German Federal Government

10/30/2024 | Press release | Distributed by Public on 10/31/2024 04:30

Regierungspressekonferenz vom 30. Oktober 2024

Sprecherinnen und Sprecher

  • Staatssekretär Hebestreit
  • Hauck (BMEL)
  • Dr. Kock (BMI)
  • Dr. Säverin (BMWK)
  • Müller (BMVg)
  • Hartmann (BMF)
  • Fischer (AA)
  • Beckfeld (BMJ)
  • Berg (BMFSFJ)

(Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

Hauck (BMEL)

Ich möchte Ihnen heute eine Reise des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir nach Äthiopien und Sambia ankündigen. Er wird vom 4. bis zum 7. November in die beiden Länder reisen. Im Mittelpunkt der Reise steht die Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Afrika, um das Menschenrecht auf angemessene Nahrung zu verwirklichen. Unser Ziel sind langfristige Partnerschaften, um Wissen und Erfahrungen für nachhaltige, klimaangepasste Landwirtschaft auszutauschen.

In diesem Sinn haben wir bereits mit der Afrikanischen Union ein Projekt vereinbart, den sogenannten Agrarpolitischen Dialog, in dem politische Leitlinien für klimaresistente Produktion für alle Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union erarbeitet werden. Das Projekt ist ein Meilenstein der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Afrikanischen Union und das erste dieser Art zwischen der AU mit ihren 55 Mitgliedstaaten und einem deutschen Ministerium.

Zudem wollen wir Vorzeigeinitiativen ausbauen wie unser Deutsch-Sambisches Agrartrainings- und Wissenszentrum, in dem seit zehn Jahren Menschen in klimaresilienten und agrarökologischen Anbaumethoden aus- und weitergebildet werden. Die Reise dient vor allem dazu, diesen Prozess zu vertiefen.

In Addis Abeba wird Bundesminister Özdemir das African Youth Agribusiness Forum eröffnen, das von uns gemeinsam mit der Afrikanischen Union organisiert wird. Die Konferenz hat das Ziel, eine Basis für den Austausch zwischen jungen Menschen des Agrar- und Ernährungssektors aus afrikanischen und deutschen Ländern zu legen. Zudem wird Bundesminister Özdemir die Konferenz "A world without hunger is possible" der United Nations Industrial Development Organization, UNIDO, gemeinsam mit deren Generaldirektor Gerd Müller eröffnen.

Außerdem sind in Addis Abeba politische Gespräche mit der Landwirtschaftskommissarin der Afrikanischen Union Josefa Sacko und dem äthiopischen Landwirtschaftsminister Girma Amente geplant. Zudem wird sich Minister Özdemir in Addis Abeba auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und der dortigen Kirchen treffen.

In Sambia, wo die Herausforderungen der Klimakrise geballt sichtbar werden, wird vor allem der Besuch von Landwirtschaftsprojekten wie des bereits erwähnten, von uns geförderten Deutsch-Sambischen Agrartrainings- und Wissenszentrums im Mittelpunkt stehen. Bundesminister Özdemir wird zudem vom Präsidenten Sambias Hakainde Hichilema empfangen und trifft dort auch seinen sambischen Amtskollegen Reuben Phiri. Schließlich wird Minister Özdemir die Agrarfakultät der Universität Sambia besuchen und dort unter anderem mit Studierenden über wissenschaftliche Ansätze zur Stärkung der Klimaresilienz in der Landwirtschaft sprechen.

Dr. Kock (BMI)

Die Bundesinnenministerin reist heute auf Einladung ihres polnischen Amtskollegen Siemoniak zunächst zu einem bilateralen Austausch nach Warschau, bevor beide gemeinsam das polnisch-belarussische Grenzgebiet besuchen. Thematisch wird es bei der Reise und bei den Gesprächen unter anderem um die Eindämmung der irregulären Migration, die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie die anstehende polnische EU-Ratspräsidentschaft gehen.

StS Hebestreit

Der Bundeskanzler und die Bundesregierung sind von den Berichten, die uns aus Spanien erreichen, zutiefst erschüttert. Dort sind zahlreiche Menschen durch die jüngsten Überschwemmungen in der Region Valencia ums Leben gekommen. Den Hinterbliebenen der Opfer gilt unser aufrichtiges Mitgefühl. Wir sind zu der Frage, ob es Unterstützungsleistungen aus Deutschland für diese furchtbare Katastrophe bedarf, in direkten Kontakt mit der spanischen Regierung.

Dr. Säverin (BMWK)

Eigenartigerweise muss man sich traditionell vor Beginn der Veranstaltung verabschieden und nicht hinterher. Nachdem ich Ihnen hier drei Jahre Rede und Antwort gestanden habe, verlasse ich die Bundespressekonferenz. Ich begebe mich wieder in ein Fachreferat.

Ich bin aus zwei Gründen dankbar für diese Arbeit, zum einen dafür, dass ich in die innere Mechanik der Pressearbeit und Ihrer journalistischen Tätigkeit Einblick nehmen konnte. Ich bin bis heute fasziniert davon, welchen Strauß bunter Produkte Sie aus den dürren Fakten, die wir Ihnen hier geben, produzieren. Das ist immer wieder eine Überraschung. Zum anderen bin ich dankbar dafür, dass ich Zuversicht gewinnen konnte, dass diese Art von Journalismus - es geht ja immer um das richtige Mischungsverhältnis zwischen Information und Sensation -, dass also diese Art des Journalismus, bei dem tatsächlich die Information im Mittelpunkt steht, Zukunft und Bestand hat. Wenn man es so sagen will, dann halten Sie mit der einen Hand immer Fühlung mit der Realität, während Sie mit der anderen Hand schreiben, sodass das, was Sie schreiben, nie mehr als Armeslänge von der Realität entfernt sein kann. Diese Art des Journalismus ist nach meiner Auffassung das, was Bestand haben wird. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass ich diese Zuversicht gewinnen konnte.

Damit verabschiede ich mich.

Frage

(zur Reise der Bundesinnenministerin nach Polen) Frau Kock, wird auch das Thema der Aussetzung des Asylrechts in Polen ein Thema sein? Gibt es gemeinsame Absprachen darüber, was das für Deutschland bedeutet?

Haben Sie neue Zahlen darüber, wie viele Flüchtlinge und Migranten seit dieser Ankündigung Herrn Tusks über Polen nach Deutschland gekommen sind?

Dr. Kock (BMI)

Sie spielen auf die Migrationsstrategie der polnischen Regierung an. Dazu hat sich der stellvertretende Regierungssprecher hier vor Kurzem geäußert. Die Einzelheiten dieses polnischen Vorschlags sind uns nicht bekannt. Wie Sie wissen, hat sich die Europäische Kommission dazu geäußert und ist mit Polen dazu im Austausch.

Weil Sie nach einem sehr präzisen Zeitraum gefragt haben, müsste ich die Zahlen nachreichen.

Frage

Nutzt die Ministerin diese Gelegenheit, um die Details des polnischen Vorhabens herauszufinden?

Dr. Kock (BMI)

Nach meinem Stand ist die Ministerin vor kurzer Zeit in Polen angekommen Die Gespräche laufen noch. Wie Sie wissen, können wir Gesprächen hier nicht vorgreifen, sondern höchstens im Nachgang berichten.

Frage

Nur eine ganz kurze Nachfrage, ob ich es richtig verstanden habe: Herr Hebestreit, Frau Kock, bislang ist noch keine direkte Hilfsanforderung aus Spanien eingegangen, oder?

StS Hebestreit

Wir sind in Gesprächen, aber das ist eher ein Angebot von uns. Aber darüber, ob das schon angenommen worden ist, habe ich keine Informationen.

Dr. Kock (BMI)

Ich kann gern ergänzen - aber das ist allgemein bekannt -, dass das über den EU-Krisenreaktionsmechanismus läuft. Dort müsste durch die spanische Seite angefragt werden. Dann wird geschaut, wer in der EU am besten und am schnellsten helfen kann.

Frage

Ich habe eine Frage zu der deutschen Fregatte, die auf dem Rückweg aus dem Indopazifik ist. Wird sie einen Umweg nehmen, um das Rote Meer zu meiden, wie der Spiegel berichtet? Wenn ja, warum ist das so?

Müller (BMVg)

Es geht nicht nur um die Fregatte. Es geht um einen Marineverband, bestehend aus Fregatte und Einsatzgruppenversorger. Diese haben mit dem Hafenaufenthalt in Indien - so will ich es einmal sagen - die Kernphase des Indo-Pacific Deployment für dieses Jahr beendet. Sie haben alle ihre Aufgaben erfüllt.

Jetzt geht es um den Rücktransit. Bundesminister Pistorius hat entschieden, dass der Rückweg über die Küsten Afrikas, also das Kap der Guten Hoffnung, erfolgen wird. Die Fregatte "Baden-Württemberg" wird, nachdem Afrika umrundet sein wird, in Richtung des Mittelmeers einlaufen und dort direkt im Anschluss einen UNIFIL-Auftrag übernehmen. Der Einsatzgruppenversorger wird weiterfahren und Anfang Dezember im Heimathafen in Deutschland erwartet. So viel grundsätzlich zur Routenführung.

Zu Ihrer Frage, warum so entschieden wurde: Bei einer Entscheidung zur Routenführung gilt es immer, eine umfassende Risikoabwägung durchzuführen.

Bei der Risikoabwägung gibt es zum einen die Frage, welche Bedrohung dort vorherrschen kann. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten gesehen, dass die Huthi in der Lage sind, dort durchaus komplexe Angriffe mit Luftmitteln durchzuführen. Ich rede von taktischen ballistischen Raketen, ich rede von Drohnen, ich rede von weiteren Maßnahmen. Die Bedrohungslage ist also durchaus hoch.

Dem ist auf der anderen Seite natürlich entgegenzusetzen, welche Fähigkeiten die beiden Schiffe, die dort unterwegs sind, mitbringen. Hierbei muss man unterscheiden. Die Fregatten der 124er-Klasse, die schon im Rahmen von Aspides im Roten Meer eingesetzt wurde, sind Luftverteidigungsfregatten. Sie sind speziell darauf ausgelegt, Luftverteidigungsoperationen durchzuführen, und zwar nicht nur für sich, sondern auch für umliegende Schiffe, für einen Flottenverband in der Umgebung.

Die Fregatten der 125er-Klasse, zu der die "Baden-Württemberg" gehört, waren im Rahmen vorheriger Planungen - wir reden von Planungen vor Jahrzehnten - für Stabilisierungsoperationen geplant, also dafür, irgendwo anders zum Beispiel Hauptquartiere, seeseitig zu betreiben, um Stabilisierungsoperationen zu betreuen. Luftverteidigung ist nicht der primäre Fokus. Die Fregatten sind in der Lage, sich selbst zu schützen, haben aber nicht wie Fregatten der 124er-Klasse die Aufgabe, auch umliegende Schiffe zu schützen.

Der Einsatzgruppenversorger ist dazu noch ein Schiff, welches nur über sehr rudimentäre Fähigkeiten verfügt. Das liegt in der Natur der Dinge. Er soll zum Beispiel Betriebsstoffe bereitstellen und hat deswegen Abwehrmöglichkeiten nicht in der Perfektion wie zum Beispiel die anderen Fregattenklassen.

Jetzt geht es darum abzuwägen, sodass wir das Risiko für Besatzung und Schiffe minimieren. Die Priorität liegt hierbei auf der Sicherheit der Besatzung. Das hat Bundesminister Pistorius vorangestellt. Weil der Einsatzgruppenversorger durch die Fregatte nicht umfänglich geschützt werden kann, weil sie eben keine 124er-Fregatte ist, wird der Weg um Afrika gewählt und nicht durch das Rote Meer. Das sind die dahinterstehenden Gründe.

Ich kann noch hinzufügen, dass für die Besatzungen im Grunde kein erheblicher Nachteil entsteht. Die Besatzung der Fregatte wird vor der Wahrnehmung des UNIFIL-Auftrags noch ausgetauscht. Das war so geplant, und das wird auch diesmal ganz normal erfolgen. Die Besatzung des Einsatzgruppenversorgers wird, auch weil entsprechend weniger Hafenaufenthalte und eine schnelle Fahrt um Afrika vorgesehen sind, weit vor Weihnachten, also rechtzeitig auch im Sinne der Fürsorge, wieder in Deutschland erwartet.

Frage

Herr Müller, jetzt haben Sie mir die Frage schon ein bisschen hingelegt. Wenn die 125er-Fregatten derzeit nicht in der Lage sind, sich und vor allem ihr Nahumfeld gegen derartige Angriffe entsprechend zu verteidigen, ist dann bundeswehrseitig momentan geplant, die 125er-Fregatten auf den Stand der 124er-Fregatten zu bringen, was diese Verteidigungsfähigkeiten angeht? In den aktuellen Szenarien scheinen sie ansonsten - wie soll ich es sagen? - eher als "lame duck" unterwegs zu sein.

Müller (BMVg)

Ja, eine Anpassung der Luftverteidigungsfähigkeiten der 125er-Klasse ist geplant und wird durchgeführt. Natürlich muss man sehen, dass man eine 125er-Klasse vom Design her nicht als Luftverteidigungsfregatte ausbringen können wird. Dabei geht es um hochkomplexe Radartechnik und Ähnliches. Aber es ist das Ziel, diese Fregatten nach und nach und zeitnah mit einem System, aufbauend auf IRIS-T, aufzurüsten und für die neue Aufgabe umzurüsten, um auch dort erweiterte Schutzmöglichkeiten zu haben.

Frage

Nachdem Sie gerade schon so schön von Fakten und nicht Gefühlen gesprochen haben, hätte ich eine Frage zum Bericht der "BILD"-Zeitung über die Bürostühle im Bundeskanzleramt, über die Ausschreibung und die Preise. Ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben, Herr Hebestreit. Warum wurden genau diese Stühle ausgewählt? Wurde der Listenpreis bezahlt, oder gab es einen Mengenrabatt oder etwas Ähnliches?

StS Hebestreit

Ich habe den Bericht gelesen und mit Verwunderung auch das Interesse festgestellt. Ich weiß jetzt nicht, warum man diesen Stuhl ausgewählt hat. Meine Vermutung wäre - aber es ist eine Vermutung -, dass es genau das gleiche Modell ist, das dort vor inzwischen 25 Jahren - so lange ist es, glaube ich, her - in der Erstausstattung war. Es gibt gewisse Vorgaben, auch was die architektonischen Gegebenheiten angeht. Insofern ist meine Vermutung, dass man einfach das aktuell neue Modell genommen hat. Wenn man dann eine durchschnittliche Lebenszeit von 25 Jahren bei diesen Stühlen sieht, scheint es auch ganz gut investiertes Geld, nämlich in Qualität, zu sein. Aber vielmehr kann ich dazu nicht mitteilen. Es ist doch eine sehr, sehr detaillierte Thematik.

Zusatzfrage

Noch eine Verständnisfrage: Stimmt die Angabe, dass es der kleine Kabinettssaal ist, in dem die Stühle ausgetauscht werden müssen?

StS Hebestreit

Das war die Information, die wir auf die Anfrage gegeben haben. Für diejenigen, die nicht ganz so häufig im Kanzleramt sind: Es gibt im sechsten Stock den eigentlichen Kabinettssaal. Den kennen Sie alle aus den Aufnahmen. Das ist links, wenn man hineinkommt. Rechts, wenn man in den sechsten Stock kommt, ist eine etwas kleinere Variante davon. Dieser Raum wird für viele interne Runden, aber auch für Regierungsgespräche auch mit ausländischen Staatsgästen genutzt.

Frage

Ich will noch einmal auf die Berichterstattung rund um VW und die Frage eingehen, wie die Bundesregierung auf die aktuellen Zahlen usw. schaut, die jetzt gerade von VW präsentiert wurden.

Herr Hebestreit, sieht die Bundesregierung irgendeine Notwendigkeit, diesem Konzern in der aktuellen Lage unter die Arme zu greifen?

Weil Herr Säverin heute seinen Abschied hat, hat er zum Abschied dazu vielleicht noch irgendwelche frohen Botschaften mitgebracht. Wie schaut der Bundeswirtschaftsminister auf die aktuelle Lage beim VW-Konzern?

StS Hebestreit

Natürlich schauen wir sehr genau auf die Situation des VW-Konzerns. Der Bundeskanzler, aber auch andere Regierungsmitglieder stehen in engem Austausch. Der Kanzler hat sowohl mit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden als auch mit dem Vorstandsvorsitzenden sowie mit Aufsichtsratsmitgliedern immer wieder auch über das Thema gesprochen.

Gestern - das ist Ihnen vielleicht nicht völlig entgangen - war auch der Vorstandsvorsitzende Teilnehmer am Gespräch zur Industrie im Bundeskanzleramt. In diesem Gespräch ging es allerdings nicht um ein konkretes Unternehmen, sondern eher grundsätzlich um den Industriestandort Deutschland und seine Stärkung. Da hat das keine Rolle für das einzelne Unternehmen gespielt.

Ansonsten beobachten wir die Situation. Im Augenblick ist es eine sehr herausfordernde Situation für Volkswagen. Der Bundeskanzler hat sich vergangene Woche, glaube ich, dazu auch schon bei seinem Aufenthalt in Indien geäußert. Er hat auch darauf hingewiesen, dass einige der Schwierigkeiten, die VW hat, weniger den Rahmenbedingungen geschuldet sind, die jetzt politisch oder aufgrund hoher Energiepreise oder Veränderungen in der E-Mobilität zu suchen sind, sondern dass es dabei auch um Managemententscheidungen geht, die sich jetzt gerade negativ auf den Konzern auswirken. Aber wir sind im Gespräch mit allen Beteiligten, und diese Gespräche werden fortgesetzt.

Dr. Säverin (BMWK)

Das ist eine wirklich ernste Sache. Wenn man sich vor Augen führt, dass es dort um mehrere Zehntausend Beschäftigte und ihre Familien geht, die ihre wirtschaftliche und teilweise auch ihre persönliche Existenz an ein Unternehmen gebunden haben, in dem Vertrauen, dass die Entscheidungen des Managements richtig sind, Fehler vermieden werden und die Stellung des VW-Konzerns in dem weltweiten Strukturwandelprozess richtig gefunden wird, dann sieht man, dass es jetzt darauf ankommt, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Bundesminister Habeck hat klar gesagt, dass es jetzt darauf ankommt, eine konstruktive Lösung zwischen Management und Betriebsrat zu finden, eine Lösung, bei der Standortschließungen auf jeden Fall vermieden werden. Nur durch solch eine Lösung kann das jetzt angeschlagene Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, wenn ich mir die Zahlen anschaue, die VW heute veröffentlicht hat, dann muss ich sagen, dass man nicht gerade von einem notleidenden Konzern sprechen kann. Zu welchem Schluss kommt denn die Bundesregierung, wenn sie auf diese Zahlen schaut? Denn nach wie vor, schreibt VW gar nicht so schlechte Gewinne, zumindest dann, wenn man die Rückstellungen für - so sage ich einmal - Umstrukturierungsmaßnahmen und Abfindungen herausrechnet.

StS Hebestreit

Wir äußern uns ja grundsätzlich nicht zu einzelnen Unternehmen und haben die Zahlen, die heute veröffentlicht wurden, von dieser Stelle aus auch nicht zu kommentieren. Gleichzeitig ist es aber so, dass alle deutschen Automobilfirmen vor erheblichen Herausforderungen stehen. Sie stehen auch vor erheblichen Investitionen. Der Übergang zur E-Mobilität gestaltet sich schwieriger als erhofft. Das erleben wir. Das hat auch viel mit der Akzeptanz durch Kunden zu tun, aber auch mit dem Aufwuchs durch Ladeinfrastruktur, auch mit der Frage der Herstellung für die Batterieelektrik. Diese Herausforderungen müssen alle bewältigen. In diesem Zusammenhang ist, denke ich, auch die aktuelle Entwicklung bei Volkswagen zu sehen.

Neben den Zahlen, die Sie anführen, muss man natürlich auch auf die Perspektive der nächsten Monate und Jahre schauen. Herr Säverin hat sehr deutlich gemacht, wie viele Arbeitsplätze und damit auch Familien der Beschäftigten daran hängen. Insofern sollte man es sich nicht zu einfach machen und muss genau hinschauen.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben eben schon das Treffen im Kanzleramt mit den Wirtschaftsvertretern angesprochen. Ein weiteres steht an. Bleibt es dabei, dass sich wieder nur der Kanzler mit der Wirtschaft trifft, oder werden dann auch Ampelpartner mit dabei sein? Wenn nicht, warum nicht?

Werden beim zweiten Mal auch wieder nur Vertreter der Industrie dabei sein oder zum Beispiel auch des Mittelstands?

StS Hebestreit

Die Runde gestern hat drei Stunden lang im Kanzleramt getagt. Das war sehr konstruktiv und auch sehr konkret. Man hat vereinbart, dieses Treffen am 15. November fortzusetzen. Nach dem 15. November soll es noch mindestens ein weiteres Treffen geben.

Es gibt nicht nur die Treffen, sondern parallel dazu hat man im Prinzip eine Arbeitsstruktur geschaffen, sodass jetzt auf Arbeitsebene auch zwischen den Terminen weiter gehandelt werden kann und gearbeitet wird, sodass es am Ende auch um konkrete Ergebnisse gehen wird.

Im Augenblick ist für das Treffen am 15. November der Kreis derer vorgesehen, die gestern zusammengekommen sind. Ob sich das in den nächsten Tagen verändert, ob der Kreis vielleicht noch um einzelne weitere Unternehmen erweitert wird, ist zu klären. Aber das ist jetzt erst einmal die Struktur, bevor man dann - das ist der andere Teil Ihrer Frage, so interpretiere ich das - innerhalb der Bundesregierung mit dem, was dort miteinander besprochen worden ist, umgeht.

Frage

(zur Lage von Volkswagen) Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit und vielleicht Herrn Säverin. Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, Standortschließungen mit finanzieller Hilfe abzuwenden?

Eine zweite Frage zu den Strafzöllen, die jetzt in Kraft treten: Wie reagiert die Bundesregierung darauf?

StS Hebestreit

Vielleicht fange ich am besten mit der zweiten Frage an. Der Bundeskanzler hat sich im Vorfeld sehr klar dazu geäußert und gesagt, dass er solche Strafzölle nicht richtig findet. Die Bundesregierung war eine von fünf Regierungen von Staaten in der EU, die dagegen gestimmt haben, dass solche Strafzölle kommen sollen. Weitere zwölf Länder haben sich der Stimme enthalten. Das heißt, der Vorschlag der EU-Kommission hat in genau zehn Ländern Zustimmung gefunden. Trotzdem sind sie mit der Veröffentlichung im Amtsblatt heute im Augenblick Realität.

Die Erwartungshaltung der Bundesregierung ist, dass die EU-Kommission gemeinsam mit der chinesischen Führung eine verhandelte Lösung in dieser Streitfrage findet, weil die Strafzölle auf europäischer Seite natürlich eine Antwort der chinesischen Seite nach sich ziehen werden. Solche Handelskonflikte sind nichts, was wir anstreben sollten. Insofern gilt die klare Erwartungshaltung in Richtung Brüssels, aber auch in Richtung Pekings, dass man in den laufenden Gesprächen zu guten Ergebnissen kommt und dass dieser Handelskonflikt abgewendet werden kann. Das ist die Position, die wir auch innerhalb der Bundesregierung deutlich gemacht haben.

(zur Lage von Volkswagen) Zur ersten Frage: Ich denke , es ist zu früh. Deshalb haben wir gesagt: Wir schauen uns die Situation an. - Im Augenblick muss das erst einmal im Konzern miteinander diskutiert werden. Es ist, denke ich, zu früh, seitens der Regierung irgendetwas zu signalisieren oder auszuschließen, sondern das müssen der Konzern und die Tarifpartner miteinander diskutieren.

Ich denke, die Tatsache, dass sich die Politik das sehr genau anschaut und dass der Bundesregierung die Bedeutung des Konzerns und auch die Menge der Arbeitsplätze, die daran hängen, sehr bewusst ist, ist vielleicht ein Signal. Aber mehr würde ich im Augenblick nicht tun. Grundsätzlich ist es so, dass der Volkswagen-Konzern ein Unternehmen ist.

Dr. Säverin (BMWK)

Eine ganz kurze, eher begriffliche Anmerkung: Gelegentlich wird für diese Zölle auch der Begriff der Ausgleichszölle verwendet. Dieser Begriff trifft den Kern der Sache eigentlich besser. Denn es geht dabei tatsächlich darum, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass chinesische Unternehmen Subventionen erhalten haben, und dass die chinesischen Produkte im Vergleich mit den deutschen Produkten, auch mit denen von VW, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt vorfinden. Deswegen benutzen wir im Wirtschaftsministerium gern den Begriff der Ausgleichszölle.

Wenn man diesen Ausgleich auf andere Weise erzielen kann, indem man die Zölle modifiziert, sie vielleicht sogar abschafft, dann wäre das unserer Meinung nach die allerbeste Lösung. Darauf sind nun die Verhandlungen ausgerichtet, die fortgesetzt werden, wie die Kommission uns, worüber wir sehr froh sind, mitgeteilt hat.

Frage

Eigentlich habe ich zu allen drei Komplexen eine Nachfrage.

(zum Gespräch des Bundeskanzlers mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften) Herr Hebestreit, ist gestern erörtert worden, ob Kaufanreize für E-Autos den Unternehmen helfen könnten, selbst wenn es nicht nur speziell um VW ging? War der Bundeskanzler offen dafür?

StS Hebestreit

Sie wissen, es brennt innerlich in mir, Ihnen hier gern viele Details aus diesen internen Gesprächen mitzuteilen. Aber von allen Beteiligten ist Vertraulichkeit vereinbart worden, und daran möchte ich mich halten, auch um diese sehr konkreten und konstruktiven Gespräche nicht zu erschweren.

Zusatzfrage

Zum Thema der Strafzölle habe ich noch eine Nachfrage. Die EU-Kommission hat für Hersteller sehr unterschiedliche Zölle festgelegt. Sind sie aus Sicht des Kanzleramtes und des Wirtschaftsministeriums fair verteilt? Zum Beispiel muss Tesla nicht so viel zahlen wie Joint-Venture-Unternehmen von VW.

StS Hebestreit

Da wir das erst einmal sehr generell kritisieren, würde ich mich hier nicht zu einer Beurteilung der einzelnen Höhen hinreißen lassen. Ich weiß nicht, ob sich Herr Säverin dem überlassen will, ich will es nicht.

Dr. Säverin (BMWK)

Das Verfahren, das die Kommission in der Bemessung dieser Zölle und in der Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Subventionen durchgeführt hat, haben wir sehr eng begleitet. Wir sind auch oft gefragt worden. Auch die chinesischen Unternehmen haben es zum Teil sehr eng begleitet. Wir hatten den Eindruck, dass es ein sehr sachbezogener, ein sehr korrekter und fachlich exakter Prozess war, den die Kommission angestrengt hat, und dass im Ergebnis dessen diese differenzierten Zölle ausgerechnet und erlassen wurden.

Gerade die Differenziertheit dieser Zölle zeigt, dass jedes Unternehmen und die Produktionsbedingungen der Unternehmen in China einzeln betrachtet wurden und dass einzeln ausgerechnet wurde, worin der Vorteil besteht und wie hoch der Ausgleichszoll sein sollte.

Frage

Herr Hebestreit, ich habe eine Nachfrage zu dem Treffen gestern im Kanzleramt. Sie hatten ausgeführt, es werde am 15. November erst einmal in bestehender Besetzung weitergehen und dann noch ein weiteres Treffen geben. Um es einmal ganz konkret zu machen: Heißt das, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nach jetzigem Stand zu dem Treffen am 15. November noch nicht eingeladen sind?

StS Hebestreit

Ich dachte, das ergibt sich aus dem. Wenn sich die Runde, die sich gestern getroffen hat, der Bundeskanzler im Austausch mit Industriegewerkschaften, mit Industrieverbänden - das waren vor allem der BDI und der VDMA, also die Maschinenbauer -, mit den CEOs oder Vorstandsmitgliedern großer deutscher Unternehmen, wieder trifft und man dort einen Arbeitsprozess miteinander vereinbart, ist das zunächst einfach die Fortsetzung des Treffens von gestern. Zu einem späteren Zeitpunkt wird es ganz sicher - alles andere ergäbe ja gar keinen Sinn - innerhalb der Bundesregierung über das, was dort miteinander besprochen wird, auch einen engen Austausch geben. Aber klar, am 15. November wird wieder die Runde zusammenkommen, die sich gestern im Bundeskanzleramt getroffen hat.

Zusatzfrage

Der 15. November ist der Tag nach der geplanten Bereinigungssitzung. Können Sie ausführen, ob das Zufall ist oder ob man ganz bewusst sagt: "Egal was da besprochen wird, ist das nichts mehr, was auch den Haushalt 2025 betrifft"?

Noch eine Nachfrage: Sie haben gesagt, es sei natürlich, dass man das Gespräch fortführe, und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, man wolle sich erst nach dem dritten Gespräch innerhalb der Bundesregierung abstimmen. Das klingt nach einem Prozess, der noch eine ganz schöne Weile in Anspruch nehmen wird. Für wann können Unternehmen denn konkrete Maßnahmen erwarten?

StS Hebestreit

Erst einmal geht es - und das ist vielleicht ganz wichtig - um pragmatische Lösungen, die jetzt miteinander entwickelt werden. Gestern gab es einen ersten Austausch zu einigen Punkten. Weitere Punkte werden im nächsten Gespräch behandelt werden. Man muss auch dann immer abschätzen, was innerhalb all der Rahmenbedingungen, die wir haben, möglich ist.

Der 15. November war einfach kalendarisch das nächste mögliche Datum für die Beteiligten. Daraus würde ich jetzt erst einmal - - - Natürlich, haben Sie recht, es gibt die Haushaltsbereinigungssitzung, die bis dahin abgeschossen sein soll. Ich habe gesagt, es geht um pragmatische Lösungen. Wenn im Verlaufe des Verfahrens doch noch haushaltsrelevante Themen miteinander behandelt werden müssen, dann muss man sehen, wie man damit umgeht, um das auch umsetzen zu können. Das ist ja der feste Wille.

Ich denke, alle, die dort zusammengekommen sind, hatten den gemeinsamen Spirit, zu sehen, dass man zu Lösungen kommen will, dass es wirklich um eine ernste Situation für die deutsche Industrie geht und dass man jetzt mit sehr konkreten Maßnahmen, die nicht alle aus finanziellen Punkten bestehen müssen - - - Da geht es auch um Regulierungen, da geht es auch um Erleichterungen, die erst einmal kein Geld kosten, aber viel Arbeit sparen. Auch diese Themen werden dann miteinander behandelt. Insofern ist das, was den Haushalt angeht, einer, aber nicht der einzige Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt.

Frage

Auch ich habe noch eine Frage zu dem Treffen. Sie haben gesagt, das Kanzleramt erarbeite direkt mit den Wirtschaftsverbänden konkrete Maßnahmen. Heißt das, dass es nach dieser ersten Brainstormingsession - so will ich es einmal nennen - kein Konzept des Kanzleramts geben wird, das als Gesprächsgrundlage für das nächste Treffen und einen möglichen Pakt für die Industrie vorliegen soll?

Zudem wüsste ich gern, warum der Bundesregierung in der Frage des Bürokratieabbaus, und zwar netto, ein so schlechtes Zeugnis ausgestellt wird, und zwar nicht nur von den Industrievertretern, sondern von der Wirtschaft insgesamt. Wird das ein Schwerpunkt auf den nächsten beiden Treffen werden?

StS Hebestreit

Erst einmal, habe ich mich offenbar nicht ganz präzise ausgedrückt, wenn Sie es so verstanden haben. Ich habe gesagt: Alle, die dort gestern zusammengekommen sind, haben beschlossen, dass alle Beteiligten jetzt auf Arbeitsebene vor dem nächsten Treffen das, was gestern in den Gesprächen miteinander ausgetauscht worden ist, sehr präzise weiter erarbeiten, um dann in einem zweiten Schritt, der am 15. November stattfinden wird, sowohl das zu bewerten als auch weitere Themen innerhalb des Themenfeldes der Industriepolitik zu besprechen. Es ist also nicht so, dass das Bundeskanzleramt jetzt gemeinsam mit Verbänden einen geheimen Plan erarbeitet, sondern es ist so, dass sich alle Beteiligten dort mit Ideen, mit Rat und Tat und auch Ihren Erfahrungen und Ihren praktischen Herausforderungen, vor denen Sie stehen, immer wieder dazu geäußert haben und dazu im Gespräch sein werden.

Zu der zweiten Frage nach dem Bürokratieabbau und warum das in der Wirtschaft und in der Industrie kritisch gesehen wird: Dass man sich grundsätzlich immer auch mehr vorstellen kann und am liebsten möglichst wenig Regulierung hat, ist aus der Natur der Sache heraus für jeden Einzelnen nachvollziehbar. Ich glaube, diese Bundesregierung hat Regulierungen verringert und Bürokratie abgebaut in einem Maße wie wenige vor ihr. Gleichzeitig haben wir aber natürlich die Situation, dass die Regulierungen, die auf vielen Ebenen auch aus Europa für alle europäischen Staaten im Zuge der Kohäsion, der Angleichung immer wieder kommen, natürlich etwas sind, was die Bundesregierung nicht verhindern kann. Wir können ja nicht sagen: Wir setzen europäisches Recht oder europäische Richtlinien nicht um.

Insofern versuchen wir immer wieder, das zu verringern bzw. beenden, was wir können. Ich glaube, es gibt inzwischen vier Bürokratieentlastungsgesetze. Gleichzeitig schauen wir auch immer - das ist ja auch die Vereinbarung innerhalb der Bundesregierung -, dass man Richtlinien aus Europa eins zu eins umsetzt, also nicht noch versucht, sehr spezielle, weiterreichende Lösungen innerhalb von Deutschland oder besonders für Deutschland zu kreieren. Dabei geht es darum, dass man mit Blick auf die Belastungen für alle Beteiligten - das sind ja Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie Unternehmen -, die unter der Regulierungsfreude aus Brüssel, aber auch andernorts leiden bzw. damit zu tun haben, vorankommt. Man kann jetzt aber nicht einen Stopp erklären und sagen: Wir machen nicht mehr.

Man muss auch sagen, dass das, was die einen Bürokratie nennen, andere ganz wichtig finden, weil sie sagen: Wir wollen Grenzwerte, wir wollen Kontrollen haben, wir wollen sicherstellen, dass soziale Standards eingehalten werden oder so. Das muss man also auch sehr differenziert sehen; denn was der eine für bürokratisch und schlimm hält, findet der andere richtig, und das gilt es auch miteinander abzuwägen.

Zusatzfrage

Ich habe eine kurze Nachfrage zu dem Thema: Wir machen das gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden.

StS Hebestreit

Und den Gewerkschaften.

Zusatzfrage

Und den Gewerkschaften, genau. - Lobbygruppen dürfen zwar ihre Meinung sagen und auch Stellungnahmen abgeben, aber normalerweise nicht direkt Politik machen. Ist das insofern nicht ein bisschen erstaunlich?

StS Hebestreit

Am Ende muss die Politik immer selber entscheiden, was sie für richtig hält. Aber dass man sich klug macht und dass man diejenigen, die von den Entscheidungen direkt betroffen sind, immer auch einbezieht und ihnen zuhört, gehört sich, glaube ich, für gute Politik.

Frage

Ich komme noch einmal zurück zu dem Thema Ausgleichszölle. Wenn man sich die Veröffentlichungen im Amtsblatt der Europäischen Union ein bisschen genauer durchliest, sieht man eine sehr starke Differenzierung bei den einzelnen Herstellern, was auch etwas damit zu tun hat, inwieweit Dokumente durch die Hersteller respektive durch die chinesische Regierung beigebracht wurden. Jetzt habe ich gerade einen Appell vernommen - in erster Linie an die Kommission, wenn ich das richtig verstanden habe -, sich mit China zu einigen. Welche Erwartungshaltung hat die Bundesregierung gegenüber Peking an dieser Stelle?

StS Hebestreit

Mein Appell, den Sie vernommen haben, dass man in diesen Gesprächen, die inzwischen zwischen Brüssel und Peking seit einigen Wochen laufen, zu tragfähigen und konstruktiven Lösungen kommt, ist sowohl an Brüssel als auch an Peking, an die chinesische Seite, gerichtet.

Zusatzfrage

Herr Säverin, Sie hatten eben die Reziprozität ein Stück weit angesprochen, also die Gegenseitigkeit bei dem Ergebnis, was Sie sich erhoffen. Ich habe noch nicht verstanden, was genau die chinesische Seite aus Sicht der Bundesregierung, aus Sicht des Wirtschaftsministeriums tun müsste, um diese chinesischen Subventionen mit einer europäischen Variation irgendwie verrechnen zu können. Was erwarten Sie sich da von China?

Dr. Säverin (BMWK)

Diese Frage ist vollkommen berechtigt. Die Verhandlungen führt die Kommission, und die Kommission ist mit der chinesischen Seite in den Verhandlungen zu den Details. Es fällt mir daher wirklich schwer zu sagen - ich weiß es auch einfach nicht -, welche Vorschläge dort von der chinesischen Seite und von der Kommission gemacht werden. Ob diese Vorschläge sinnvoll sind, ob sie realisierbar sind, das weiß ich einfach nicht. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir die Kommunikation in dieser Frage der Verhandlungen eigentlich gerne bei der Kommission lassen würden, und dabei würde ich jetzt einfach auch bleiben.

Frage

Zunächst noch einmal zu den Strafzöllen: Herr Hebestreit, Herr Säverin, einige chinesische Hersteller überlegen jetzt, ob sie Fabriken in Europa bauen. Wäre das Ihrer Meinung nach eine gute Idee, wenn sie die in Deutschland bauen würden, unter anderem, weil Deutschland ja mit Nein gegen die Strafzölle gestimmt hat?

StS Hebestreit

Das ist jetzt sehr konkret. Ohne auf die konkrete Thematik einzugehen, möchte ich Ihre Frage grundsätzlich so beantworten, dass sich die Bundesrepublik immer über Industrieansiedlungen freut und ein sehr guter Industriestandort ist. Insofern sind wir unabhängig davon, wer hier etwas baut, sehr offen dafür; das versteht sich von selbst. Ich würde das jetzt aber nicht mit der Frage der Strafzölle vermischen.

Dr. Säverin (BMWK)

Dem kann ich eigentlich nichts hinzufügen. Grundsätzlich freuen wir uns immer über Industrieansiedlungen. Es ist auch Teil unserer Industriepolitik, Industrieansiedlungen zu befördern. Was das jetzt konkret für die Absichten oder die bekundeten Absichten chinesischer Autobauer für den deutschen Markt bedeutet, dazu kann ich einfach nichts sagen.

Frage

Ich hätte noch eine Nachfrage zu den Industriegesprächen: Herr Hebestreit, der Kanzler hat vor den Gesprächen - das ist schon wieder zwei Wochen her - schon einen Vorschlag über Netzentgelte gemacht, die unter anderem durch einen Bundeszuschuss gedeckelt werden sollen. Ich nehme an, dass dieser Vorschlag jetzt nicht unbedingt noch Ergebnis dieser Industrierunde sein wird. Hat er also zumindest bei diesem Teil - Bundeszuschuss für Netzentgelte - die Hoffnung, dass das noch in den Bundeshaushalt für 2025 aufgenommen wird?

StS Hebestreit

Ich glaube, es ist mindestens zwei Wochen oder sogar drei Wochen her, dass er diesen Vorschlag gemacht hat. Ich gehe davon aus, dass das auch jetzt Teil der Gespräche um den Bundeshaushalt 2025 sein werden. Aber auch diese Gespräche - Sie wissen das - liegen im Augenblick im Deutschen Bundestag, der der Haushaltsgesetzgeber ist. Die Haushaltsbereinigungssitzung ist, wenn ich richtig rechne, in gut zwei Wochen, und bis dahin haben wir dann Klarheit.

Zusatzfrage

Die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Dröge hatte heute Morgen beklagt, dass die Bundesregierung jetzt erst einmal die 49 Punkte, die schon im Sommer in dem Entlastungspaket für die Wirtschaft verabredet worden sind, umsetzen sollte; mehr als die Hälfte sei noch nicht dem Bundestag zugegangen. Können Sie uns sagen, wann die Bundesregierung bzw. das Kabinett die restlichen Punkte auch noch beschließen möchte?

StS Hebestreit

Das wird alles unter hohem Druck und mit hoher Priorität vorbereitet. Die nächste Kabinettssitzung ist am 6. November. Nach allem, was ich an Übersicht gesehen habe, ist das eine Kabinettssitzung mit einer sehr umfangreichen Tagesordnung. Insofern kann sich Frau Dröge darauf vorbereiten, dass vieles aus der Wachstumsinitiative, was noch nicht den Bundestag erreicht hat, dann auch kommen wird. Gleichzeitig ist es so, dass auch die Aspekte, die schon im Bundestag sind, nach Möglichkeit relativ schnell entschieden sein könnten; das hilft dann ja auch schon einmal.

Frage

Herr Hebestreit, das klang jetzt so, als wenn das Thema Industrieförderung jetzt erst einmal einige Wochen nur im Kanzleramt liegen würde. Können Sie konkret sagen, wann es Gespräche zwischen Herrn Scholz, Herrn Habeck und Herrn Lindner gab bzw. gibt?

StS Hebestreit

Es gibt eine ganze Reihe von Gesprächen innerhalb der Bundesregierung zu allen Fragen. Auch diese drei Herren, die Sie gerade genannt haben, stehen in einem engen Austausch, und auch in den nächsten Tagen wird es wieder Austausch zwischen ihnen geben. Neben der konkreten Industriepolitik, die Sie ansprechen, gibt es natürlich auch noch die Würdigung der Steuerschätzung und die damit verbundenen Folgen für den Bundeshaushalt. Es stehen jetzt also eine ganze Reihe von Gesprächen an.

Zusatzfrage

Herr Säverin, wie bewertet das Wirtschaftsministerium, dass das Thema Wirtschaftspolitik jetzt offensichtlich erst einmal im Kanzleramt angesiedelt wird und nicht mehr bei Ihnen?

Dr. Säverin (BMWK)

Das ist keineswegs so. Die Wirtschaftspolitik wird von der gesamten Bundesregierung betrieben, und es herrscht dort ja wirklich große Einigkeit, alle wollen dasselbe: Die Wirtschaft muss vorankommen, es muss vorwärts gehen; wir müssen den Zustand überwinden, dass das Wachstum am Boden klebt. Jedes Ministerium und auch das Kanzleramt ist im Rahmen seiner Kontakte, seiner Zuständigkeit und seiner Kompetenzen dabei, an diesem Ziel zu arbeiten.

StS Hebestreit

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es geht jetzt doch nicht um Eitelkeiten, sondern es geht darum, dass man die nötigen Entscheidungen vorbereitet und dann miteinander trifft, die es braucht, um die Wachstumsraten, die im Augenblick doch unterdurchschnittlich sind, wieder nach vorne zu bringen. Das ist nicht eine Frage von Parteizugehörigkeit oder davon, welcher Minister oder ob der Bundeskanzler zuständig ist, sondern da geht es darum, dass dieses Land im Moment unter einer schwachen Wirtschaftsentwicklung zu leiden hat. Wir versuchen, die Rahmenbedingungen im Rahmen des Möglichen so zu setzen, dass wir in den kommenden Monaten wieder deutlich erfreulichere Aussichten haben, was die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes betrifft. Das hat dann auch viel mit der Gesundung der Löhne zu tun, das hat mit Investitionstätigkeiten, die dann wieder stärker möglich sind, für Unternehmen zu tun, und insgesamt ist es gut für dieses Land.

Frage

Herr Säverin, ich möchte den Sensationsarm dicht am Realitätsarm halten. Deswegen noch einmal die Frage an Sie und an das Bundesfinanzministerium: Haben Sie überhaupt schon erfahren, dass Herr Habeck und Herr Lindner am 15. November nicht dabei sind? Wann ist das innerhalb der Bundesregierung kommuniziert worden? Denn es wird ja angeblich eng kommuniziert, wie Sie gesagt haben. Planen Ihre beiden Ministerien wieder Gegenveranstaltungen, sprich, werden sich Herr Habeck und Herr Lindner vorher jeweils mit einer anderen Gruppe treffen und wird Herr Habeck vielleicht am gleichen Tag ein anderes Konzept vorlegen? Was ist da im Bundeswirtschaftsministerium und im Finanzministerium geplant?

Dr. Säverin (BMWK)

Ich habe mit dieser Frage gerechnet und ich biete Ihnen die Standardantwort an, dass die Termine des Ministers bekanntgegeben werden, wenn es soweit ist. Mehr kann ich dazu in diesem Moment nicht sagen.

Hartmann (BMF)

Dem kann ich mich anschließen, das gilt auch für unser Haus.

StS Hebestreit

Ich bin mir jetzt auch nicht sicher, ob das Ihr Sensationsarm oder Ihr Faktenarm war.

Zusatzfrage

Aber es war so ein schönes Bild. - Kurze Nachfrage: Ihre beiden Minister wissen aber, dass sie am 15. November nicht dabei sind?

Dr. Säverin (BMWK)

Wie Sie auch von Herrn Hebestreit schon vernommen haben, ist die Planung dieses Treffens nicht abgeschlossen. Wir können wirklich erst etwas dazu sagen, wenn feststeht, ob Minister Habeck teilnimmt oder nicht. Dann werden wir das auch mitteilen, vorher nicht.

Frage

Ich wollte noch einmal nach der Semantik fragen: Herr Säverin, Sie haben jetzt sehr konsequent von Ausgleichszöllen gesprochen; Herr Hebestreit, Sie haben sehr konsequent von Strafzöllen gesprochen. Warum gibt es zwischen Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium diese Diskrepanz in der Semantik?

Herr Säverin, Sie haben gesagt, dass Sie sich modifizierte Zölle vorstellen könnten. Heißt das einfach geringere Zölle, oder was darf ich darunter verstehen?

StS Hebestreit

Ich würde das jetzt als eine Geschmacksfrage titulieren. Ich habe den Begriff benutzt, der sich allgemein für dieses Verfahren etabliert hat. Herr Säverin hat den präziseren Begriff der EU-Kommission benutzt. Ich glaube, da gibt es außer der Semantik keine begriffliche Unterscheidung.

Dr. Säverin (BMWK)

Zu den Zöllen: Es ist ja so, dass diese Verhandlungen jetzt stattfinden, und da sind verschiedene Möglichkeiten für Ergebnisse denkbar. Es geht uns um Ausgleich, und wenn der Wettbewerbsausgleich durch eine Modifikation der Zölle oder durch deren Abschaffung oder durch andere Begleitmaßnahmen hergestellt werden kann, dann sind wir damit auch zufrieden. Uns geht es wirklich darum, gleiche Wettbewerbsbedingungen für chinesische und deutsche Autos auf dem Binnenmarkt herzustellen.

Frage

Nachdem es eben noch kurz um die chinesischen Hersteller ging, die sich möglicherweise in Europa und möglicherweise auch in Deutschland ansiedeln wollen: In China gibt es nach wie vor das Joint-Venture-Modell. Hat die Bundesregierung irgendwelche Pläne, ein vergleichbares Modell für mögliche Ansiedlungen chinesischer Automobilhersteller in Deutschland einzuführen, und wäre das rechtlich überhaupt möglich?

StS Hebestreit

Ich kenne solche Pläne nicht.

Dr. Säverin (BMWK)

Ich auch nicht.

Frage

Direkt daran anschließend: Es gibt jetzt einen neuen Bericht, laut dem Chinas Regierung angeordnet habe, dass Automobilhersteller ihre Investitionen in den europäischen Ländern stoppen sollen, die für die Strafzölle gestimmt haben. Deswegen hätte ich meine Frage von eben gerne noch ein bisschen modifiziert und gefragt: Halten Sie es für eine richtige Reaktion, dass zumindest die chinesische Regierung das Abstimmungsverhalten bei den Strafzöllen damit verbindet, wo investiert werden sollte?

StS Hebestreit

Ich glaube nicht, dass ich da irgendeinen sinnvollen Hinweis zu Verhalten der chinesischen Regierung anderen Regierungen gegenüber, die nicht die bundesdeutsche Regierung sind, geben kann. Insofern tue ich das auch nicht.

Zusatzfrage

Das zeigt ja so ein bisschen, dass wir auch innerhalb von Europa eine relativ hitzige Debatte über die Frage hatten, wie man sich nun verhalten soll. Wie blickt das Auswärtige Amt auf diese Debatte? Zeigt das die Zerrissenheit der Europäer?

Fischer (AA)

Ich kann den Vorreden des Regierungssprechers und des Sprechers des BMWK nicht viel hinzufügen. Ich glaube, entscheidend ist doch, dass Europa mit einer Stimme spricht - das ist entscheidend, wenn es um den Konflikt mit der Ukraine geht, das ist entscheidend bei klimapolitischen Verhandlungen, das ist entscheidend bei Fragen des transatlantischen Verhältnisses und das ist eben auch entscheidend im Umgang mit China. Das heißt, dass wir die Kommission bei ihren Verhandlungen mit China unterstützen und dass es jetzt darauf ankommt, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden, um zu einer guten, fairen und einvernehmlichen Lösung zu kommen. Wie Herr Säverin schon ausgeführt hat, kann das dazu führen, dass die Ausgleichszölle bei einer Einigung angepasst werden oder sogar ganz zurückgenommen werden können. Ich glaube, da liegt der Ball jetzt vor allen Dingen auf der chinesischen Seite.

Frage

Gestern ist das Palästinenser-Hilfswerk UNRWA durch das israelische Parlament verboten worden. Welche Auswirkungen hat das auf die Zahlungen aus Deutschland? Darüber haben wir hier ja schon ein paar Mal gesprochen; diese Zahlungen sind zeitweilig auch gestoppt worden. Kann die Bundesregierung irgendwie helfen, dass trotzdem Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangen?

Fischer (AA)

Lassen Sie mich vielleicht einmal ausholen. - Die Außenministerin hat sich am Wochenende gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus sechs anderen Ländern - Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Japan und Südkorea - sehr besorgt über die Pläne der israelischen Knesset zu einem Verbot von UNRWA geäußert. Ähnlich hat sich die Menschenrechtsbeauftragte direkt nach Verabschiedung der Gesetze geäußert, und wir als Auswärtiges Amt haben das gestern auch noch einmal.

Im Kern haben die Außenministerinnen und Außenminister bzw. diejenigen, die sich international zu Wort gemeldet haben, ihre tiefe Sorge über die Gesetze zum Ausdruck gebracht. Wenn die Gesetze umgesetzt würden, dann würde dies die Arbeit von UNRWA im Westjordanland, in Ostjerusalem und in Gaza faktisch unmöglich machen. Vor allem in Gaza stünde die UNRWA vor dem Zusammenbruch, und dort befinden sich schon jetzt 2,2 Millionen Menschen in einer sehr dramatischen Notlage. Nach UN-Angaben leiden 86 Prozent der Bevölkerung in Gaza unter Mangelernährung.

Es ist natürlich auch wichtig und richtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die UNRWA in diesen Gebieten, also im Westjordanland, in Gaza, in Ostjerusalem, aber auch darüber hinaus in Syrien, in Libanon und in Jordanien aktiv ist, weil sie auf einem Mandat der UN-Vollversammlung beruht. Die UN-Vollversammlung hat UNRWA per Beschluss ins Leben gerufen, und UNRWA agiert sozusagen unter der Maßgabe dieses Beschlusses der UN-Vollversammlung in ihrem Mandat.

Das bedeutet für uns, dass UNRWA auch zukünftig in der Lage sein muss, für die Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza, im Westjordanland und auch in Ostjerusalem die lebensrettende humanitäre Hilfe sowie Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sicherzustellen, und dass die israelische Regierung die Umsetzung dieses Gesetzes so gestalten muss, dass das für UNRWA weiterhin möglich ist.

Zusatzfrage

Gibt es jetzt denn konkrete Gespräche bzw. versucht die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die Umsetzung dann auch so erfolgt?

Fischer (AA)

Wir sind gemeinsam mit unseren internationalen Partnern natürlich schon seit längerer Zeit im Gespräch mit Israel, genauso wie mit UNRWA und den UN-Organisationen. Es zeichnete sich ja ab, dass es zu diesem Gesetz kommen würde. Wie gesagt, das Gesetz tritt 90 Tage nach der dritten Lesung in Kraft, insofern verbleibt jetzt noch ein wenig Zeit.

Unsere Haltung und letztlich auch die Haltung der Außenministerinnen und Außenminister, die sich gemeinsam mit meiner Ministerin geäußert haben, aber auch der übergroßen Mehrheit der internationalen Gemeinschaft - das hat sich auch gestern in der Sitzung des UN-Sicherheitsrats gespiegelt -, zeigt doch, dass es die große Erwartung gibt, dass die Gesetze so umgesetzt werden, dass UNRWA sein Mandat auf israelischem Gebiet und auch in den palästinensischen Gebieten erfüllen kann. Wir rufen deshalb die israelische Regierung dazu auf, zu gewährleisten, dass UNRWA und andere UN-Organisationen im Rahmen ihres Mandats weiterarbeiten können.

Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Israel auch seiner Pflicht nachkommen muss - die ja nicht zuletzt der internationale Gerichtshof noch einmal festgelegt hat -, der palästinensischen Zivilbevölkerung ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe zu gewähren und dringend benötigte Basisdienstleistungen zu ermöglichen.

Frage

Sie haben jetzt den Stand beschrieben und Sie haben auch gesagt, dass Deutschland, so wie andere Staaten auch, versuchen will, auf Israel einzuwirken, um dieses jetzt aber schon beschlossene Gesetz zu ändern. Gibt es auch praktische Vorbereitungen - in diese Richtung zielte ja auch die Frage der Kollegin - für den Fall, dass dies nicht geschehen sollte? Muss man dann beispielsweise mit Ägypten sprechen, damit Dinge über Ägypten laufen können, oder spricht man darüber, welche anderen Hilfsorganisationen da Aufgaben übernehmen könnten und inwieweit Deutschland dann auch umschichten könnte? - Vielleicht kann auch das BMZ dazu etwas beitragen?

Fischer (AA)

Es ist erst einmal zentral, dass UNRWA das von der UN-Vollversammlung gegebene Mandat vollumfänglich erfüllen kann. Das Gesetz, das die israelische Knesset verabschiedet hat, wird erst in 90 Tagen in Kraft treten. In diesen 90 Tagen ist noch Zeit für die internationale Gemeinschaft und für die israelische Regierung, eine Lösung zu finden, die es UNRWA ermöglicht, ihr Mandat vollständig zu erfüllen, insbesondere in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem. Darauf sind unsere Bemühungen gerichtet.

Aber natürlich hat jeder im Hinterkopf, was passieren könnte, wenn es nicht gelingt, und Sie können sicherlich davon ausgehen, dass auch sogenannte "contingency plannings" begonnen haben. Aber das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, UNRWA zu ermöglichen, ihr von der UN-Vollversammlung gegebenes Mandat vollumfänglich erfüllen zu können.

Vorsitzender Feldhoff

Möchte das BMZ etwas ergänzen? - Nein.

Frage

Herr Fischer, in Beit Lahia kam es gestern Abend wieder zu Massakern. Israel hat mehrere Wohnblocks bombardiert, mit Dutzenden von Toten, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.

Fischer (AA)

Herr Towfigh Nia, wir haben in den letzten Wochen immer wieder über die Lage in Gaza und insbesondere in Nordgaza gesprochen, und wir haben hier immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass uns die humanitäre Lage dort extremst besorgt und wir uns für eine Verbesserung der humanitären Lage einsetzen.

Der von Ihnen angesprochene Angriff, also die Bombardierung eines Wohnblocks in Beit Lahia, hat wohl zu über 90 Todesopfern geführt. Ich habe einer Presseerklärung des UN-Koordinators Wennesland entnommen, dass darunter mindestens 25 Kinder gewesen sein sollen. Insofern sticht dieser Vorfall aufgrund der hohen Opferzahl unter den Kämpfen der letzten Tage heraus. Wir haben Israel dringend um Aufklärung zu diesem Vorfall gebeten und machen in den Gesprächen mit Israel immer wieder klar, dass es natürlich das Recht auf Selbstverteidigung hat, aber zu diesem Recht auf Selbstverteidigung eben auch die engen Grenzen des humanitären Völkerrechts gehören und Israel in der Pflicht steht, die Zivilbevölkerung sowie die zivile Infrastruktur entsprechend den Vorgaben des humanitären Völkerrechts zu schonen. Das heißt, dass bei Angriffen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Entscheidung zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten gewährt werden muss. Als regelmäßiger Besucher der Bundespressekonferenz wissen Sie ja auch, dass wir in der Vergangenheit Israel schon häufig aufgefordert haben, die Art der militärischen Operationsführung anzupassen, um dieser Verpflichtung zum Schutz der Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza besser nachkommen zu können. Gerade in Nordgaza ist die Lage - das haben wir hier verschiedentlich besprochen - sehr dramatisch, und wir erwarten, dass dort jetzt endlich mehr humanitäre Hilfe hineinkommt und auch mehr humanitäre Zugänge geschaffen werden.

Zusatzfrage

Herr Fischer, bei dem Vorfall von Beit Lahia wurde auch medizinischem Personal der Zugang durch Israel verweigert. Ist es aus Ihrer Sicht akzeptabel, dass medizinisches Personal nicht vordringen kann, um Menschen unter den Ruinen zu retten?

Fischer (AA)

Zu diesem Fakt liegen mir keine Informationen vor. Ich nehme das jetzt einmal so hin, wie Sie es sagen, aber grundsätzlich geht es doch darum, Menschen zu retten, und wo Menschen gerettet werden können, sollen diese auch gerettet werden.

Frage

Herr Fischer, das, was Sie sagen, sind Worte. Folgen auch Taten aus Ihrem Ministerium?

Fischer (AA)

Ich glaube, wir haben hier schon seit Langem immer wieder deutlich gemacht, dass unsere klare Erwartung ist, dass mehr humanitäre Hilfe hineinkommt. Daran haben wir auch mit der israelischen Seite intensiv gearbeitet. Es gibt Momente, in denen das besser gelingt und mehr humanitäre Hilfe hineinkommt, und gibt es Momente wie diese, in denen das schlechter gelingt. Aber glauben Sie mir: Wir werden das fortsetzen und wir setzen das intensivst fort, um zu erreichen, dass die dramatische humanitäre Lage in Gaza abgewendet wird.

Zusatzfrage

Es gibt aber keine Maßnahmen dagegen?

Fischer (AA)

Wir ergreifen die Maßnahmen, die wir können, um die Situation der Zivilbevölkerung so schnell wie möglich zu verbessern.

Zusatzfrage

Welche?

Fischer (AA)

Das sind unter anderem Gespräche mit der israelischen Regierung und mit den Vereinten Nationen, mit denen wir uns gemeinsam koordinieren. Sie wissen ja auch, dass wir intensiv darauf hinarbeiten, dass die Gespräche über einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln, die ja immer noch in den Händen der Terrororganisation Hamas sind, schnell wieder aufgenommen werden und zu einem erfolgreichen Ende geführt werden. Wenn ich hier sage, dass wir auf die israelische Regierung einwirken, damit die militärische Operationsführung geändert wird und mehr humanitäre Hilfe hineinkommt, dann können Sie davon ausgehen, dass wir das in sehr klarer und deutlicher Weise koordiniert mit unseren amerikanischen, britischen, europäischen und auch arabischen Partnern tun.

Frage

Herr Fischer, wir haben dieses Thema hier jetzt seit einigen Monaten immer wieder. Sie berichten dann immer von Gesprächen mit der israelischen Seite, aber die Entwicklung scheint eben nicht den Weg zu nehmen, den Sie gerne sehen würden, wenn ich Sie richtig interpretiere. Sind die Möglichkeiten der Bundesregierung, auf Israel einzuwirken, auch im Verbund mit den Partnern unzureichend, findet dort schlicht und einfach keine wirksame Einflussnahme auf Israel statt, und was ist die Konsequenz daraus?

Fischer (AA)

Ich glaube, wir haben uns auch hier schon häufig über dieses Thema unterhalten. Es kommt immer auf die Perspektive an. Zunächst ist es doch einfach so, dass die Hamas am 7. Oktober 2023 einen furchtbaren Terrorüberfall auf Israel verübt hat, gegen den Israel das Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts zusteht. Wir hatten direkt danach eine dramatische Lage, weil eigentlich keine humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt ist. Durch intensive Diplomatie ist es uns gelungen, diese Lage zu verbessern. Wir hatten eine Zeit, in der vielleicht nicht ausreichend, aber deutlich mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gekommen ist als jetzt. Das haben wir gemeinsam erreicht. Uns ist es auch gemeinsam gelungen, knapp die Hälfte der Geiseln freizubekommen. Das sollten wir, glaube ich, bei all dem, was Sie hier ansprechen, niemals vergessen; denn da sind ja ganz konkret Menschenleben gerettet worden. Darüber hinaus gibt es viele, viele andere Beispiele - wie zum Beispiel die Evakuierung des SOS-Kinderdorfes aus dem Gazastreifen ins Westjordanland -, in denen es uns ganz konkret gelungen ist, das Leben von Menschen zu verbessern.

Wir appellieren weiterhin an die israelische Regierung, auch jetzt nach dem Tod des Hamas-Chefs Sinwar, der ein brutaler Terrorist gewesen ist, diesen Moment, diesen möglichen Wendepunkt zu nutzen, um jetzt endlich bei den Verhandlungen über eine humanitäre Feuerpause, einen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und den Zugang für humanitäre Hilfe voranzukommen.

Frage

An das BMJ: Am Freitag tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Können Sie vielleicht noch einmal hervorheben, warum es aus Ihrer Sicht wichtig und richtig ist, dass das in Kraft tritt? Es gibt ja seit Monaten Diskussionen über dieses Gesetz - manche finden es zu hart, manche zu lasch. Inwieweit gibt es aus Ihrer Sicht noch Nachbesserungsbedarf, obwohl es ja erst in Kraft tritt?

Beckfeld (BMJ)

Dazu würde ich erst einmal gerne an das BMFSFJ abgeben, das dafür federführend zuständig ist.

Berg (BMFSFJ)

Vielen Dank für Ihre Frage. - Sie haben recht: Am 1. November tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag zu verfügen, und zwar geht es um eine selbstbestimmte Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens zur Wahrung und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität.

Zusatzfrage

Der zweite Teil? Gibt es aus Ihrer Sicht Dinge, die da noch nachgebessert werden müssen?

Berg (BMFSFJ)

Das tritt jetzt erst einmal in Kraft, und ich denke, dann wird man Erfahrungswerte sammeln.

Frage

Es gibt ja seitens verschiedenster Akteure immer sehr starke Befürchtungen, was dem Besuch von Saunen angeht. Da würde ich gerne wissen, ob dieses Problem aus Sicht des BMFSFJ, aber auch des BMJ ein real existierendes ist.

Berg (BMFSFJ)

Ich kann Ihnen dazu sagen, dass das Selbstbestimmungsgesetz keinen Anspruch auf den Zugang zu geschützten Räumen vermittelt. Da gibt es eine bestehende Rechtslage in Bezug auf die Vertragsfreiheit und das private Hausrecht. Das bleibt durch dieses Gesetz unberührt.

Beckfeld (BMJ)

Ich habe nichts zu ergänzen.

Frage

Das Thema sind die Lebensmittelpreise. Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit und eine an Herrn Säverin.

Wir wissen ja, dass die Lebensmittelpreise in den letzten Jahren um 30 Prozent gestiegen sind. Wir wissen auch, dass es zum Beispiel bei stark gestiegenen Energiekosten Unterstützung vonseiten der Bundesregierung gab, im Bereich der Lebensmittelpreise nicht. Warum nicht? Das ist die Frage an Herrn Hebestreit.

Herr Säverin, Verbraucherschützer fordern ja auch, dass es so etwas wie eine Preisbeobachtungsstelle gibt. Was sagen Sie dazu? Was ist Ihre Position dazu?

Was sind Ihre Überlegungen und Maßnahmen, um die marktbeherrschende Stellung einzelner Unternehmen zu zügeln?

StS Hebestreit

Dann fange ich vielleicht einmal an und kann sagen, dass die Bundesregierung ja auch mit der Inflationsausgleichsprämien im Rahmen der Konzertierten Aktion etwas getan hat, um die gestiegenen Preise, die nicht nur die Gas- oder Energiepreise betroffen haben, sondern die auch viele anderen Folgen gezeitigt haben - Sie haben die bei den Lebensmitteln genannt -, etwas auszugleichen. Klar ist aber, dass wir natürlich nicht dauerhaft die Nahrungsmittel- bzw. Grundnahrungsmittelpreise subventionieren können. Es gibt den ermäßigten Steuersatz auf Lebensmittel von sieben Prozent, während er bei anderen Dingen 19 Prozent beträgt. Insofern gibt es da also schon eine gewisse Erleichterung, aber die gibt es auch schon länger. Planungen darüber hinaus sind mir nicht bekannt.

Dr. Säverin (BMWK)

Preissteigerungen gerade bei Lebensmitteln können ja verschiedene Ursachen haben. Zum einen ist das ja ein witterungsabhängiges Geschäft. Die Lieferketten können witterungsabhängig oder aus anderen Gründen gestört sein. Das ist eine mögliche Ursache. Es liegt nicht so richtig in unserer Hand, darauf Einfluss zu nehmen.

Wenn Sie Marktversagen ansprechen, wenn sie marktbeherrschende Stellungen einzelner Unternehmen ansprechen, so ist das Bundeskartellamt genau die Behörde, die sich so etwas anschaut. Das ist ja eine unabhängige Behörde. Zu deren Standardaufgaben gehört es auch, solche kritischen Märkte zu beobachten, dort Maßnahmen zu treffen, Sektorgutachten zu erstellen usw. Ich bin jetzt hier nicht ad hoc darüber informiert, ob man gerade dabei ist, da hineinzuschauen, oder ob ein Sektorgutachten erstellt wird. Dazu würde ich etwas nachliefern. Wenn es also etwas gibt, dann kann ich Ihnen dazu etwas sagen.

StS Hebestreit

Ich darf vielleicht auch noch darauf verweisen, dass wir natürlich auch massive reale Lohnsteigerungen in den letzten Jahren und gerade auch in diesem Jahr - gerade auch, was die niedrigen Lohnsektoren angeht - zu verzeichnen haben. Insofern wächst das vielleicht auch mit den gestiegenen Lebensmittelpreisen an. Aber trotzdem ist das eine Herausforderung für viele, und das weiß auch diese Bundesregierung, weshalb sie eine ganze Reihe von Maßnahmen unternommen hat, um insbesondere und gerade den Niedriglohnsektor, also diejenigen, die sehr, sehr wenig Flexibilität haben und sehr wenig Geld auf der hohen Kante haben, zu unterstützen, sodass sie insgesamt auch mit diesen höheren Preisen zurechtkommen können.

Zusatzfrage

Herr Säverin, dass eine ist das Kartellamt. Das andere ist ja, dass Ihr Haus sicherlich auch ein Interesse hat, wenn es darum geht, gewisse dysfunktionale Funktionen im Lebensmittelmarkt - Sie haben ja auch selbst die marktbeherrschende Stellung Einzelner angesprochen - einzugrenzen.

Dr. Säverin (BMWK)

War das eine Frage?

Zusatz

Ja. Gibt es dieses Interesse Ihres Hauses?

Dr. Säverin (BMWK)

Ja, natürlich unterstützen wir das Bundeskartellamt in seiner Arbeit hinsichtlich dessen, dass dort Marktverzerrungen und marktbeherrschende Stellungen adressiert werden. Das ist aber auch nichts Außergewöhnliches.

Zusatz

Das ist auch gar nicht so konkret!

Dr. Säverin (BMWK)

Nein. Aber, wie gesagt, was da konkret in Bezug auf Lebensmittel zurzeit vom Bundeskartellamt getan wird, habe ich hier ad hoc nicht parat. Das liefere ich Ihnen nach.

Hauck (BMEL)

Sie haben ja auch die Forderung nach einer Preisbeobachtungsstelle angesprochen. Ich glaube, Sie beziehen sich da auf den vzbv, der das zuletzt gefordert hat.

Vielleicht noch einmal ein Schritt zurück: Sie wissen, dass die Anforderungen der Gesellschaft und der Politik an die Landwirtinnen und Landwirte hoch sind. Sie sollen nachhaltig arbeiten, sollen aber zugleich eben auch hochwertige Lebensmittel zu bezahlbaren Preisen erzeugen. Gleichwohl kommt es aber auch immer vor, dass die Landwirtinnen und Landwirte eben keine kostendeckenden Preise für die Erzeugnisse erhalten. Wir beobachten die Lebensmittelmärkte daher ganz genau, auch die Preisentwicklung bei den Lebensmitteln. Unsere Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erhebt und veröffentlicht in unserem Auftrag Daten zu Lebensmitteln wie beispielsweise Milch, Milcherzeugnissen, Getreide und Obst. Auf Basis der gemeldeten Daten kann man die Entwicklung der Preise entlang der Wertschöpfungskette erkennen. Um die Fairness in der Lieferkette auch mit Blick auf kleinere Erzeuger zu stärken, hat die Koalition zudem eine Weiterentwicklung des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes auf den Weg gebracht.

Zudem hat die EU-Kommission die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle für Produktionskosten, Margen und Handelspraktiken vorgeschlagen. Wir setzen uns in einer auf EU-Ebene geschaffenen Expertengruppe dafür ein, dass es mehr Transparenz auf EU-Ebene bei den Preisen gibt, um eben vor allem die Position der Erzeugerrinnen und Erzeuger in der Wertschöpfungskette zu verbessern.

Frage

Herr Hebestreit, natürlich schließt sich diese Frage an, nachdem ich jetzt gerade noch etwas über das nächste Lieferkettengesetz gelernt habe: Gehört das zu den Vorhaben, die der Bundeskanzler möglicherweise in Bezug die Bürokratie, die bürokratischen Pflichten, gerne entschlackt sehen möchte? Eine Preisbeobachtung entlang der Lieferkette ist nämlich natürlich durchaus bürokratisch aufwendig für die Unternehmen, die ihr unterliegen.

StS Hebestreit

Sie sehen die Herausforderungen beim Thema des Bürokratieabbaus. Gleichzeitig gibt es natürlich auch gute Gründe, immer wieder auch solche Vorschläge zu machen und zu prüfen. Über das konkrete Vorhaben habe ich mit dem Bundeskanzler, glaube ich, in der ganzen Zeit noch nie gesprochen. Insofern könnte ich dazu auch nichts Sinnvolles beitragen. Aber das verdeutlicht vielleicht, dass man auch aus guten Gründen solche Vorschläge machen kann und es trotzdem Folgen hat, die andere dann auch stören können und die man als unnötig, wenn man jetzt Lieferant wäre, beurteilen könnte. Da gilt es immer wieder, ein Abwägen zwischen Kosten und Nutzen vorzunehmen, und das tut diese Bundesregierung auch.

Frage

Ich habe noch eine Frage zu der Ankunft nordkoreanischer Soldaten in Russland. Herr Fischer, vielleicht auch Herr Müller, das wurde ja bereits letzten Freitag an dieser Stelle von der Bundesregierung kritisiert. Sind seitdem neue Informationen hinzugekommen, möglicherweise auch über den zu erwartenden Zeitpunkt, ab dem sie dann möglicherweise tatsächlich auf russischer Seite in den Krieg in der Ukraine eingreifen werden?

Fischer (AA)

Ich glaube, ich habe den Ausführungen von letzter Woche gar nicht so viel hinzuzufügen. Sie wissen, dass wir den nordkoreanischen Geschäftsträger einbestellt haben und mit Nachdruck dazu aufgefordert haben, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht weiter zu unterstützen und die diesbezügliche Unterstützung Russlands einzustellen. Ihm ist auch kommuniziert worden, dass, wenn sich die Erkenntnisse über nordkoreanische Soldaten, die auf russischer Seite kämpfen, weiter verdichten, wir uns vorbehalten, auch im bilateralen Verhältnis weitere Maßnahmen zu ergreifen und auch gegebenenfalls weitere Sanktionen zu erlassen.

Frage

Herr Fischer, mich würde interessieren, ob Sie auch mit der chinesischen Regierung sprechen, die ja nun auch maßgeblichen Einfluss auf Nordkorea haben soll.

Fischer (AA)

Wir stehen mit der chinesischen Regierung hinsichtlich ganz vieler Themen im Gespräch. Eines haben wir hier heute angesprochen, aber es geht natürlich auch um die außenpolitischeren Themen wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dafür gilt natürlich auch, dass wir auch Nordkorea in den Gesprächen mit China in den Blick nehmen.

Zusatzfrage

Darf ich noch einmal nachfragen, weil das jetzt ein bisschen allgemein klang? - Haben Sie speziell diesen Punkt der Entsendung von nordkoreanischen Soldaten nach Russland schon gegenüber der chinesischen Seite angesprochen?

Fischer (AA)

Sie können davon ausgehen, dass wir auch bezüglich dieses Themas mit der chinesischen Seite schon im Gespräch standen.

Frage

Inwieweit verändert sich dadurch denn auch die deutsche Ukrainepolitik, zum Beispiel, was den Einsatz weitreichender Waffen betrifft?

StS Hebestreit

Gar nicht.

Frage

Herr Fischer, ich wollte noch einmal nach dem Iran fragen. Die Ministerin hat ja schwerwiegende Folgen angekündigt, und Herr Potzel befindet sich jetzt für Konsultationen in Berlin oder kommt zu Konsultationen nach Berlin. Wie könnten diese schwerwiegenden Folgen denn aussehen? Was erwarten Sie von den Konsultationen?

Fischer (AA)

Erst einmal kann ich Ihnen mitteilen, dass die Außenministerin Herrn Potzel in der Tat zu Konsultationen nach Berlin zurückgerufen hat und dass Botschafter Potzel den Iran heute Vormittag verlassen hat.

Sie wissen, dass es gestern eine Reihe von dringlichen Gesprächen mit der iranischen Seite gegeben hat. Wir haben den iranischen Geschäftsträger gestern Vormittag sehr früh in das Auswärtige Amt einbestellt. Botschafter Potzel hat eine dringliche Demarche beim iranischen Außenminister selbst durchgeführt. In all diesen Kontakten mit der iranischen Seite haben wir unsere Erwartungen an den Iran sehr, sehr klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, und der Iran weiß, dass er zeitnah mit Maßnahmen zu rechnen hat. Es ist ja klar, dass die Ermordung eines deutschen Staatsbürgers die Beziehungen zum Iran, die wir eh schon auf ein Minimum heruntergefahren haben, extrem belastet.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal sagen, dass wir sehr dankbar für die Solidarität unserer europäischen Freundinnen und Freunde sind, die die Hinrichtung des EU-Bürgers Jamshid Sharmahd gestern ebenfalls klar verurteilt haben. Es ist auch klar, dass für die EU-Iran-Beziehungen ernste Konsequenzen dräuen. Der Hohe Vertreter hat ja gestern in Absprache mit uns gezielte und signifikante Maßnahmen angekündigt, die wir jetzt gemeinsam vorantreiben werden, und dabei werden wir natürlich auch über das Thema Sanktionen sprechen.

Frage

Ich habe aktuell nicht den Überblick. Es sind ja längst nicht alle Sanktionen gegen den Iran aufgehoben, die es in der Vergangenheit gab, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Welche Sanktionen kämen denn da überhaupt in Betracht, die auch in irgendeiner Form eine Wirkung erzielen könnten?

Fischer (AA)

Ich glaube, wir werden uns jetzt erst einmal auf europäischer Ebene darüber austauschen, welche Arten von Sanktionen in Betracht kommen. Aber da gibt es natürlich eine Reihe von Sanktionsregimen, zum Beispiel das Menschenrechtssanktionsregime, hinsichtlich dessen man sich vorstellen könnte, dass wir handeln werden. Aber das muss natürlich in Absprache mit unseren europäischen Freundinnen und Freunden passieren, weil europäische Sanktionspolitik natürlich einstimmig beschlossen wird.

Zusatzfrage

Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde der iranische Botschafter gestern einbestellt?

Fischer (AA)

Der iranische Geschäftsträger wurde einbestellt. Das hervorzuheben, ist vielleicht auch noch einmal wichtig: Der Iran hat derzeit keinen Botschafter in Berlin akkreditiert, und deshalb führt dieser Geschäftsträger vorübergehend die Geschäfte der Botschaft. Vielleicht für die, die es interessiert: Der bisherige iranische Botschafter wurde schon im Juli abberufen, und ein Nachfolger ist noch nicht entsandt.

Zusatzfrage

Meine Frage stelle ich trotzdem noch. Die war nämlich noch gar nicht dabei! - Was ist denn bei dem Gespräch herausgekommen? War das nur die formelle Übermittlung des Protests gegen das Vorgehen, oder sind dort vielleicht auch bereits weitere Maßnahmen vollzogen worden, die Streichung aus der Diplomatenrolle oder Ähnliches, was ja durchaus ein gängiges Mittel ist?

Fischer (AA)

Ich habe ja gerade schon berichtet, dass wir zum einen natürlich das iranische Vorgehen, den Mord an Jamshid Sharmahd, auf das Schärfste verurteilt haben. Gleichzeitig haben wir aber sowohl hier in Berlin als auch in Teheran den Iran mit unseren klaren Erwartungen konfrontiert und deutlich gemacht, dass es zeitnah dazu kommen wird, dass wir Maßnahmen ergreifen.

Frage

Sie haben gerade noch einmal erläutert, dass es derzeit keinen iranischen Botschafter in Deutschland gibt. Ist geplant, dass Herr Botschafter Potzel nach den Konsultationen zurückkehrt?

Fischer (AA)

Botschafter Potzel ist derzeit auf dem Weg, und ich glaube, wir werden schauen, wie lange die Konsultationen andauern. Das ist natürlich nicht unabhängig von der restlichen politischen Lage, wie Sie sich vorstellen können.

Frage

Frau Kock, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Vergangenheit auch regelmäßig vor iranischen Aktivitäten auf deutschem Boden gewarnt. Bedeutet das, was jetzt passiert ist, aus Sicht des BMI irgendeine Veränderung der Sicherheitslage in Deutschland? Sind da irgendwelche Maßnahmen geplant?

Dr. Kock (BMI)

Darauf kann ich vor allen Dingen eher allgemein antworten. Selbstverständlich haben die Sicherheitsbehörden und so auch das Bundesamt für Verfassungsschutz im Austausch mit ihren inländischen und ausländischen Partnern solche Entwicklungen stets im Blick, reagieren auch und haben auch im Blick, wie sich das hier auswirkt. Dazu gehört dann irgendwann im späteren Verlauf auch die Polizei, weil sich das ja auch ganz konkret hier vor Ort auswirken könnte. Die Lage wird also beobachtet, und entsprechend wird bei Bedarf reagiert.

Frage

Inwieweit sehen Sie jetzt eine größere Gefährdung für weitere deutsche Staatsbürger in iranischer Haft? Wenn ich richtig informiert bin, gibt es dort noch welche, die dort in Haft sitzen. Inwieweit ist das dann halt auch ein Abwägen zwischen dem Abbrechen der Beziehungen und der Möglichkeit, weiter darauf einzuwirken, dass diese Menschen freikommen?

Fischer (AA)

Es ist korrekt, dass es weitere Konsularfälle im Iran gibt, von denen auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger betroffen sind. Wir setzen uns natürlich weiterhin mit ganzer Kraft dafür ein, dass diese Personen freikommen.