Österreichisches Parlament

07/11/2024 | Press release | Distributed by Public on 07/11/2024 10:29

Rechtliche Erleichterungen für die Installierung von Balkonkraftwerken und 'Papamonat' für Zivildiener passieren Bundesrat Weitere Beschlüsse unter anderem zu den Themen[...]

Wien (PK) - Ab 1. September 2024 wird die Installierung von sogenannten Balkonkraftwerken einfacher vonstattengehen. Der Bundesrat sprach sich heute mehrheitlich für eine dementsprechende Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes aus. Wenn alle Wohnungseigentümer:innen vor der Montage von kleinen Photovoltaik-Anlagen verständigt werden und niemand widerspricht, dann steht einer Installierung nichts mehr im Wege.

Mehrheitliche Zustimmung in der Länderkammer fand auch eine von der Regierung vorgeschlagene Novelle des Zivildienstgesetzes, die unter anderem regelt, dass Zivildiener Anspruch auf einen "Papamonat" bei der Geburt eines Kindes erhalten. Eine Mehrheit der Bundesrät:innen sprach sich auch für eine Änderung des E-Government-Gesetzes aus, mit der die rechtlichen Grundlagen für weitere Digitalisierungsschritte in der Verwaltung geschaffen werden.

Grünes Licht gab es zudem für Änderungen im Bereich der Verbandsklage und eine Grundbuchs-Novelle, die neue Beschränkungen bei der Einsicht und der Aufnahme von Urkunden bringt.

Einhellige Zustimmung erhielt eine Regierungsvorlage, die auf mehr Steuertransparenz bei multinationalen Unternehmen abzielt und eine deutliche Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags in Strafverfahren. Ebenfalls einstimmig angenommen wurde das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024, mit dem verschiedene Probleme in den Berufsrechten der Notar:innen und Rechtsanwält:innen gelöst werden.

Errichtung von Balkonkraftwerken im Wohnungseigentum wird erleichtert

Die Installierung von sogenannten Balkonkraftwerken soll ab 1. September 2024 leichter möglich sein, wie ein im Nationalrat eingebrachter Abänderungsantrag von ÖVP und Grünen zum Wohnungseigentumsgesetz vorsieht. Damit gilt die für die Anbringung der Photovoltaik-Anlagen erforderliche Zustimmung durch die anderen Wohnungseigentümer:innen schon dann als erteilt, wenn sie vor der geplanten Änderung verständigt werden und innerhalb von zwei Monaten nicht widersprochen haben. Davon umfasst sind Kleinsterzeugungsanlagen mit einer Leistung von weniger als 0,8 kW, die an eine bereits vorhandene Steckdocke angesteckt werden können.

FPÖ-Mandatar Markus Leinfellner aus der Steiermark stieß sich vor allem am Zustandekommen der Gesetzesänderung per Abänderungsantrag im Nationalrat. Er bezeichnete dies als eine "Unart", die sich in der parlamentarischen Praxis "eingeschlichen" habe. Inhaltlich kritisierte er die aus seiner Sicht dadurch erfolgende Einschränkung der Nachbarschafts- und Eigentumsrechte.

Elisabeth Kittl (Grüne/W) sprach von einer "kleinen aber wichtigen" Gesetzesänderung, die Österreich "gut tut" und nicht der "russischen Kriegskassa". Auch Viktoria Hutter (ÖVP/NÖ) sah darin einen Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit, der einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leiste.

Kärntens SPÖ-Bundesrat Manfred Mertel signalisierte seine Zustimmung zur Gesetzesänderung, gab Leinfellner jedoch hinsichtlich des parlamentarischen Verfahrens recht. Im Gesetzgebungsprozess müssten alle Interessensvertretungen die Gelegenheit bekommen, sich einzubringen, mahnte er ein, die Demokratie "ernst zu nehmen".

"Papamonat" für Zivildiener

Mit der von der Regierung vorgeschlagenen Novelle zum Zivildienstgesetz wird der Kreis der bevorzugten Zivildienstorganisationen um Einrichtungen der Altenbetreuung und Krankenanstalten erweitert und Zivildienern aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen die einmalige Teilung des Zivildienstes ermöglicht. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Vereinbarung mit der gewünschten Zivildiensteinrichtung. Weiters werden Zivildiener bei der Geburt eines Kindes künftig einen "Papamonat" in Anspruch nehmen können. Um auf die steigende Zahl an Nichtantritten zum Zivildienst aus medizinischen Gründen zu reagieren, wird die Zivildienstserviceagentur ermächtigt, fachärztliche Untersuchungen zu beauftragen. Wer - etwa infolge einer Katastrophe oder eines besonderen Notstands - einen außerordentlichen Zivildienst leisten muss, wird aufs Jahr gerechnet 30 Tage Dienstfreistellung erhalten.

Als "unverzichtbare Säule der Gesellschaft" sah Philipp Kohl (ÖVP/B) den Zivildienst und unterstrich dessen Notwendigkeit für die Entlastung des Pflege- und Sozialsektors aber auch seine Relevanz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Von der "immensen Bedeutung" des Zivildienstes etwa für das Rettungs- und das Pflegewesen sprach Daniel Schmid (SPÖ/T). Viele Institutionen in diesen Bereichen seien auf die Zivildiener angewiesen. Deren Einsatz könne jedoch die "strukturelle Problematik" im Gesundheitssystem nicht beseitigen, plädierte Schmid dafür, den dort vorherrschenden Personalmangel "langfristig anzugehen".

Die für den Zivildienst zuständige Staatssekretärin Claudia Plakolm berichtete von einem steigenden Bedarf an Zivildienern über die letzten Jahre. Geburtenschwache Jahrgänge würden diese "essenzielle Stütze" der Gesellschaft jedoch vor Herausforderungen stellen. Daher müsse der Zivildienst, der auch ein "wichtiges Sprungbrett" für Männer in den Gesundheits- und Sozialbereich darstelle, laufend weiterentwickelnd werden, so Plakolm.

Modernisierung des Genossenschaftsrechts

Mit dem Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz 2024 soll unter anderem die Möglichkeit geschaffen werden, Vereine "identitätswahrend" in Genossenschaften umzuwandeln, wenn etwa ihre unternehmerische Tätigkeit zunimmt. Um die Rechtsform der Genossenschaft insgesamt für das Wirtschaftsleben attraktiver zu gestalten, wird die sogenannte Nachschusspflicht der Mitglieder einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung - also die Pflicht, Verluste durch zusätzliche Zahlungen auszugleichen - flexibler geregelt. Diese kann künftig nicht nur mit einem höheren Betrag festgelegt, sondern auch eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen werden. Gleichzeitig werden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften nur mehr mit beschränkter Haftung errichtet werden können und auch Verschmelzungen und Spaltungen unter Genossenschaften mit beschränkter Haftung möglich sein.

Weiterentwicklungen beim E-Government

Mit einer Änderung des E-Government-Gesetzes werden die rechtlichen Grundlagen für weitere Digitalisierungsschritte in der Verwaltung geschaffen. Dazu gehört etwa eine ausdrückliche Verpflichtung für Verantwortliche des öffentlichen Bereichs, miteinander digital zu kommunizieren. Aber auch eine Wahlfreiheit der Kommunikationsform von Bürger:innen mit öffentlichen Stellen ist vorgesehen. Bei der E-ID-Registrierung bzw. für die ID Austria wird künftig auf ein bereits registriertes Foto vom Reisepass bzw. Personalausweis oder der E-Card zurückgegriffen werden können. Darüber hinaus wird klargestellt, dass einem elektronischen Ausweis die Rechtsqualität und Verwendungsmöglichkeit eines amtlichen Lichtbildausweises gegenüber Behörden und Gerichten zukommt.

Neuerungen im Bereich der Verbandsklage

Mehrheitlich passierte eine Regierungsvorlage zu Neuerungen im Bereich der Verbandsklage den Bundesrat. Verbraucherschutzeinrichtungen können im kollektiven Interesse von mindestens 50 Verbraucher:innen künftig Unternehmen auf Abhilfe, also etwa auf Schadenersatz, klagen. Zur Verbandsklage auf Unterlassung wird ein weiterer Rechtsschutzweg ermöglicht.

Mehr Transparenz bei der Tätigkeit multinationaler Unternehmen

Einstimmig befürworteten die Bundesrät:innen eine Regierungsvorlage, die auf Steuertransparenz multinationaler Unternehmen abzielt. Mit dieser werden in Umsetzung einer EU-Richtlinie Konzerne in Österreich künftig verpflichtet, ihre Ertragsteuerinformationsberichte auch beim Firmenbuchgericht einzureichen. Konkret soll damit transparenter werden, ob ein Konzern dort, wo er große Umsatzerlöse erzielt, auch Steuern entrichtet oder ob die Gewinne in Niedrigsteuerländer verschoben werden. (Fortsetzung Bundesrat) wit/bea

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.