German Federal Chancellor

12/18/2024 | Press release | Distributed by Public on 12/18/2024 12:35

„Gemeinsam Fortschritte möglich machen”

Im Vorfeld des -Westbalkan-Gipfels in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz die guten und intensiven Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten gelobt und die positive Beitrittsperspektive der Kandidatenstaaten hervorgehoben. Der Kanzler warb für mehr Tempo bei den Verhandlungen. Eine Mitgliedschaft der westlichen Balkanstaaten in der - die bereits vor 20 Jahren zugesagt wurde - müsse nun schnellstmöglich Realität werden.

Gleichzeitig mahnte Scholz, dass bilaterale Kritikpunkte zwischen benachbarten Staaten den Beitrittsprozess erheblich blockieren würden und deshalb aus den Verhandlungen herausgehalten werden sollten. Im weiteren Verlauf der Gespräche werde es auch um die fortlaufende Unterstützung der Ukraine sowie die Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges gehen. Dabei werde es keine Entscheidungen über die Köpfe der ukrainischen Bevölkerung hinweg geben, betonte der Kanzler.

Der Begriff "Westbalkan" wurde bei dem -Gipfel 1998 in Wien in den -Sprachgebrauch eingeführt. Er bezieht sich auf die Staaten der Balkanhalbinsel, die noch keine -Mitglieder sind. Momentan sind das Albanien,Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro sowie Serbien - nicht jedoch Slowenien und Kroatien, da diese 2004 beziehungsweise 2013 der beigetreten sind.

Im Anschluss an den -Westbalkan-Gipfel nimmt Bundeskanzler Scholz zusammen mit den anderen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs am Treffen des Europäischen Rats teil.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

Bundeskanzler Scholz

Wir kommen hier zum Treffen mit den Staaten des westlichen Balkans zusammen. Das ist sehr wichtig; denn diese Staaten haben schon vor mehr als 20 Jahren die Zusage bekommen, Mitglieder der Europäischen Union werden zu können. Jetzt müssen wir diesen Prozess mit ganz neuem Tempo zu einem Ende führen, sodass sich die Beitrittsperspektive in einen realen Beitritt verwandelt. Das ist etwas, woran wir lange und hart gearbeitet haben, Deutschland auch immer wieder mit dem Berliner Prozess, der sehr dabei geholfen hat, dass viele, viele Schwierigkeiten überwunden werden konnten, und das muss auch in der Zukunft so sein.

Eine zentrale Reform brauchen wir jetzt aber auch, nämlich dass alle davon abgekommen, bilaterale Fragen zum Thema zu machen und sie zu Schwierigkeiten in diesem Prozess werden zu lassen; denn es darf nicht sein, dass, weil sich der eine mit dem anderen Nachbarn nicht ganz so gut versteht, zum Beispiel der Prozess jedes dieser beiden Länder mit der Europäischen Union beeinträchtigt wird. Das gilt auch für das Verhältnis von einzelnen Mitgliedstaaten zu den Beitrittsländern. Deshalb will ich heute auch noch einmal sehr dafür werben, dass wir alle gemeinsam den Fortschritt möglich machen und dass wir Kleinigkeiten überwinden und die große Linie erkennen, die darin besteht, dass wir jetzt tatsächlich diese Staaten in Richtung der Europäischen Union führen.

Mehrere Länder haben die Möglichkeit, jetzt Kapitel geöffnet zu bekommen -- man sieht, dass da etwas geschieht -, und das sollte dann auch tatsächlich erfolgen. Ich werde das sehr unterstützen.

Wir werden im weiteren Verlauf des heutigen Tages auch noch über die besonders schwierige Situation in der Ukraine sprechen. Russland hat die Ukraine überfallen. Deshalb braucht und verdient die Ukraine unverändert unsere Unterstützung. Kein Land ist der Hinterhof eines anderen. Man muss als weniger mächtiger Staat neben einem großen, mächtigen Nachbarn sicher und gut leben können und die eigenen Geschicke selbst in die Hand nehmen können. Das ist das, worum es im Kern geht, die Souveränität und die Demokratie der Ukraine zu verteidigen. Deshalb will ich bei den Gesprächen, die ich heute führe - zusammen mit der Kommissionspräsidentin, dem Ratspräsidenten, dem Generalsekretär der und vielen anderen - ehr dafür werben, dass wir alles dafür tun, dass sich die Ukraine auf uns verlassen kann, dass sie nicht alleingelassen wird.

Zweitens. Wir kommen jetzt in eine entscheidende Phase. Alle reden darüber, wie wir möglicherweise das Töten beenden und diesen Krieg zu einem Ende bringen können. Dann braucht man klare Prinzipien, an die wir uns alle gemeinsam halten können. Das Wichtigste ist: Es darf keine Entscheidung, keine Lösung über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geben. Als ich zuletzt in Kyjiw war, habe ich sehr ausführlich mit dem ukrainischen Präsidenten gesprochen, ein weiteres Mal. Wir haben uns, wie er selbst gezählt hat, fast 17 Mal getroffen und dabei oft stundenlang miteinander geredet, auch zuletzt wieder. Deshalb ist es gut, dass das jetzt auch geschieht und wir auch gemeinsam dafür sorgen, dass es ein gemeinsames Vorgehen gibt, auch mit der kommenden amerikanischen Administration. Bei meinem Gespräch mit Präsident Trump ist mir jedenfalls klar geworden, dass es möglich ist, dass wir unsere Politik gemeinsam entwickeln, damit die Ukraine eine gute Perspektive hat.

All das wird uns hier bewegen, und deshalb sind das besondere Momente und spannende Zeiten, in denen wir hier zusammenkommen.

Lesen Sie hier die Fragerunde im Anschluss:

Frage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) … Es geht eben auch um die Ukraine. Was sind Ihre Erwartungen an das Treffen … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)Zur Ukraine eine Frage, und zwar zu Sicherheitsgarantien. Sie sagten, die Ukraine muss sich auf Sie verlassen, auf die EU. Was sind Sicherheitsgarantien … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Bundeskanzler Scholz: Noch einmal: Wir werden uns hier zusammensetzen. Wir werden auch morgen noch einmal im Rahmen des Europäischen Rates darüber sprechen, wie wir die Ukraine unterstützen. Morgen wird es auch ein direktes Gespräch mit Präsident Selenskyj geben, heute natürlich auch. Sie verstehen, dass wir sehr vertraulich miteinander beraten werden.

Deshalb ist es wichtig, die Prinzipien hier noch einmal sehr klar und sehr deutlich zu machen. Deutschland ist und bleibt der größte Unterstützer der Ukraine. Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben, mit dem 50-Milliarden-Dollar-Kredit der -Staaten und dem besonderen Beitrag Europas sicherzustellen, dass es keine Abbrüche in der Unterstützung der Ukraine gibt und dass sich alle darauf verlassen können, trotz der unterschiedlich großen fiskalischen Herausforderungen, vor denen die einzelnen Länder Europas stehen. Es muss klar sein, dass wir die Ukraine so lange unterstützen, wie es notwendig ist.

Es geht immer um das eine Thema, die Souveränität der Ukraine und darum, dass sie keinem Diktatfrieden unterworfen wird. Deshalb also der klare Grundsatz, aber auch die Notwendigkeit, zu sprechen, dass es keine Entscheidung über die Köpfe der Ukraine hinweg geben kann.

Für mich ist ebenfalls klar, dass wir natürlich helfen müssen, dass sich die Ukraine sicher fühlen kann. Das machen wir heute mit den Waffenlieferungen. Das wird auch in Zukunft so sein, und das wird natürlich immer auch bedeuten, dass wir alles dafür tun, dass es Garantien für die Sicherheit gibt. Darüber haben wir schon mehrfach gesprochen. Sie wissen: Es gibt viele bilaterale Abkommen der Ukraine mit Ländern, insbesondere mit Deutschland, das als eines der ersten ein Abkommen über diese Fragen mit der Ukraine geschlossen hat. Das ist der Rahmen, über den wir hier diskutieren.

Ein Punkt ist mir natürlich wichtig. Wir müssen in der Unterstützung der Ukraine und gerade, weil wir die Ukraine so stark unterstützen, immer auch verhindern, dass es zu einer Eskalation des Krieges zwischen Russland und der kommt. Genau das ist auch ein Anliegen, das ich hier verfolge.

Frage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) … Im Nahen Osten brennt es. Wie will Deutschland dazu beitragen, dass die Türkei … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) … dass Frieden in Syrien … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) …, und wie wollen Sie unterstützen, dass eine Regierung … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Bundeskanzler Scholz: Ganz wichtig ist, dass wir alle noch einmal festhalten: Dass Assad jetzt weg ist, ist gut. Er war ein Diktator. Er hat sein eigenes Volk angegriffen, viele getötet und sich schlimmster Verbrechen schuldig gemacht.

Und jetzt haben die Syrerinnen und Syrer die große Chance, im Frieden miteinander und mit ihren Nachbarn zu leben. Das geht natürlich nur, wenn grundlegende Prinzipien des Rechts beachtet werden, sodass man sich vor dem Staat, in dem man lebt, nicht fürchten muss. Das setzt voraus, dass es eine Lösung gibt, die einen rechtsstaatlich-demokratischen Prozess möglich macht - mit Beachtung der Vielfalt innerhalb der syrischen Nation, den unterschiedlichen ethnischen und sehr vielen unterschiedlichen religiösen Gruppen. Genau das haben wir im Blick, wenn wir jetzt Kontakt haben, Gespräche führen und diesen Prozess begleiten.

Frage: Herr Bundeskanzler, halten Sie denn die Diskussion zu Friedenstruppen in der Ukraine immer noch für unangemessen, oder werden Sie heute Abend bei dem Treffen im kleineren Kreis einen anderen Ansatz vertreten, möglicherweise jetzt auch nach den Aussagen von Trump?

Bundeskanzler Scholz: Eins ist ganz klar: Wir müssen immer in der richtigen Reihenfolge vorgehen, und die richtige Reihenfolge ist, dass die Ukraine erst einmal für sich definieren muss, wie wir in eine Situation kommen wollen und was ihre Ziele in Bezug auf einen Frieden sind, der kein Diktatfrieden ist. Da sind einige unterwegs, sich, bevor die erste Frage gelöst ist, mit der zweiten zu beschäftigen. Das ist meistens nicht ratsam.

Frage: Aber lohnt es sich nicht, sich auf diesen Fall vorzubereiten?

Bundeskanzler Scholz: Es ist ganz richtig, dass wir jetzt eins nicht tun dürfen, wie Sie es mit Ihrer Frage aber leider tun, nämlich zu versuchen, die Frage über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg zu entscheiden. Es beschäftigen sich im Augenblick, in dieser ganz konkreten Bedrohungssituation, nicht genug mit der Frage, wie wir die Ukraine unterstützen können.

Ich wiederhole, was für mich ganz entscheidend ist: Es darf keinen Frieden über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geben, und man darf nicht den dritten und vierten Schritt vor dem ersten machen.

Frage: Herr Bundeskanzler, es geht für Europa auch um einen Platz am Tisch bei möglichen Friedensverhandlungen in der Zukunft. Wie kann man sich denn so einen sichern? Was können Sie da tun, auch in Richtung der USA?

Bundeskanzler Scholz: Ich bin ganz sicher, dass die gute Kooperation mit den USA auch in Zukunft fortgesetzt werden wird. Wir sind eng verbunden in der NATO, im transatlantischen Bündnis. Für Deutschland will ich sagen, dass wir immer wissen und im Blick haben, dass die USA wichtig sind für die Demokratiegeschichte, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg möglich gewesen ist und bis heute möglich ist. Insofern ist es ganz klar, dass wir diese Fragen in enger Kooperation mit den USA besprechen, lösen und voranbringen wollen, so wie wir es jetzt auch tun.

Gleichzeitig ist ganz klar, dass die Ukraine eine europäische Perspektive gewählt hat. Das ist ihre Entscheidung, an der sie andere hindern wollen. Wir aber haben ihr diesen Weg eröffnet und haben den Beitrittsprozess der Ukraine zur Europäischen Union möglich gemacht. Deshalb ist das eine Angelegenheit, bei der klar ist: Es darf nichts über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg entschieden werden. Klar ist aber auch: Das ist eine Angelegenheit, in der Europa, die Europäische Union und ihr perspektivisch künftiges Mitgliedsland natürlich auch diese Perspektive immer einzubringen haben und darauf hinwirken müssen, dass die beachtet wird.

Ich danke Ihnen allen für Ihre vielen guten Fragen. Schönen Dank.