22/11/2024 | Press release | Archived content
Sprecherinnen und Sprecher
(Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)
StS Hebestreit
Der Blick auf die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche:
Am Montag, den 25. November, nimmt der Bundeskanzler um 16.30 Uhr im Schloss Bellevue an der Ernennung von Cem Özdemir zum Bundesminister für Bildung und Forschung teil. Keine Sorge, seine andere Verwendung bleibt natürlich erhalten, für Landwirtschaft und Ernährung bleibt er ebenfalls zuständig.
Am Dienstag, den 26. November, wird der Bundeskanzler um 15 Uhr den kirgisischen Präsidenten Sadyr Dschaparow zu einem Besuch im Bundeskanzleramt empfangen. Das ist nach dem Z5+1-Treffen im kasachischen Astana - das war im September dieses Jahres - bereits das zweite Treffen des Bundeskanzlers mit dem kirgisischen Präsidenten in den vergangenen zwölf Monaten. Neben der bilateralen Zusammenarbeit dürfte es um wirtschafts- und geopolitische Fragen gehen und natürlich auch - das liegt in der Natur der Sache - um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Am Mittwoch, den 27. November, tagt zunächst um 11 Uhr unter Leitung des Bundeskanzlers das Bundeskabinett.
Ab 16.45 Uhr wird der Bundeskanzler dann den Weihnachtsbaum für das Bundeskanzleramt entgegennehmen. Der Baum wird, wie üblich, von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V. gestiftet und stammt in diesem Jahr aus dem Stadtforst Fürstenwalde in Brandenburg. Es soll eine etwa acht Meter hohe Fichte sein, die in den nächsten Wochen den Ehrenhof des Bundeskanzleramts schmückt. Bei der feierlichen Übergabe wird es auch musikalische Begleitung geben. Der Kinderchor der Brüder-Grimm-Grundschule aus dem Wedding wird singen. Die Veranstaltung ist presseöffentlich und wird sicherlich sehr intensiv von Ihnen wahrgenommen.
Ebenfalls am Mittwoch nimmt der Bundeskanzler an der feierlichen Verabschiedung des Hauptgeschäftsführers des DIHK, Martin Wansleben, im Colosseum in Berlin-Pankow teil. Dort wird er gegen 18 Uhr eine Rede halten.
Am Donnerstag, den 28. November, nimmt der Bundeskanzler dann im bayerischen Penzberg an der Grundsteinlegung des Diagnostik-Produktionszentrums der Firma Roche teil. Der Bundeskanzler wird ab etwa 14.15 Uhr auf dem Gelände der Baustelle erwartet. Im Anschluss an die Begrüßungsworte von Thomas Schinecker, dem CEO der Roche-Gruppe, und von Markus Söder, dem bayerischen Ministerpräsidenten, hält der Bundeskanzler ein Grußwort. Danach erfolgt die symbolische Grundsteinlegung. Der Bundeskanzler wird außerdem ein Diagnostiklabor von Roche besichtigen und sich, wie üblich, auch Zeit für ein Gespräch mit den Beschäftigten nehmen.
Der Neubau in Penzberg ist mit einer Investitionssumme von rund 600 Millionen Euro die bislang größte Einzelinvestition des Unternehmens Roche in Deutschland. Die Investition reiht sich ein in die Investitionsentscheidungen anderer deutscher und internationaler Pharmaunternehmen am Standort Deutschland. Roche wird in der neuen Anlage unter anderem chemische Stoffe für diagnostische Tests entwickeln und herstellen. 2028 soll der Betrieb in dem neuen Gebäude aufgenommen werden.
Der Pharmasektor ist nicht nur für die Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger wesentlich; er hat auch große Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit der Nationalen Pharmastrategie der Bundesregierung, die das Bundeskabinett im vergangenen Dezember beschlossen hat, wurde ein konkreter Aktionsplan aufgestellt, um Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort der Pharmabranche attraktiver zu machen. Mit dem Medizinforschungsgesetz wurden zudem wesentliche Eckpunkte der Strategie bereits umgesetzt.
So weit mein Überblick über die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche.
Wagner (AA)
Ich darf Ihnen eine Reise der Außenministerin am Montag ankündigen. Außenministerin Baerbock wird am Montag - das ist der 25. November - zu dem zweitägigen Treffen der G7-Außenministerinnen und -Außenminister in Italien reisen. Das Treffen findet natürlich unter dem Vorsitz Italiens statt. Themen werden unter anderem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Lage im Nahen und Mittleren Osten, regionale Fragen im Indopazifik sowie globale Partnerschaften sein. Wie Sie wissen - das war schon unter unserem Vorsitz 2022 und unter dem japanischen Vorsitz letztes Jahr so -, sind die G7 bei der Unterstützung der Ukraine weiterhin ein wichtiger und entscheidender Abstimmungsmechanismus.
Zum Schluss noch zwei Servicehinweise: Bei dem Treffen wird es aller Voraussicht nach ein Kommuniqué geben, das vom italienischen Vorsitz veröffentlicht wird. Am Ende des Treffens wird die Außenministerin eine Pressekonferenz geben, über die wir Sie dann über die üblichen Kanäle informieren werden.
Frage Jung
(zum Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Benjamin Netanjahu) Herr Hebestreit, ich habe Ihre Pressemitteilung zu diesem Haftbefehl gelesen. Darin heißt es, dass die Bundesregierung die innerstaatlichen Schritte gewissenhaft prüfen werde. Damit lassen Sie offen, ob die Bundesregierung die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs als verbindlich erachtet. Könnten Sie das hier ausräumen?
StS Hebestreit
Ich muss das nicht ausräumen, sondern ich kann auf das verweisen, was in dieser Erklärung steht.
Zusatzfrage Jung
Darin steht eben nicht das, was Sie zum Beispiel hier im Mai zu uns gesagt haben. Damals haben Sie gesagt, natürlich werde Deutschland alle Entscheidungen des Strafgerichtshofs umsetzen. Im Mai haben Sie auch gesagt, dass Sie sich an Recht und Gesetz halten würden. Das haben Sie heute in dieser Mitteilung nicht getan. Andere europäische Staaten haben klar gesagt, dieser Haftbefehl werde umgesetzt.
StS Hebestreit
Ich kann immer noch auf das verweisen, was in dieser Erklärung steht, und das gilt.
Frage Thurau
Herr Hebestreit, gleiches Thema. Kann man das so interpretieren, dass die Bundesregierung alles verhindern wird, dass es dazu kommt, den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu in Deutschland zu verhaften? So liest sich das doch.
StS Hebestreit
Das sind jetzt Interpretationen, die Sie diesem Text entnehmen. Ich verweise immer auf diesen Text. Das ist die Grundlage unserer Arbeit.
Zusatzfrage Thurau
Warum ist das für die Bundesregierung so schwer? Wir können ja vor unserem geschichtlichen Hintergrund formulieren, dass wir sagen, wir wollen den Internationalen Gerichtshof unterstützen. In diesem Fall aber wäre es für uns ein absolutes Unding, einen israelischen Ministerpräsidenten in Deutschland zu verhaften. Das ist doch eigentlich begründbar, oder nicht?
StS Hebestreit
Ich verstehe Ihren Punkt. Wir haben ja deswegen eine Erklärung gemacht, die beiden Bedingungen, über die wir sprechen, gerecht werden muss. Das ist einerseits die Bedeutung des Internationalen Strafgerichtshofs, den wir sehr unterstützen, und andererseits die von Ihnen angeführte geschichtliche Verantwortung. Insofern ist diese Erklärung im Lichte dieser beiden Aspekte zu sehen. Ich könnte mich dazu hinreißen lassen, zu sagen, dass es mir schwerfällt, mir vorzustellen, dass wir auf dieser Grundlage Verhaftungen in Deutschland durchführen.
Frage Wacket
Ist Herr Netanjahu in Deutschland willkommen?
StS Hebestreit
Über Reisepläne des israelischen Ministerpräsidenten ist mir nichts bekannt.
Zusatzfrage Wacket
Ich habe nicht nach einem Reiseplan gefragt; ich habe gefragt, ob er willkommen ist.
StS Hebestreit
Ich habe keine akuten Anfragen aus dem Büro des Premierministers Israels, dass er nach Deutschland kommen will. Insofern muss ich mich dazu nicht weiter äußern.
Frage Pauli
Habe ich das richtig verstanden, es ist schwer für Sie, auf dieser Grundlage Verhaftungen durchzuführen? Oder auf welcher Grundlage könnten Sie eine Verhaftung durchführen?
StS Hebestreit
Ich bitte darum, sehr präzise zu sein. Ich habe gesagt, es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass auf dieser Grundlage - - - Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie gerade gesagt haben.
Zusatz Pauli
Deshalb frage ich ja nach.
StS Hebestreit
Ich habe gesagt: Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass auf dieser Grundlage Verhaftungen in Deutschland durchgeführt werden.
Zusatzfrage Pauli
Aber auf welcher Grundlage? Es gibt den Internationalen Strafgerichtshof, der einen internationalen Haftbefehl erlassen hat. Deutschland erkennt diesen Strafgerichtshof an. Dann hat man aber ein Problem, weil es sich um Israel und eine Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel handelt. Ich entnehme dieser Pressemitteilung keinen Hinweis, wie sich die Bundesregierung verhalten würde, käme Netanjahu nach Deutschland. Ich weiß, auch wenn wir alle jetzt zehnmal fragen, wird es wahrscheinlich keine andere Antwort geben. Aber das ist keine Antwort.
StS Hebestreit
Ich finde das schon. Aber da können wir auch unterschiedlicher Meinung sein.
Frage Jäckels
Sie hatten ja Monate Zeit gehabt, um sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Hat sich denn wirklich niemand im Bundeskanzleramt oder im Auswärtigen Amt Gedanken gemacht, welche Konsequenzen das haben wird? Warum muss man das jetzt noch prüfen?
StS Hebestreit
Ich verstehe Ihre Frage nicht.
Zusatzfrage Jäckels
Es war ja schon klar, dass dieses Szenario eintreten könnte, dass es Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant geben wird. Warum muss man das jetzt noch prüfen? Das hätte man ja schon länger machen können.
StS Hebestreit
Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen.
Zusatzfrage Jäckels
Das ist eine ganz klare Frage. Sie sagen, die Bundesregierung werde prüfen, wie man diese Entscheidung jetzt umsetzt. Aber warum muss man das jetzt noch prüfen? Man hätte sich doch schon seit Monaten auf dieses Szenario vorbereiten können. Es war ja klar, dass das hätte passieren können und dass es sogar wahrscheinlich ist, dass es passieren wird.
StS Hebestreit
Das ist die Frage, ob es wahrscheinlich ist. Aber da besteht ja gar keine Eile.
Frage Steiner
Ich probiere es auch noch einmal. - Herr Hebestreit, in Ihrer Erklärung haben Sie geschrieben, dass Sie die innerstaatlichen Schritte gewissenhaft prüfen, was vom Lesen her erst einmal nach sehr langer Bank klingt. Daher ist die Frage der Kollegin natürlich vollkommen berechtigt, welche Prüfungen im Vorhinein stattgefunden haben, nachdem Sie ja schon monatelang wussten, dass da etwas kommen würde. Ich würde gerne verstehen, was dort konkret zu prüfen ist.
Das Zweite ist: Sehen Sie auch eine Prüfungsnotwendigkeit für den unwahrscheinlichen Fall, dass Herr Sinwar hierherkommt, der ja ebenfalls von einem Haftbefehl betroffen ist?
StS Hebestreit
Zu dem zweiten Teil kann sich, weil der Kollege Wagner mir gerade etwas zuflüsterte - dazu weiß er offenbar mehr als ich -, Herr Wagner kurz äußern.
Zu dem ersten Teil bleibe ich bei meiner Antwort, die ich nachvollziehbarerweise - - - Wenn Sie sagen, das sei unbefriedigend, nehme ich das zur Kenntnis. Ich bleibe bei dieser Sprechererklärung und sage: Gestern sind diese Haftbefehle erlassen worden. Jetzt wird gewissenhaft geprüft, welche Konsequenzen das innerstaatlich, also innerhalb von Deutschland, haben kann.
Wagner (AA)
Ich kann dazu etwas ergänzen. Herr Sinwar ist ja tot und nicht von einem Haftbefehl betroffen, sondern der richtet sich gegen den Hamas-Führer Deif.
Zusatzfrage Steiner
Gut. Dann würde ich die Frage auf ihn anpassen. Da habe ich mich wohl gerade verlesen. Wie schaut es da aus? Muss auch da gewissenhaft geprüft werden?
Wagner (AA)
Ich kann Sie, weil Sie auch das Auswärtige Amt angesprochen haben, nur noch einmal darauf verweisen, was die Außenministerin heute Morgen in einer deutschen Fernsehsendung gesagt hat und was wir auch von dieser Stelle immer wieder gesagt haben: Dieses Gericht ist unabhängig. Die Unabhängigkeit des Gerichts achten wir. Natürlich ist Deutschland an Recht und Gesetz und an das Völkerrecht gebunden. Die Haltung der Bundesregierung hat ja der Regierungssprecher in einer schriftlichen Stellungnahme vor dieser Regierungspressekonferenz dargelegt.
Frage Savelberg
Die niederländische Regierung hat gesagt, dass sie den Internationalen Strafgerichtshof zu 100 Prozent anerkennt und dass sie mit dem Strafgerichtshof zusammenarbeitet. Gilt das auch für die deutsche Bundesregierung, dass sie den ICC zu 100 Prozent anerkennt und dazu verpflichtet ist, mit ihm zusammenzuarbeiten?
StS Hebestreit
Ich weiß nicht, ob Ihnen die Sprechererklärung nicht vorliegt. Der zweite Absatz der Sprechererklärung, glaube ich, enthält die Antwort.
Zusatzfrage Savelberg
Könnten Sie das bitte wiederholen?
StS Hebestreit
Ich soll Ihnen jetzt die Sprecherklärung vorlesen? Ich vertraue darauf, dass Sie selbst eine Pressemitteilung lesen können, Herr Savelberg.
Zusatzfrage Savelberg
Sie sagen also, dass Sie dazu verpflichtet sind mitzuarbeiten, weil Sie die Statuten von Rom unterschrieben haben und weil Sie Mitglied des ICC sind?
StS Hebestreit
Ich sage, dass der zweite Absatz der Pressemitteilung die Antwort auf Ihre Frage enthält.
Frage Dr. Kornmeier
Ich habe noch immer nicht ganz verstanden, was diese innerstaatlichen Schritte sind, die jetzt geprüft werden müssen. Reden wir da von rechtlichen Fragen, oder was genau wird da eigentlich geprüft?
StS Hebestreit
Das sind rechtliche Fragen, ja.
Zusatzfrage Dr. Kornmeier
Und welche rechtlichen Fragen?
StS Hebestreit
Das kann ich hier nicht genauer ausführen. Sie haben sicherlich wahrgenommen, dass unter Juristen nicht unumstritten ist, ob die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in diesem Fall einschlägig ist. Auch so etwas will ja geprüft sein.
Zusatzfrage Dr. Kornmeier
Das heißt, Sie würden infrage stellen, was der IStGH an der Stelle entschieden hat?
StS Hebestreit
Ich habe gerade gesagt, dass wir prüfen. Das ist nicht ein Infragestellen, sondern man hat eine Grundlage, die seit gestern vorhanden ist. Man prüft jetzt diese Grundlage, ob wir dies einschlägig finden.
Frage Schulze
Einmal ganz abstrakt und losgelöst von diesem Fall: Welche Schritte müssen denn zwischen einem internationalen Haftbefehl und einer Umsetzung in Deutschland passieren? Wer macht da was?
StS Hebestreit
Zunächst einmal - ganz abstrakt gesprochen - müsste überhaupt jemand, der mit einem Haftbefehl gesucht wird, einen Kontakt nach Deutschland anstreben, also in Deutschland einreisen. Dann wird das akut, vorher nicht.
Zusatzfrage Schulze
Wenn es dann akut ist, wenn jemand am Flughafen steht, welche Behörde muss dann wo was beantragen?
StS Hebestreit
Das müsste dann, glaube ich, in diesem Fall das Innenministerium beantworten. Das kann ich nicht aus dem Stegreif machen.
Funke (BMI)
Das ist nicht das Innenministerium. Es geht ja um Völkerstrafrecht. Da sind andere Häuser federführend. Nach meiner Erkenntnis gibt es einen justiziellen Geschäftsgang bei IStGH-Haftbefehlen. Dazu kann ich aber weiter nichts sagen.
Vorsitzende Wefers
Können Sie sagen, wer das kann? Das Justizministerium?
Dr. Hosemann (BMJ)
Es gilt natürlich alles, was der Regierungssprecher gesagt hat. Dieses Verfahren ist meines Wissens noch nie zur Anwendung gekommen, weil in Deutschland noch nie jemand aufgrund eines Haftbefehls des IStGH verhaftet wurde. Ich kann jetzt die Stimmung nicht ganz lesen, ob es wirklich angezeigt ist, hier abstrakt generelle Ausführungen zu machen. Ich würde mich da vielleicht mal zurückhalten.
Frage Jessen
Herr Hebestreit, ist der Bundesregierung bekannt, dass der Internationale Strafgerichtshof im Jahr 2021 seine Zuständigkeit für die Palästinensergebiete erklärt hat? Das ist höchstrichterliche Rechtsprechung. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Bundesregierung jemals Zweifel dagegen geäußert hätte. Erkennen Sie das jetzt nicht mehr an?
StS Hebestreit
Ich glaube, wir haben uns dazu gar nicht geäußert. Insofern muss ich da nichts anerkennen oder aberkennen.
Zusatzfrage Jessen
Die Nichtanerkennung besteht darin, dass Sie sagen, Sie müssten jetzt prüfen, weil es rechtlich umstritten sei, ob der Internationale Strafgerichtshof überhaupt zuständig sei. Die Zuständigkeit ist seit 2021 richterlich entschieden. Wenn Sie jetzt sagen: "Wir prüfen trotzdem", erkennen Sie damit die richterliche Entscheidung nicht an. Das ist die Frage.
Das Zweite: Wie bindend ist für Sie eigentlich das Wort "bindend"? Normalerweise heißt "bindend" - so haben Sie das auch in der Vergangenheit immer gesagt -: Urteile werden von uns umgesetzt. - Jetzt sagen Sie: Es gibt aber andere Kriterien, die gegen die Umsetzung der Urteile sprechen. - Das heißt, Sie schwächen die Bindungswirkung ab und schwächen damit die Reputation des Internationalen Strafgerichtshofs. Warum machen Sie das?
StS Hebestreit
Herr Jessen, auch wenn wir beide eine Neigung zur Interpretation einzelner Begriffe haben, möchte ich heute nicht darin einsteigen, sondern darauf verweisen, was ich in der Antwort auf die Frage des Kollegen über die beiden Punkte gesagt habe, die wir gemeinsam übereinbringen müssen. Das ist einerseits die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber dem Staat Israel und andererseits unser Engagement für den Internationalen Strafgerichtshof. In diesem Spannungsverhältnis bewegen wir uns. Das kommt auch in der Erklärung, die ich vor dieser Pressekonferenz veröffentlicht habe, zum Ausdruck. In diesem Lichte wird all das gesehen und geprüft, wonach Sie fragen.
Frage Başay
Wird Deutschland nach dieser Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs seine Haltung zur israelischen Regierung - sprich: Waffenlieferungen nach Israel - neu bewerten?
StS Hebestreit
Waffenlieferungen nach Israel unterliegen immer einer Einzelfallprüfung, und dabei bleibt es auch.
Zusatzfrage Başay
Bei der Unterstützung für die israelische Regierung?
StS Hebestreit
Unsere Haltung gegenüber Israel ist unverändert.
Zusatzfrage Başay
Herr Scholz hatte gesagt, dass er keinen Zweifel hat, dass Israel das Völkerrecht einhält. Zweifelt er nach diesem Urteil daran?
StS Hebestreit
Das ist kein Urteil; das ist ein Haftbefehl, der erlassen wurde. Das ist etwas deutlich anderes. Der Bundeskanzler hat seine Position dazu meines Wissens nicht verändert.
Frage Jung
Ich möchte die Außenministerin zitieren, als es um den Strafbefehl gegen Herrn Putin ging. Herr Hebestreit, Herr Wagner, vielleicht können Sie sagen, ob diese Aussagen noch immer gelten. Sie hat gesagt: Niemand steht über der Charta der Vereinten Nationen. Niemand steht über dem humanitären Völkerrecht. Niemand kann Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit ungesühnt begehen. Deutschland verteidigt die Charta der Vereinten Nationen. Deswegen steht man voll und ganz hinter dem IStGH, der dafür geschaffen worden sei, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben. - Gilt das?
Wagner (AA)
Natürlich gilt das. Das Völkerrecht gilt. Ich habe schon betont, dass Deutschland natürlich an das Völkerrecht gebunden ist. Das hat auch die Außenministerin betont.
Ich möchte noch zu dem Vergleich mit Putin etwas sagen: Die Situation dort ist deutlich anders gelagert. Anders als Israel verfügt Russland nicht über ein funktionierendes Justizsystem, bei dem man davon ausgehen kann, dass der Konflikt zeitnah aufgearbeitet wird. Außerdem: Anders als Israel greift Russland völkerrechtswidrig ein Land an und verteidigt sich nicht gegen einen bewaffneten Angriff, wie es Israel tut. Das nur zu dem Vergleich und der Gleichsetzung.
Zu Ihrer Eingangsfrage, Herr Jung: Ist Deutschland an das Völkerrecht gebunden? Ja, natürlich ist Deutschland an das Völkerrecht gebunden.
Zusatz Jung
Vielleicht haben Sie mich missverstanden, dass ich jetzt Russland und Israel vergleichen oder gleichsetzen wollte.
Wagner (AA)
Das wollte ich Ihnen auch nicht unterstellen.
Zusatzfrage Jung
Ich habe mich auf die Aussagen zu einem anderen Haftbefehl gegen einen anderen Regierungschef in einem anderen Land bezogen, bei dem Sie sich ganz klar hinter die Charta der Vereinten Nationen und den IStGH gestellt und eindeutig gesagt haben: Das muss umgesetzt werden. - Jetzt sehen wir, dass Sie anders darauf reagieren. Das ist interessant.
Wagner (AA)
In der veröffentlichten Sprechererklärung von Herrn Hebestreit steht, dass Deutschland einer der größten Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofs ist.
Zusatzfrage Jung
Aber Sie sagen, dass niemand über der Charta der Vereinten Nationen steht.
Wagner (AA)
Weil rechtlich faktisch niemand über der Charta der Vereinten Nationen steht.
Frage Jäckels
Noch einmal zu der Frage der Zuständigkeit, die gerade schon angesprochen wurde. Das Argument Deutschlands in der Amicus Curiae Submission war, dass sich die israelischen Gerichte selbst erst einmal mit dem Fall beschäftigen sollen. Diese Argumentation wurde aber jetzt eindeutig abgelehnt. Ist das der Grund, warum Sie jetzt sagen, es müsste noch einmal geprüft werden, wer eigentlich zuständig ist? Fahren Sie weiterhin die gleiche Argumentation?
Wagner (AA)
Das kann ich vielleicht beantworten. - In der Tat hatten wir von dem Angebot des Gerichts Gebrauch gemacht, unsere Rechtsauffassung darzulegen. Wir haben, wie Sie sagen, in diesem Schreiben auf das Komplementaritätsprinzip abgestellt, das ja ein wichtiges Prinzip im Römischen Statut ist. Sollte es zu einem Hauptsacheverfahren kommen, wird diese Frage dort weiter eine Rolle spielen; denn dann wird noch die Frage zu beantworten sein: Kann sich der Gerichtshof mit der Situation befassen? - Wie Herr Hebeschreit es schon richtig gesagt hat: Im Moment schauen wir auf eine Entscheidung zu Haftbefehlen. Das ist keine rechtliche Beurteilung mit Blick auf dieses rechtliche Argument.
Zusatzfrage Jäckels
Seit einem Jahr gibt es in Israel kein Gerichtsverfahren zu diesen Vorwürfen, obwohl verschiedene Menschenrechtsorganisationen vor Gericht geklagt haben. Diese Klagen wurden abgelehnt. Wie ist man überhaupt zu dem Schluss gekommen, hier gebe es keine Rechtslücke?
Wagner (AA)
Ich glaube, auch da gilt das, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat: Unsere Haltung zu Israel ist unverändert. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt: Wenn es Vorwürfe, wenn es Anzeichen gibt, dass internationales humanitäres Völkerrecht nicht eingehalten wird, muss das aufgeklärt werden, und zwar vor allen Dingen durch die israelische Justiz.
Zum anderen haben wir auch immer wieder gesagt: Humanitärer Zugang ist extrem wichtig. Es muss mehr getan werden, um das Leid in Gaza zu lindern. Der humanitäre Zugang muss gewährleistet werden. Natürlich ist Israel an das humanitäre Völkerrecht gebunden.
Frage Steiner
Herr Wagner, das, was Sie gerade beschrieben haben, dass Sie Israel regelmäßig daran erinnern, dass eine innerisraelische und auch eine justizielle Aufarbeitung notwendig ist, hat das in irgendeiner Form Früchte getragen? Israel unterliegt ja nicht dem IStGH und ist nicht Mitglied. Was können Sie uns dazu berichten? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass in Israel irgendetwas passiert, oder wirken Sie jetzt noch einmal spezifisch auf Israel ein? Versuchen Sie einzuwirken, damit dort ein Ermittlungsverfahren angestrengt, eingeleitet und durchgeführt wird, sodass sich die IStGH-Zuständigkeit automatisch erledigt hat?
Wagner (AA)
Ich glaube, dazu kann ich kurz bleiben. Es bleibt dabei, dass, wenn es Anzeichen gibt, dass internationales Völkerrecht nicht eingehalten wird und es da Fragezeichen gibt, dies durch die israelische Justiz aufgearbeitet werden muss. Im Übrigen sagen nicht nur wir das, sondern auch israelische Stimmen führen das immer wieder an. Insofern muss sich Israel letztlich daran messen lassen.
Frage Savelberg
Sie konnten die Frage nicht beantworten, ob Netanjahu in Deutschland noch willkommen ist.
Etwas anderes: Der niederländische Außenminister Veldkamp wollte am Montag nach Israel reisen. Dieser Besuch wurde jetzt kurzfristig abgesagt. Aus Israel ist zu hören, dass das wegen des Haftbefehls aus Den Haag ist. Werden Mitglieder der Bundesregierung Netanjahu in Israel demnächst oder vielleicht in weiterer Zukunft besuchen?
StS Hebestreit
Mir liegen im Augenblick keine Informationen vor, ob akut gerade Reisen geplant sind. Wenn es so weit ist, würden wir sie ankündigen. Ich kann keine generelle Aussage treffen, die Ihnen ja wichtig wäre, ob wir das noch tun oder nicht mehr tun. Das würden wir Ihnen dann im Einzelfall jeweils mitteilen.
Frage Savelberg
Würden Sie generell nicht ausschließen, dass es dazu kommt? Vielleicht könnten Sie noch kurz sagen, wie lange ein Jurist in der Bundesregierung braucht, um diesen Haftbefehl nach gewissenhafter Prüfung zu beurteilen.
StS Hebestreit
Das ist nicht ein Jurist in der Bundesregierung, sondern bestimmt eine ganze Reihe von Juristen, die das prüfen werden. Das wird sicherlich nicht innerhalb von wenigen Tagen passieren, aber es wird auch nicht ewig dauern. Irgendwo dazwischen werden wir uns dann äußern müssen und äußern wollen.
Die erste Frage hatte ich versucht, schon dadurch zu beantworten, dass ich gesagt habe: Ich kann jetzt von dieser Stelle aus keine generelle Position, keine neue Position formulieren. Insofern ist das die Antwort.
Frage Jessen
Herr Wagner, die israelische Regierung hat das Urteil als einen schwarzen Tag bezeichnet. Der ICC habe jegliche Legitimität für seine Existenz verloren und sich in den Dienst extremistischer Kräfte gestellt. Hat der ICC aus Sicht der Bundesregierung seine Legitimität verloren? Stellt er sich in den Dienst extremistischer Kräfte, oder hat die Bundesregierung keinen Zweifel an der Legitimität der Arbeit des ICC?
Wagner (AA)
Ich glaube, wenn Sie alle Äußerungen, die Sie heute bisher von diesem Podium dazu gehört haben, nebeneinanderlegen, werden Sie zu dem Schluss kommen, dass wir natürlich weiter Unterstützer des IStGH sind und zum Völkerrecht stehen.
Lassen Sie mich noch sagen: Wir haben bei unseren israelischen Partnern immer sehr dafür geworben, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren, was ja Israel freisteht, selbst wenn es nicht Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts ist.
Zusatz Jessen
Ich bitte um Entschuldigung, dass mir eben das falsche Kürzel "ICC" rausgeschlüpft ist.
Wagner (AA)
Das ist richtig. Sie sind nur in einer anderen Sprache unterwegs.
Zusatzfrage Jessen
Ja. Deswegen war das verwirrend. - Ich denke, Sie werden die Begründung für die Haftbefehle kennen. In ihr wird Israel vorgeworfen, dass der betroffenen Zivilbevölkerung absichtlich der Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung verweigert oder eingeschränkt wurde und dass dies ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei. Die kritisierten Sachverhalte sind welche, die auch Sie und andere Sprecher vor allem des Auswärtigen Amtes hier immer wieder kritisiert haben. Vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Einschätzungen hat sich Israel der erhobenen Vorwürfe schuldig gemacht, nämlich der Verweigerung von möglicher Hilfe und Nahrung.
Wagner (AA)
Sehen Sie es mir nach, dass ich Ihnen darauf eine faktische Antwort gebe. Offensichtlich ist die Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs zu dem Schluss gekommen, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gibt, um zu diesem Schluss zu kommen. Wir sind ja hier, um die Position der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. Die beschäftigt sich jetzt seit nunmehr über zwölf Monaten mit der Lage in Gaza, mit der Lage in Nahost und mit der Frage, wie wir zu einer Lösung dieses Konflikts kommen können, um das schreckliche Leid der Menschen, die in Gaza unter katastrophalen Bedingungen ausharren müssen, zu beenden. Ich glaube, das ist letztlich unser Fokus. Deshalb werden natürlich unsere diplomatischen Bemühungen weitergehen, zu einer Lösung des Konflikts beizutragen.
Frage Jung
Ich will die israelische Seite zitieren. Die israelische Botschaft hat gesagt, dass der Internationale Strafgerichtshof - Zitat - jegliche Legitimität für seine Existenz und Tätigkeit verloren habe.
Herr Hebestreit, wie steht die Bundesregierung zu dem Angriff auf das Existenzrecht des Internationalen Strafgerichtshofs?
StS Hebestreit
Wir haben uns so viel Mühe mit dieser schönen Erklärung gegeben, aber irgendwie lesen Sie alle sie nicht oder wollen sie nicht - - - Der zweite Absatz ist doch auch an dieser Stelle sehr eindeutig. Natürlich stehen wir sowohl, was die Ausarbeitung des Internationalen Strafgerichtshofsstatuts angeht - - - Daran war Deutschland federführend mit beteiligt. Wir sind einer der größten Unterstützter und bleiben das auch. Das ist die Antwort auf Ihre Frage, nämlich, dass wir das natürlich auch weiterhin tun und unterstützen.
Zusatzfrage Jung
Darum frage ich ja den größten Unterstützer des IStGH, wenn ein Partner, ein Freund Deutschlands die Existenz- und Tätigkeitsgrundlage dieses Gerichts angreift und sie ihm abspricht. Ist man als Vertragspartner des IStGH nicht völkerrechtlich dazu verpflichtet, Angriffen auf genau dieses Gremium zu begegnen und sie zu verurteilen? Das tun Sie bisher nicht.
StS Hebestreit
Ich denke, unsere Position zum IStGH und seiner Existenz ist eine andere als die Position Israels, das nicht Unterzeichnerstaat des Römischen Statutes ist. Insofern haben wir diesbezüglich sowieso grundsätzliche Positionsunterschiede, die auch immer wieder deutlich werden. Sie sind auch an dieser Stelle klar.
Frage Ivanov
Die Bundeswehr warnt, Russland könnte in vier bis fünf Jahren willig und in der Lage sein, weiter nach Westen vorzurücken. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Bundeswehr diese Schätzung vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe Russlands mit neuen ballistischen Raketen vom Typ Oreschnik, die bislang nicht eingesetzt worden waren, in Richtung eines kürzeren Zeitraums anpasst?
Müller (BMVg)
Sowohl der Minister als auch der Generalinspekteur hat in den letzten Monaten vermehrt dargestellt, welche Bedrohungslage existiert und dass auch die Analyse ganz klar darauf hinausläuft, das Russland weiter aufrüstet und sich weiter verstärkt, sodass wir, wie Sie richtig sagen, damit rechnen müssen, dass bis Ende dieses Jahrzehnt eine verstärkte Gefährdung für die westlichen Länder Europas existiert.
Darauf ist unsere Planung ausgerichtet. Darauf ist ausgerichtet, dass wir die Bundeswehr verteidigungsfähig und durchhaltefähig machen wollen. Wir haben mit Blick auf die personelle Durchhaltefähigkeit die Pläne für den neuen Wehrdienst vorgestellt. Wir unterrichten regelmäßig über unsere Beschaffungen, um die materielle Durchhaltefähigkeit und die materielle Ertüchtigung zu realisieren, um die Streitkräfte verteidigungsfähig zu halten und darauf auszurichten, dass dieser Bedrohung im Bündnis begegnet werden kann. Das Bündnis in Gänze tut sehr viel und wird diese Entwicklungen natürlich fortführen.
Zu Ihrer Frage nach den aktuellen Ereignissen: Ich will auf die Lagebewertung gar nicht eingehen, weil ich sie nicht teilen darf. Aber Sie wissen, dass wir ein Abwehrsystem für Bedrohungen durch Raketen aus exoatmosphärischen Bereichen beschaffen, ein Arrow-System.
Ich kann mich gut an eine Diskussion vor ca. einem Jahr, im Oktober 2023, erinnern, ob dieses benötigt werde. Die Bedrohung sei ja gar nicht da. Wir sehen jetzt sehr deutlich, dass ballistische Flugkörper aus dem exoatmosphärischen Bereich eingesetzt werden. Genau dafür ist dieses Arrow-System gedacht. Wir sind im Zeitplan. Dieses System wird in einer Erstbefähigung Ende 2025 zur Verfügung stehen. Es ist die Antwort auf genau diese Form der Bedrohung.
Zusatzfrage Ivanov
Die "FAZ" hat gestern einen Artikel veröffentlicht, in dem es darum geht, dass die Bundeswehr den deutschen Unternehmen den sogenannten "Operationsplan Deutschland" vorgestellt habe. In diesem Plan stehen laut "FAZ" konkrete Vorschläge, wie sich deutsche Unternehmen wappnen können.
Können Sie bestätigen, dass es diesen Plan gibt? Wurde dieser Plan schon längst vorbereitet, oder ist er eine Reaktion auf die Ereignisse des vergangenen Monats?
Wie reagieren die Unternehmen soweit auf diesen Plan?
Müller (BMVg)
Zur Einordnung: Der "Operationsplan Deutschland" ist keine Entwicklung der letzten Monate. Er wurde schon im vergangenen Jahr und davor initiiert und tiefer durchdacht. Sicherheit und Verteidigung sind eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe, sodass für die Verteidigung des Landes nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Länder, Sicherheitsbehörden, Blaulichtorganisationen und alle beteiligten Partner bis hin zu den Kommunen eingebunden werden müssen. In einem möglichen Konfliktfall hat Deutschland eine besondere Rolle inne, die Rolle als "Drehscheibe Deutschland". Das heißt, NATO-Partner werden hier stationiert oder werden hier durchlaufen. Diese müssen versorgt werden. Stichworte sind Verkehrsregelung, Betriebsstoffe, Unterbringung bis hin zu Verlegungen von Gerät und Personen in mögliche Fronträume.
Dabei gibt es Dinge, die abgestimmt werden müssen. Dafür gibt es einen "Operationsplan Deutschland". Dieses Dokument ist eingestuft; es ist nicht öffentlich. Darin werden aber die Rollen ganz klar bestimmt und miteinander abgestimmt, und zwar ganz eng abgestimmt zwischen Bund, der Bundeswehr, den Ländern, den Sicherheitsbehörden bis hin zu den Blaulichtorganisationen. Dieses Dokument ist, wie gesagt, eingestuft. Es wird aber ein iterativer Prozess sein.
Dieses Dokument wird auch beübt. In dieser Woche, meine ich, hatten wir eine Übung dazu, in der auch in Berlin erste Phasen mit circa 200 Teilnehmern durchgeübt wurden. Dabei ging es vor allen Dingen um Alarmierungsketten, darum, wie man was in welchem Moment kommuniziert. Das ist genau der Punkt, den wir brauchen, dass wir uns auf einen möglichen Konflikt bestmöglich vorbereiten.
Der von Ihnen angesprochene Artikel ist unzutreffend. Die Bundeswehr schult keine Unternehmen. Die Bundeswehr ist, wie Sie wissen, in den Bundesländern mit den Landeskommandos vertreten. Sie hat dort entsprechend Personal und gilt als Mittler, als Kommunikator, um Pläne und Verfahren zu verdeutlichen. In dieser Rolle ist Personal aus den Landeskommandos regelmäßig auch bei Verbänden und zu Vorträgen der Landesregierungen eingeladen. Dort informiert sie auch Unternehmen über den "O-Plan Deutschland" und darüber, was er bedeuten kann und welche allgemeinen Punkte es mitzubedenken gilt. Ich denke, es ist nur begrüßenswert, wenn alle möglicherweise betroffenen Bereiche, von den Ländern und Blaulichtorganisationen bis hin zu den Unternehmen, sich bewusst werden, was das im Konfliktfall bedeuten kann. Nichts anderes passiert hier. Es ist eine soweit wie möglich transparente Information der Öffentlichkeit und der Unternehmen.
Haufe (BMWK)
Ich möchte für Sie noch ergänzen, wie das für Unternehmen generell aussieht. Das KRITIS-Dachgesetz, also das Gesetz für die kritische Infrastruktur, und die europäische Cyberrichtlinie sind aktuell in der Abstimmung bzw. teilweise schon abgestimmt. Diese legen, im Grunde genommen, den Rahmen fest, der den Unternehmen Orientierung gibt, wie sie sich in einer schwierigere Sicherheits- und Bedrohungslage aufstellen. Das sind die Kerngesetze und die Kernverordnungen, die für die Unternehmen gelten und die auch eine Menge Orientierung geben.
Das will ich deutlich vom "Operationsplan D" trennen. Dieser hat, wie gerade erläutert, eine ganz andere Aufgabe. Aber die bestehende neue Gesetzgebung spiegelt natürlich auch die neue Sicherheitslage wider.
Frage Steiner
Herr Müller, eine Vielzahl an Vorschriften ist auch für den "Operationsplan Deutschland" wichtig, ist aber in ganz anderen Bereichen untergebracht. Das betrifft beispielsweise die Frage der Zwangseinziehung oder der Unterstützung durch Arbeitskräfte usw. im Fall der Fälle.
Wie ist der aktuelle Stand der Überarbeitung all dieser Rechtsgrundlagen? Sie liegen zum großen Teil beim BMAS, aber auch beim BMG und bei ganz vielen anderen.
Müller (BMVg)
Genau, Gesamtverteidigung ist ein Prozess, der die gesamte Gesellschaft betrifft. Das habe ich dargestellt.
Ziel des "O-Plans Deutschland" ist es auch, genau solche Fragen zu finden, aufzuwerfen und ressortübergreifend zu diskutieren. Deswegen sind alle Ressorts mit eingebunden. Über Details kann ich noch nicht reden, weil jetzt die verschiedensten Stresstests kommen. Sie sind teilweise schon gelaufen und werden ausgewertet. Wie gesagt, werden dann genau diese Fragen in einem iterativen Prozess auch ressortübergreifend diskutiert werden.
Frage Dr. Delfs
Herr Müller, aufgrund der ganzen Vorkommnisse in der Ukraine haben die USA und Großbritannien ihre Strategie verändert. Es geht um den Einsatz weitreichender Waffen, der der Ukraine erlaubt worden ist. Dann wird in den USA offenbar auch die Atomwaffenstrategie angepasst.
Gibt es auf Seiten der Bundesregierung jetzt eine Neubewertung mit Blick auf die Taurus-Raketen? Können Sie erklären, warum sowohl die USA als auch Großbritannien den Ukrainern jetzt diese Nutzung erlauben, aber Deutschland noch nicht einmal dazu bereit ist, Taurus-Waffen zu liefern?
Müller (BMVg)
Die Frage, ob es in diesem Thema einen neuen Sachstand gibt, wurde hier in der Bundespressekonferenz in dieser Woche besprochen. Soweit ich weiß, haben sich der Kanzler und auch mein Minister in dieser Woche dahingehend geäußert, dass es hierbei keinen neuen Sachstand gibt. Über die Entscheidungen anderer Nationen kann ich hier nicht sprechen.
Frage Jung
Ich würde es zuerst einmal bei Herrn Wagner probieren. Sie haben wahrscheinlich die Meldung mitbekommen, dass die USA jetzt Antipersonenminen an die Ukraine geben will. Deutschland ist Unterzeichnerstaat der Ottawa-Konvention und hat sie auch ratifiziert, also das globale Verbot von Antipersonenminen. Auch die Ukraine ist Vertragsstaat. Das heißt, diese Waffen sind international geächtet.
Wie reagieren Sie auf die Ankündigung der Amerikaner?
Wagner (AA)
Herr Jung, Sie haben im Grunde die Rahmenbedingungen für unsere Positionierung gut referiert. Es ist vollkommen klar, dass wir uns weltweit für die Geltung der Ottawa-Konvention einsetzen. Derzeit gilt das Übereinkommen leider nicht für alle Staaten weltweit. Aber es ist doch vollkommen klar, dass wir diesbezüglich eine klare Haltung haben.
Zugleich muss man aber auch sagen, dass Russland laut glaubwürdigen Berichten in ganz massiver Art und Weise Minen in der Ukraine zu seinem militärischen Vorteil einsetzt und damit gegen vom humanitären Völkerrecht vorgegebene Schutzpflichten gegenüber der Zivilbevölkerung verstößt. Das verurteilen wir aufs Schärfste.
Zusatzfrage Jung
Dass die Russen das einsetzen, war jetzt nicht die Frage. Es ist ja auch klar. Russland ist aber auch nicht Vertragsstaat. Die Ukraine ist Vertragsstaat. Das heißt, für die Ukraine gilt das.
Diese Waffe ist international geächtet. Laut Artikel 1 dieser Konvention darf Deutschland auch nicht irgendjemanden in irgendeiner Weise unterstützen, ermutigen oder veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind. Das heißt, wir müssen auf die Ukraine einwirken, dass sie diese Waffen, die sie von den Amerikanern bekommt, nicht einsetzt. Verstehe ich das falsch?
Wagner (AA)
Nein, das verstehen Sie nicht falsch. Ich bestreite das auch gar nicht. Ehrlich gesagt, ist es auch bedauerlich, dass die Ukraine sich im Fortgang dieses Krieges zu einem solchen Schritt gezwungen sieht.
Ich kann aber nur noch einmal zum Ausdruck bringen, was für uns gilt. Für uns gilt eben die Ottawa-Konvention.
Frage Li
In meiner Frage geht es um den Fall des defekten Ostseedatenkabels. Für die europäische Presse gibt es einen klaren Verdächtigen. Meine Frage ist: Warum liegt der Fokus nur auf dem chinesischen Schiff Yi Peng 3? Haben Sie neuere Informationen darüber?
StS Hebestreit
Ich denke, diese Informationen kommen vor allem von den Nationen, die vor Ort betroffen sind. Meines Wissens haben sie ein chinesisches Schiff identifiziert, das sich in den fraglichen Zeiträumen jeweils in dem Seegebiet befunden hat. Deswegen gibt es einen Verdacht. Daher müssten Sie die Frage an die örtlichen Stellen in Schweden und Finnland richten, auf welchen Grundlagen sie diesen Verdacht ausgesprochen haben.
Zusatzfrage Li
Es gibt vier Schiffe im gleichen Gebiet. Warum haben wir aber nur den einen Namen Yi Peng 3 bekommen?
StS Hebestreit
Das kann ich Ihnen von dieser Stelle aus nicht beantworten, sondern das müssen Sie in Norwegen oder Schweden nachfragen. Ich gehe davon aus, dass es Gründe dafür gibt.
Frage Wacket
Meine Frage richtet sich wahrscheinlich an das Wirtschaftsministerium. Welche Konsequenzen gibt es vonseiten der Bundesregierung durch den Chapter-11-Zustand in den USA für Northvolt? Kanada will die kanadische Tochter von Northvolt nicht mehr unterstützen. Wie wirkt sich das auf Deutschland aus? Die deutsche Tochter ist von Chapter 11 ja nicht direkt betroffen.
Sind für das Projekt in Heide schon Mittel von Bund und Land geflossen? Es geht, denke ich, um 700 Millionen Euro.
Haufe (BMWK)
Ja, Herr Wacket, richtig. Die Northvolt AB - AB für Aktiebolag - hat entschieden, dass für die Muttergesellschaft ein Restrukturierungsverfahren nach dem von Ihnen gerade genannten Chapter 11 des US-Rechts begonnen wird. Wir müssen also zur Kenntnis nehmen, dass es offenbar notwendig geworden ist, ein weiteres Verfahren anzustrengen, und dass die bisherigen Bemühungen, Northvolt zu stabilisieren, noch nicht den nötigen Erfolg gezeigt haben.
Jetzt zu Ihrer Frage, was das für die deutsche Regierung bedeutet: Wir beobachten die Situation natürlich sehr genau, gerade auch mit Blick auf die Auswirkungen auf das Vorhaben in Heide. Aber der jetzt getätigte Schritt - Sie haben es auch gerade gesagt -, also das Restrukturierungsverfahren, hat erst einmal keine unmittelbaren Konsequenzen für die deutsche Projektgesellschaft, die Northvolt Drei Project GmbH, wie sie genau heißt, die das Projekt in Heide trägt. Also wie gesagt: keine unmittelbaren Konsequenzen.
Wir sehen auch, dass die Restrukturierung nicht für die deutsche Tochtergesellschaft, wie ich sie gerade genannt habe, gilt. Das will ich unterstreichen.
Sie haben auch die Mittel angesprochen. Bei den Mitteln erfolgte eigentlich bisher keine Auszahlung.
Zusatzfrage Wacket
Bisher gab es also keine Auszahlung. Wann soll sie erfolgen, und wird sie erfolgen? Ist das erst einmal unabhängig von den Vorgängen in den USA?
Haufe (BMWK)
Das Unternehmen hat die Fördermittel bisher nicht in Anspruch genommen.
Zusatzfrage Wacket
Heißt das, dass sie zur Verfügung stehen? Wenn das Unternehmen sie in Anspruch nehmen will, dann bekommt es sie auch, richtig?
Haufe (BMWK)
Wir können Mittel immer nur nach Projektfortschritten geben. Dieser Grundsatz gilt.
Zusatz Wacket
Ja, aber das ist seit März im Bau.
Haufe (BMWK)
Das ist richtig. Aber die Fördermittel, die wir nach europäischem Recht und einem dementsprechenden Unterstützungsrahmen geben, sind vorher eben nicht in Anspruch genommen worden.
Frage Dr. Delfs
Herr Haufe, wenn ich mich recht entsinne, gab es seitens Ihres Ministeriums Überlegungen, Northvolt einen KfW-Kredit zu gewähren. Können Sie darlegen, warum diese Pläne am Ende nicht weiterverfolgt wurden? Was gab den Ausschlag, dass sich die Bundesregierung entschieden hat, an der Stelle nicht noch mehr Fördermittel einzusetzen?
Haufe (BMWK)
Eine Antwort zu einem möglichen KfW-Engagement müssten wir nachliefern. Dazu kann ich mich derzeit nicht äußern.
Ich habe aber gerade wegen der Frage von Herrn Wacket nachgeschaut. Das Unternehmen selbst hat sich bezüglich der Fördermittel dahingehend geäußert, dass es sie vorerst nicht in Anspruch nimmt.
Frage Lejman
Meine Frage geht an das Wirtschaftsministerium. Vor ein paar Monaten hat Bundesminister Habeck zusammen mit dem dänischen Wirtschaftsminister die Firma Novonesis in Berlin besucht, eine große Biotechnologiefirma. Damals wurde versprochen, dass diese dänische Firma, die Novo Holdings gehört, hier ihre Geschäfte erweitern werde. Nach einem halben Jahr hat sich die Firma entschlossen, das Geschäft zu schließen. Der Grund dafür ist, dass Deutschland kein attraktiver Standort ist.
Welche Konsequenzen zieht Ihr Haus aus solchen Entscheidungen von Firmen? Novonesis ist nicht das einzige Unternehmen in diesem Bereich, das sich aus Deutschland zurückzieht. BioNTech hat eine Vereinbarung mit der britischen Regierung bezüglich Krebsforschung geschlossen. Was tut das Wirtschaftsministerium, um diesen Trend tatsächlich zu ändern?
Haufe (BMWK)
Diesen Vorgang mit dem Unternehmen, das Sie jetzt hier nennen, kenne ich nicht; das muss ich ganz klar sagen. Mir ist nicht bekannt, was bei diesem Unternehmensbesuch besprochen worden ist. Zu diesem dänischen Unternehmen, wie Sie meinen, kann ich mich also momentan nicht äußern.
Zusatzfrage Lejman
Dann möchte ich ganz allgemein fragen: 78 Prozent der Befragten bei IFO antworten, in den letzten zehn Jahren habe sich die Situation Deutschlands als Wirtschaftsstandort verschlechtert, und 48 Prozent glauben, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Was macht das Wirtschaftsministerium, um diesen Trend zu ändern?
Haufe (BMWK)
Wie Sie wissen, steht die deutsche Wirtschaft vor einer Reihe von Herausforderungen. Da gibt es Licht und Schatten; es gibt sowohl positive Entwicklungen als auch Entwicklungen, die uns deutlich sagen, dass weitere Anstrengungen nötig sind. Der Minister hat auch immer wieder deutlich gemacht, dass die Wettbewerbsbedingungen weiter verbessert werden müssen und dass wir auch noch einmal genauer auf die Entwicklung der Energiepreise schauen müssen, die natürlich durch die Energiekrise, durch die wir gegangen sind, erhöht worden sind und teilweise auch nicht wieder zu dem Niveau von vor der Krise zurückkommen.
Sie wissen, dass wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich vereinfacht haben und den Zugang für ausländische Fachkräfte verbessert haben. Es ist aber trotzdem notwendig, weitere Maßnahmen zu treffen, um das Arbeitskräfteangebot insgesamt zu erhöhen. Das ist zum Beispiel einer der Bereiche, in denen es weitere Verbesserungen geben müsste.
Gleichzeitig will ich aber auch betonen, dass es eine Reihe von Entwicklungen gibt, die positiv auf die Wettbewerbsbedingungen wirken. Zum Beispiel ist die Inflation deutlich zurückgegangen, wir konnten die Gasmangellage abwenden, die Energieversorgung ist insgesamt deutlich gesichert worden. Das hat alles sehr viele Anstrengungen gekostet, aber natürlich auch die Wettbewerbsbedingungen herausgefordert.
Sie haben auch das Thema Investitionen angesprochen. Wir haben uns in den letzten Monaten noch einmal genauer angeschaut, wie die Gründungsbedingungen in Deutschland sind. Wir haben ja auch eine Kapitalmarktinitiative auf den Weg gebracht, damit Unternehmen gerade in besonderes zukunftsorientierten Technologien in Deutschland besser Wagniskapital generieren können. Das ist ein großes Problem; denn wenn man das weltweit vergleicht, sieht man, dass wir dort nicht so gut dastehen. Deswegen gibt es eben eine Initiative - die damals noch die gesamte Ampelregierung vorangebracht hat -, um den Wagniskapitalzugang gehebelt durch öffentliche Gelder deutlich zu erleichtern. Das ist ein wichtiges Signal für die Investitionsbedingungen in Deutschland.
Wir haben uns auch gezielt noch einmal die Bedingungen für Gründungen und Übergaben von Unternehmen in einem sogenannten Praxischeck angeschaut, um diesbezüglich weitere Erleichterungen vorzunehmen. Auch das ist eine Maßnahme, die angelaufen ist und die im Grunde genommen vor einer Verabschiedung von Regelungen steht; diese Maßnahme könnte eine mögliche neue Regierung also noch aufnehmen.
Das heißt, wir sind uns der Situation der Unternehmen an der Stelle sehr bewusst. Ich will aber auch darauf verweisen - wir haben vorhin im Zusammenhang mit den Terminen des Bundeskanzlers von einem Termin gesprochen, der mit einer neuen Investition in Deutschland verbunden ist -, dass es zahlreiche neue Investitionen in Deutschland gibt, und das, obwohl es Schwierigkeiten gibt und dass es auch hier und da Aspekte gibt, die mit Blick auf die Wettbewerbsbedingungen schwierig sind.
Es ist also nicht so, dass Deutschland für Unternehmen uninteressant würde; das ist überhaupt nicht der Fall. Deutschland ist weiter ein interessanter Investitionsstandort.
Frage Jäckels
Herr Hebestreit, Sie haben eben das Medizinforschungsgesetz angesprochen. Was sagt der Bundeskanzler eigentlich zu den deutlichen Indizien, dass das Medizinforschungsgesetz spezifisch für den US-Pharmakonzern Ely Lilly umgeschrieben wurde? Konkret geht es dabei um die geheimen Arzneimittelpreise, die Mehrkosten für die Krankenkasse in Milliardenhöhe bedeuten würden.
StS Hebestreit
Ich glaube, Sie können diesen Vorwurf formulieren, aber Sie können nicht belegen, dass das Mehrkosten generieren würde. Es hat auch keine Verbindung zwischen der Ansiedlung des Unternehmens in Rheinland-Pfalz und dieser Gesetzesänderung gegeben; vielmehr war es so, dass wir damals mit diesem Transparenzgesetz in die Vorleistung getreten sind, alle anderen Länder dem allerdings nicht gefolgt sind. Somit war das eine Schwächung des Standorts Deutschland, und deshalb haben wir eine Konsequenz gezogen, um auch dem Abwandern von Pharmaunternehmen aus Deutschland entgegenzuwirken. Es ist also eher so, dass wir das Gefühl haben, sehr im internationalen Geleitzug zu gehen, und es nicht dazu kommt, dass deutsche Patientinnen und Patienten höhere Preise zahlen müssen als anderswo, weil sie dann transparent als Benchmark für andere Länder genommen würden.
Zusatzfrage Jäckels
Wir wissen inzwischen aus Dokumenten aus dem BMG, dass Eli Lilly der Bundesregierung mehrfach klargemacht hat, man werde nur dann eine Fabrik in Alzey eröffnen, wenn die Bundesregierung die geheimen Arzneimittelpreise einführt. Etwas später kam dann aus dem BMG eine Nachricht an den CEO von Eli Lilly, man werde dem Wunsch der Firma nachkommen. Da stellt sich die Frage: Kostet es drei Milliarden Euro und tausend Arbeitsplätze, sich in Deutschland ein Gesetz zu kaufen?
StS Hebestreit
Frau Jäckels, ich wundere mich ein bisschen; denn es gab dazu auch parlamentarische Anfragen und auch Antworten, die den Zeitablauf, den Sie nahegelegt haben, nicht bestätigt haben. Die Investitionsentscheidung der Firma ist deutlich vor dem, was Sie gerade geschildert haben, ergangen.
Frage Jung
Herr Hebestreit, da das heute alles schon traurig genug war, möchte ich einmal mit etwas Positivem enden: Der Kanzler ist jetzt wieder Kanzlerkandidat. Sie hatten am 11. November gesagt, dass er das natürlich sei. Hat er sich gewundert, wie natürlich unnatürlich die letzten zehn Tage waren?
StS Hebestreit
Nein, hat er nicht. Ich glaube, der Kanzler hat immer wieder deutlich gemacht, dass er gesehen hat, dass es innerhalb seiner Partei - wenn ich da kurz den Ausflug in die Parteipolitik machen darf -, Gesprächsbedarf gegeben hat. Dieser Gesprächsbedarf ist jetzt vollzogen und es herrscht Klarheit. Insofern gelten meine Worte vom 11. November fort: Er ist als Kanzler der natürliche Kanzlerkandidat und er ist jetzt auch der Kanzlerkandidat der Partei bzw. er soll, glaube ich, am Montag nominiert werden.
Zusatzfrage Jung
Angesichts der Verkürzung seiner G20-Reise usw. schien diese Natürlichkeit dann ja doch nicht vorzuherrschen. Sie meinten ja selbst, dass es Gesprächsbedarf gab. Insofern war das ja eng.
StS Hebestreit
Man kann ja die Augen nicht vor der Realität verschließen. Fairerweise muss ich aber sagen: Wir haben die G20-Reise nicht verkürzt, der Bundeskanzler hat den G20-Gipfel ganz regulär absolviert. Eine weitere Station, die uns nach Mexiko geführt hätte, wurde dann nicht mehr wahrgenommen. Auch das war aber schon in der vorherigen Woche so geplant gewesen.
Frage Jessen
Herr Müller, davon ausgehend, dass Sie sozusagen Ihr Ohr am Puls der Truppe haben: Ist man dort eigentlich froh, dass der Verteidigungsminister nun seine ganze Energie und Arbeitskraft dem Amt widmen kann und sich in den nächsten Monaten nicht zusätzlich etwelchen Aufgaben als Kanzlerkandidat zuzuwenden hätte. Freut man sich in der Truppe darüber?
Müller (BMVg)
Sehen Sie es mir nach, wenn ich nicht über die gesamte Truppe reden kann. Was ich vernehme, ist, dass alle glücklich sind, dass im Verteidigungsressort in den letzten Monaten, in den letzten beiden Jahren im Bereich von Personal und Material und im Bereich der Rahmenbedingungen, die für die Truppe in die richtige Richtung verändert werden, viel passiert. Ich denke, darüber sind alle sehr zufrieden und blicken jetzt nach vorne.
Zusatzfrage Jessen
Ich sehe das als eine dezente Form der Bestätigung, dass man überwiegend sehr einverstanden ist mit dieser Nicht-Kandidatur?
Müller (BMVg)
Ich habe nur gesagt, was der Eindruck zu dem ist, was in den letzten Monaten passiert ist, und ich habe auch noch gesagt: Ich kann nicht für die Truppe in Gänze sprechen.
Haufe (BMWK)
Ich möchte gerne noch einmal kurz zu der Frage von Herrn Delfs zurückkommen. Sie hatten ja das Engagement des Bundes bei Northvolt angesprochen. Da würde ich gerne darauf hinweisen, dass wir uns während des Restrukturierungsverfahrens über solche möglichen Risikopositionen - ich glaube, Sie sprechen da das Thema der Wandelanleihe an - nicht äußern. Es ist wirklich erst einmal wichtig, dass jetzt das Restrukturierungsverfahren losgeht. Darüber, wie es dann seitens des Bundes weitergeht, können wir hier nicht spekulieren.
Funke (BMI)
Ich möchte mich noch kurz von Ihnen verabschieden: Das war heute zumindest vorerst meine letzte RegPK als Sprecher für das BMI. Ich wechsle an die ständige Vertretung Deutschlands bei der EU in Brüssel und freue mich auf die neuen Herausforderungen und Aufgaben. Es war für mich eine sehr besondere Zeit, in der ich hier für das BMI sprechen durfte. Ich hoffe, dass ich meinen Beitrag dazu leisten konnte, die Entscheidungen des BMI hier angemessen zu erläutern. Ich wünsche Ihnen alles Gute - auf Wiedersehen!
Vorsitzende Wefers
Herr Funke, wir wünschen Ihnen auch alles Gute. Vielen Dank, dass Sie uns immer zur Verfügung gestanden haben. Die neue Verwendung - ich glaube, das sagt man so in Ihrer Branche - lässt darauf hoffen, dass Sie einigen von uns wieder begegnen werden. Wir wünschen Ihnen einen guten Start und eine gute Hand in der neuen Tätigkeit!