecher keine Aktien drin und kann sich dazu auch nicht weiter einlassen.

Zusatzfrage

Gerade weil wir beide schon länger hier sitzen, wissen wir auch, dass der Koalitionsausschuss eine Art Clearingstelle, wie ich es einmal nenne, zwischen den politischen Playern - einerseits den Spitzen der Parteien und andererseits den Spitzen der von diesen Parteien gestellten Exekutive, also der Bundesregierung - ist. Damit sind Sie doch im Boot!

Mich interessiert wirklich nur an dieser Stelle: Ging die Absage der Ausschusssitzung, die ja bedeutet, dass man keine Chance für ein sinnvolles Ergebnis am Mittwoch sieht, vonseiten der Regierung oder vonseiten der Parteispitzen aus?

StS Hebestreit

Ich wiederhole, ohne mir Ihre Definition des Koalitionsausschusses zu eigen machen zu wollen, dass für den Koalitionsausschuss die diese Koalition tragenden Parteien zuständig sind. Sie informieren darüber - auch im Nachgang von solchen Sitzungen informieren Sie darüber -, und der Regierungssprecher nicht.

Frage

Ich habe eine Frage an das Umweltministerium, bitte. Bezüglich der umstrittenen UER-Projekten mit China hat das Umweltbundesamt heute Morgen mitgeteilt, dass in acht Fällen Zertifikate an die Unternehmen verweigert worden sind. Wie bewertet Umweltministerin Lemke diese Entwicklung?

Generell hätte ich dazu noch die Frage, wo Sie in der ganzen Geschichte die Verantwortung der Mineralölkonzerne sehen.

Kübler (BMUV)

Wir begrüßen erstmal sehr, dass das Umweltbundesamt jetzt bei acht konkreten Projekten in China festgestellt hat, dass es sich hier um Betrugsfälle handelt und es diese Zertifikate gar nicht ausgestellt hat. Das heißt, diese Betrügereien wurden jetzt zu einem Zeitpunkt nachgewiesen, bevor überhaupt Zertifikate auf den Markt kamen. Dies ist also für die ganze THG-Quote und -Anrechnung unschädlich.

Weitere Projekte werden jetzt unter die Lupe genommen. Es sind im Moment noch 21 Projekte, die intensiv untersucht werden, 40 insgesamt, die noch auf der Liste stehen, um untersucht zu werden. Insgesamt gibt es in China rund 69 Projekte. Die stehen jetzt erst einmal alle unter pauschalem Betrugsverdacht und werden nach und nach untersucht. Aber da gibt es eine Prioritätenliste, im Rahmen derer man schon Anzeichen hat, dass es auch hier Betrügereien gibt. Zum Beispiel wurden bei 21 der noch untersuchten Projekte vom UBA Zugangsbitten an die Projektträger gestellt, und das wurde von 16 verweigert. Das zeigt schon deutlich in die Richtung, dass die Projektträger wohl auch hier unter dem Verdacht des Betrugs einzuordnen sind, wenn sie diese Projekte nicht transparent eröffnen. - Das ist im Moment der Sachstand.

Wir als Umweltministerium und Frau Lemke begrüßen es sehr, dass die Projekte nun zügig und auch erfolgreich geprüft werden und Betrugsfälle dann auch nachgewiesen und rückabgewickelt werden.

Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage nach den Marktteilnehmern und den Mineralölkonzernen: Das ist ja eine recht komplexe Angelegenheit. Die Mineralölkonzerne betreiben die Projekte nicht. Sie kaufen bei Marktteilnehmern Projektbeteiligungen ein. Das heißt, es werden Projekte auf dem Markt angeboten, die auf die THG-Quote angerechnet werden. Das sind zum Beispiel - für jene unter Ihnen hier, die nicht so in der Materie stecken - Projekte bei der Ölabfackelung. Bei der Ölförderung wird Öl abgefackelt, und bei dieser Abfackelung entstehen Treibhausgasemissionen. Es gibt Techniken, diese aufzufangen. Die sind recht kostspielig. Mineralölunternehmen investieren in solche Projekte, um damit auch Zertifikate zu erhalten, die sie auf die THG-Quote anrechnen können. Sie investieren nicht direkt - zum Beispiel in China, wo die meisten dieser Projekte stattfinden -, sondern indirekt über Marktteilnehmer. Das heißt, jetzt nachgewiesene Projektbetrügereien können kaum den Mineralölkonzernen, die die Zertifikate auf dem Markt angekauft haben, nachgewiesen werden. Es ist unglaublich komplex, einem Großunternehmen nachzuweisen, es habe wissentlich Projektbetrügereien gestützt und Zertifikate von denen gekauft. Dort, wo Zertifikate erteilt wurden, werden diese deshalb von den Mineralölkonzernen nicht zurückgenommen werden können, auch wenn nachträglich Projekte abgewickelt werden.

Das ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Tut mir leid, dass es zum einen so lang wurde und zum anderen wahrscheinlich trotzdem nicht für alle verständlich gewesen ist, aber es ist wirklich sehr komplex.

Zusatzfrage

Die Hauptverantwortung liegt also bei den Projektträgern in China und dann auch bei den Gutachterunternehmen?

Kübler (BMUV)

Korrekt.

Frage

Frau Deschauer, zur Westbank: Das israelische Militär hat heute berichtet, dass man sich aus Dschenin zurückzieht, nachdem man die Stadt die letzten Tage großflächig zerstört hat. Das Auswärtige Amt wird das ja verfolgt haben. Unter anderem sollen 80 Prozent der Menschen, also der Palästinenser, dort von der Wasserversorgung abgeschnitten worden sein, Bulldozer haben Straßen zerstört usw. usf. Wie bewerten Sie das Vorgehen des israelischen Militärs, insbesondere jetzt in Dschenin, in den letzten Tagen?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für die Frage. - Ich glaube, wir hatten hier bereits am Mittwoch über das Westjordanland gesprochen, auch über unsere Haltung und über unsere klare Haltung dazu, dass sich der Einsatz der israelischen Armee dort an dem Standard der Verhältnismäßigkeit messen lassen muss. Da gibt es natürlich erhebliche Fragezeichen, ob das bei der geschilderten Lage gegeben ist.

Ich sitze jetzt hier. Die Außenministerin ist gerade in der Region. Sie hatte heute Gespräche mit israelischen Regierungsvertretern und Regierungsvertreterinnen, unter anderem Außenminister Katz und auch Verteidigungsminister Galant. Sie ist gerade auf dem Weg ins Westjordanland. Ich habe jetzt natürlich noch nicht direkt mit ihr in Kontakt stehen können, aber ich bin mir sicher, dass sie da auch sehr klare Worte gefunden hat, öffentlich, soweit ich es nachverfolgen konnte, im Rahmen der Pressekonferenz, aber sicherlich auch im Rahmen der Gespräche, die vertraulich sind, aber in denen wir darauf hinwirken, dass sich die israelische Regierung in ihrem Handeln und Tun nicht selbst verliert, sondern sich an dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit - auch, was den Einsatz der militärischen Mittel angeht - messen lassen muss.

Zusatzfrage

Darum habe ich ja speziell nach Dschenin gefragt. Klar war die Westbank am Mittwoch Thema. Aber ich hatte jetzt von Frau Baerbock in den letzten Tagen nichts zu Dschenin gehört, und im israelischen Fernsehen selbst laufen ja Bilder und Videos von Misshandlungen in Dschenin, wo selbst Kinder und Frauen aufgereiht werden, entmenschlicht werden. Nehmen Sie das wahr?

Deschauer (AA)

Ich glaube, wir nehmen alle Fragestellungen und besorgniserregenden Entwicklungen, die wir hier auch regelmäßig besprechen und die die Außenministerin ja gerade vor Ort mit den Ansprechpartnern besprechen kann, wahr. Wir haben uns, glaube ich, sehr klar dazu geäußert, dass die Verhältnismäßigkeit maßgeblich ist, und ich habe ja auch hier noch einmal ein großes Fragezeichen daran gesetzt. Natürlich bedeutet das auch, dass wir in Dingen, die wir vielleicht nicht im Detail vor Ort selbst und aus eigener Erkenntnis verifizieren können, regelmäßig Aufklärung von der israelischen Seite einfordern.

Also, noch einmal zusammengefasst: Große Besorgnis! Die Gelegenheit zu direkten Gesprächen gibt es jetzt gerade. Die nimmt die Außenministerin wahr und findet deutliche Worte. Auch von hier aus gilt unsere Sorge über die Lage und auch eine Eskalation der Lage und der Gewalt im Westjordanland. Das möchte ich noch einmal unterstreichen.

Frage

Der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach kritisiert, weil er Friedrich Merz "Ausländerhetze in Reinform" vorgeworfen hat. Er hat dann Scholz auch indirekt aufgefordert, dafür zu sorgen, dass seine Minister nicht wie kampagnengetriebene Generalsekretäre agieren, und vor einer vergifteten Debattenkultur gewarnt. Frage an Herrn Hebestreit: Teilt er die Sorge, dass die Debatte über die Migrationspolitik zwischen Regierung und Opposition gerade entgleitet, und spricht der Kanzler mit seinen Ministern darüber, wie sie in den sozialen Medien agieren?

StS Hebestreit

Zum zweiten Teil: Dieses Hin und Her ist, glaube ich, dem brandenburgischen Landtagswahlkampf geschuldet, dass da jemand - ich weiß nicht, wer derjenige war, der sich beschwert hat - mit gleicher Münze zurückgibt. Da nimmt sich der Regierungssprecher vornehm zurück und wird Äußerungen aus dem politischen Raum hier nicht bewerten. Das ist Sache der Parteien, und die können sich aus meiner Sicht alle ganz gut wehren. Da braucht es dann keinen Ordnungsruf von anderer Seite.

Zum anderen Teil Ihrer Frage: Ich glaube, wir haben hier ja weite Teile dieser Pressekonferenz und auch schon der von Mittwoch darauf verwandt, wie die Regierung, die Vertreterinnen und Vertreter der Länder und auch die Vertreter der größten Oppositionspartei sehr ernsthaft im Gespräch die Fragen, die es zu stellen gibt, miteinander diskutieren. Sie tun das ernsthaft, sie tun das vertraulich, und diesen Prozess möchte ich jetzt dafür als vorbildlich anführen, wie man solche Fragen diskutiert. Dass es nebenbei eine politische Diskussion gibt, in der es manchmal höher hergeht, weiß keiner besser als Armin Laschet.