German Federal Chancellor

10/10/2024 | Press release | Distributed by Public on 10/11/2024 05:18

Rede von Bundeskanzler Scholz bei der Feier zu 40 Jahren privater Rundfunk

Sehr geehrter Herr Grewenig,
sehr geehrter Herr Schmitter,
sehr geehrter Herr Habets,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Alex,
sehr geehrte Vertreter der Länder und
sehr geehrte Medienschaffende,
meine Damen und Herren,

ich hatte vor kurzem Besuch von Daniel Kehlmann im Kanzleramt. Er erzählte von einem befreundeten Drehbuchautor aus Los Angeles. Dieser Freund durfte eine KI für Drehbuchautoren testen. Danach sagte er: Daniel, mir bleiben vielleicht noch drei, maximal fünf gute Jahre. - Denn diese KI war so gut, dass er nur die Hauptfiguren, den Plot und die Atmosphäre für eine neue Serie beschreiben musste, und ein paar Minuten später hatte er das Drehbuch auf dem Rechner, sechs Folgen, fertig geschrieben. Das zeigt, wie tiefgreifend diese Veränderung ist. Vieles, was dann möglich wird, können wir uns heute noch gar nicht vorstellen. Das wirft Fragen auf und bereitet vielen verständlicherweise auch Sorge.

Das war vor 40 Jahren ähnlich. Als der private Rundfunk startete, standen ähnlich große Fragen im Raum: Wird dann überhaupt noch jemand Zeitung lesen? Werden sich die Menschen noch über Politik informieren? Entscheidet der Werbepartner über Programminhalte?

Die Verantwortlichen hatten damals Lust auf Neues und großes Vertrauen. Sie haben den Medienmarkt revolutioniert. Mit einer unglaublichen Energie und einer unvergleichlichen Aufbruchsstimmung sind die neuen Radiosender und Fernsehkanäle damals an den Start gegangen. Auch die öffentlich-rechtlichen Programme haben profitiert. Das war Pionierarbeit, vor allem bei den vielen privaten Lokalsendern und -stationen vor Ort. Heute gibt es über 600 private Radio- und TV-Programme. Sie erreichen jeden Tag über 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger.

Zwei Erkenntnisse aus dieser Zeit:

Erstens: Alle Angebote finden ihr Publikum, nur sind heute die Zielgruppen kleiner und sehr viel klarer umrissen. Es gibt nicht mehr das eine große Lagerfeuer auf dem kleinen Fernseher, um das sich abends alle im Wohnzimmer versammeln, sondern eher viele kleine Feuer.

Die zweite Erkenntnis: Es gibt nicht die bessere und die schlechtere Unterhaltung. Da sollte man keinen Dünkel haben. Die Vielfalt der Privaten bedeutet schlicht und einfach: Sie erreichen mehr und andere Zuhörerinnen und Zuschauer. - Das heißt aber gleichzeitig für die Privaten: Sie müssen dann umso mehr auch den Anspruch haben, gute Informationen zu bieten, und ihm gerecht werden.

Die Aufteilung, dass es bei den Öffentlich-Rechtlichen die sachlichen Informationen und bei den Privaten die seichte Unterhaltung gibt, stimmt schon lange nicht mehr. Deshalb gebe ich Interviews nicht nur bei ARD und ZDF, sondern bin genauso gern bei RTL, wie gerade erst am Dienstag, bei ProSiebenSat.1 und den vielen anderen. Genauso war ich auch in Podcasts zu Gast.

Warum brauchen wir all diese sehr verschiedenen Angebote? - Weil sie genauso vielfältig sind wie die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie haben gerade meine Rede zitiert, in der ich das auch gesagt habe. Unabhängige und vielfältige Medienangebote sind wie die Meinungsfreiheit Grundlage für einen demokratischen Diskurs und damit für unsere Demokratie. Deshalb steht Artikel 5 so weit vorn im Grundgesetz.

Vor 40 Jahren, zum Start des privaten Rundfunks in Deutschland, gab es noch kein Internet. Privater Rundfunk, das ist mittlerweile auch das Smartphone, das in jeder Tasche steckt. Hier kann ich alles konsumieren und selbst senden. Das Rezept dort für ein großes Publikum: Je lauter, einseitiger und emotionaler, desto wahrscheinlicher ist eine große Reichweite. - Lautstärke aber kann Qualität nie ersetzen. Einseitigkeit ersetzt keine Tiefe. Emotionen ersetzen keine Fakten.

Deshalb sind immer auch die Journalistinnen und Journalisten nötig, die sortieren, einordnen und hinterfragen, die Redakteurinnen und Redakteure, die Themen vom Anfang an bis zum Ende denken. Nötig sind alle Medienschaffenden, die ein Interesse daran haben, dass nicht die radikalste These, die steilste Behauptung, die freizügigsten Bilder im Mittelpunkt stehen. Denn wenn es zu laut wird, ziehen sich die Leisen zurück. Aber gerade jetzt brauchen wir alle Stimmen für unsere Demokratie und unsere Freiheit.

Deutschland hat eines der vielfältigsten Mediensysteme der Welt, und das soll auch so bleiben. 40 Jahre privater Rundfunk, das ist mehr als die Hälfte der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Privaten haben diese Geschichte mitgeschrieben, eine Erfolgsgeschichte. VAUNET steht wie kein anderer Verband für die Interessenvertretung der privaten Medien in Deutschland. Dafür mein herzlicher Dank an alle, die daran mitgewirkt haben! Lassen Sie uns die Erfolgsgeschichte unseres Landes gemeinsam weiterschreiben!

Schönen Dank.