Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

09/06/2024 | Press release | Distributed by Public on 09/06/2024 12:30

Der fragliche Geburtsort des Zwergplaneten Ceres

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Der fragliche Geburtsort des Zwergplaneten Ceres

Kryovulkanismus auf Ceres lässt tief blicken - Ammoniumablagerungen stammen vermutlich nicht aus dem äußeren Sonnensystem, sondern von Ceres selbst

6. September 2024

Der Zwergplanet Ceres hat einen Durchmesser von fast 1000 Kilometern und befindet sich im Asteroidengürtel. In der Fernsehserie "The Expanse" erlangte Ceres als Hauptstützpunkt der Gürtelbewohner neue Berühmtheit: In dieser Serie, die sich nah an geltender Physik orientiert, besiedeln Menschen den Asteroidengürtel, um Rohstoffe abzubauen. Auch in der realen Welt ist Ceres nicht weniger prominent. Lange Zeit war jedoch nicht ganz klar, ob der Zwergplanet auch im Asteroidengürtel entstanden oder vom Rand des Sonnensystems zugewandert ist. Ein Forschungsteam unter Leitung des Göttinger Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung fand in Daten der Nasa-Raumsonde Dawn nun ammoniumreiche Ablagerungen im Consus Krater, die viel über Ceres' Herkunft verraten.

In dieser künstlerischen Darstellung erreicht die Raumsonde Dawn den Zwergplaneten Ceres.

© NASA/JPL-Caltech

In dieser künstlerischen Darstellung erreicht die Raumsonde Dawn den Zwergplaneten Ceres.
© NASA/JPL-Caltech

Der Zwergplanet Ceres ist ein außergewöhnlicher "Bewohner" des Asteroidengürtels. Mit einem Durchmesser von etwa 960 Kilometern ist er nicht nur der größte Körper zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter; er zeichnet sich auch - anderes als seine eher schlichten "Mitbewohner" - durch eine äußerst komplexe und vielseitige Geologie aus. Die Nasa-Raumsonde Dawn hatte schon vor Jahren auf der Ceres-Oberfläche weit verbreitete Ammoniumvorkommen entdeckt. Einige Forschende gehen davon aus, dass gefrorenes Ammonium bei der Entstehung des Zwergplaneten eine Rolle gespielt hat. Ammonium ist aber nur im äußeren Sonnensystem stabil, was auf einen Ursprung fern des Asteroidengürtel hindeutet. Neue Erkenntnisse aus dem Consus Krater aber sprechen dagegen.

Eiskalter Vulkanismus

Der Consus Krater liegt auf der Südhalbkugel des Zwergplaneten Ceres. Auffälligste Struktur in seinem Innern ist ein kleinerer Krater ("floor crater") in seiner östlichen Hälfte. Im Zentrum des Consus Kraters ragt ein flacher Zentralberg empor.

© MPS

Der Consus Krater liegt auf der Südhalbkugel des Zwergplaneten Ceres. Auffälligste Struktur in seinem Innern ist ein kleinerer Krater ("floor crater") in seiner östlichen Hälfte. Im Zentrum des Consus Kraters ragt ein flacher Zentralberg empor.

© MPS

Ceres schien bis in jüngste Vergangenheit Schauplatz eines einzigartigen Kryovulkanismus gewesen zu sein - und ist es wahrscheinlich noch immer. Die zu Grunde liegenden Daten hat die Nasa-Raumsonde Dawn gewonnen, als sie Ceres von 2015 bis 2018 aus der Nähe untersucht hat. Die Daten weisen auf eine bewegte Vergangenheit hin, in der sich Ceres über viele Milliarden Jahre veränderte und weiterentwickelte. In mehreren Einschlagskratern finden sich helle, weißliche Salzablagerungen. Hellen Ablagerungen im Consus Krater könnten auf ammoniumreiches Material hindeuten, das durch Ceres' kuriosen Kryovulkanismus aus der Tiefe des Zwergplaneten an die Oberfläche gelangt ist. Genauer halten Forschende sie für Überbleibsel einer Sole, die über viele Milliarden Jahre aus einer flüssigen Schicht zwischen Mantel und Kruste an die Oberfläche gedrungen ist. Auch in Aufnahmen und Messdaten vom Consus Krater, die das Team nun so detailliert wie nie zuvor ausgewertet hat, zeigen sich die Ablagerungen zum Teil auch in gelblicherer Färbung. Die Vorkommen von Ammonium deuten also nicht zwangsläufig auf eine Entstehung im äußeren Sonnensystem hin - Ceres könnte eben dort entstanden sein, wo er heute seine Bahnen zieht.

Ein Krater im Krater

Der Conus-Krater liegt auf der Südhalbkugel des Zwergplaneten Ceres. Mit einem Durchmesser von etwa 64 Kilometern zählt er nicht zu den besonders großen Einschlagkratern. In Aufnahmen des wissenschaftlichen Kamerasystems von Dawn, das unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut wurde, zeigt sich eine umlaufende Kraterwand, die etwa 4,5 Kilometer vom Kraterboden in die Höhe ragt und zum Teil nach innen abgerutscht ist. Als auffälligste Struktur umschließt sie einen kleineren Krater, der mit einer Fläche von etwa 15 Kilometern mal elf Kilometern die östliche Hälfte des Consus Kraterbodens dominiert. Das gelbliche, helle Material findet sich in vereinzelten Sprenkeln ausschließlich am Rand des kleineren Kraters und in einem Bereich etwas östlich davon.

Wie die aktuellen Auswertungen von Daten des Kamerasystems und des Spektrometers VIR nahelegen, ist das gelbliche helle Material im Consus-Krater reich an Ammonium. Die Verbindung, die sich von Ammoniak durch eine zusätzliches Wasserstoff-Ion unterscheidet, ist in Form ammoniumreicher Gesteine in Spuren auf der Ceres-Oberfläche beinahe allgegenwärtig. In der Vergangenheit glaubten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass dieses Gestein nur durch Kontakt mit Ammonium-Eis in der Kälte am äußeren Rand des Sonnensystems entstanden sein könne. Nur dort ist gefrorenes Ammonium über längere Zeiträume stabil; in größerer Nähe zur Sonne verdunstet es rasch. Ceres müsse deshalb am Rand des Sonnensystems entstanden und erst später in den Asteroidengürtel gewandert sein. Die neue Studie zeigt nun erstmals eine Verbindung auf zwischen Ammonium und der salzhaltigen Sole aus dem Inneren der Ceres. Der Ursprung des Zwergplaneten, so argumentiert das Team, müsse deshalb nicht zwingend im äußeren Sonnensystem liegen. Ceres könnte auch ein echtes Kind des Asteroidengürtels sein.

Ammonium aus der Tiefe

Das gelbliche helle Material, hier als "yBM" gekennzeichnet, findet sich ausschließlich am Rand des kleineren Kraters und in seiner direkten östlichen Nachbarschaft.

© MPS

Das gelbliche helle Material, hier als "yBM" gekennzeichnet, findet sich ausschließlich am Rand des kleineren Kraters und in seiner direkten östlichen Nachbarschaft.
© MPS

Die Forschenden gehen davon aus, dass die Bausteine von Ammonium bereits im ursprünglichen Baumaterial der Ceres enthalten waren. Da Ammonium sich nicht mit den typischen Mineralien im Ceres' Mantel verbindet, reicherte es sich nach und nach in einer mächtigen Soleschicht an, die sich global zwischen Mantel und Kruste des Zwergplaneten erstreckte. Durch kryovulkanische Aktivität stieg die ammoniumreiche Sole im Laufe der Jahrmilliarden immer wieder auf und das darin enthaltene Ammonium wechselte nach und nach den "Wirt": Es drang in die großräumig vorhandenen Schichtsilikate der Ceres-Kruste ein. Schichtsilikate, die sich durch eine lagenartige Kristallstruktur auszeichnen, sind auch auf der Erde etwa in tonhaltigen Böden weitverbreitet. In Kontakt mit einer ammoniumreichen Sole lagern sich bevorzugt Ammonium-Ionen an. "Das Gestein könnte das Ammonium über viele Milliarden Jahre wie eine Art Schwamm aufgenommen haben", erklärt Andreas Nathues vom Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung. Er ist Erstautor der hier präsentierten Studie und hat das Kamerateam von Dawn geleitet.

Vieles spricht dafür, dass die Konzentration des Ammoniums in tieferliegenden Schichten der Kruste größer ist als nahe der Oberfläche. Die wenigen Stellen auf der Ceres-Oberfläche, an denen sich außerhalb des Consus Kraters auffällige Flecken des gelblich-hellen Materials finden, liegen ebenfalls innerhalb tiefer Krater. Im Consus Krater dürfte - wie die aktuelle Studie detailliert zeigt - der Einschlag, der vor nur 280 Millionen Jahren den kleinen östlichen Krater schuf, Material aus den tiefliegenden, besonders ammoniumhaltigen Schichten freigelegt haben. Bei den gelblich-hellen Sprenkeln östlich des kleineren Kraters handelt es sich um Material, das der Einschlag aus großer Tiefe herausgeschleudert hat.

"Mit seinen 450 Millionen Jahren ist der Consus Krater nach geologischen Maßstäben nicht besonders alt, allerdings ist er einer der ältesten noch erhaltenen Strukturen auf Ceres. Durch seinen tiefen Aushub verschafft er uns Zugang zu Prozessen, die sich über viele Milliarden Jahre im Innern der Ceres abgespielt haben - und ist so eine Art Fenster in die Vergangenheit des Zwergplaneten", sagt Ranjan Sarkar vom Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.