Ver.Di - Vereinte Dienstleinstungsgewerkschaft

09/24/2024 | News release | Distributed by Public on 09/24/2024 08:22

ARD: Tarifrunde ohne Ergebnisse – ver.di weitet Streiks aus

24.09.2024
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht für Unabhängigkeit und Professionalität

Ab Mittwoch (25. September 2024) intensiviert ver.di die Streiks bei zahlreichen ARD-Sendern und dem ZDF - denn es herrscht Stillstand in den Tarifverhandlungen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender der ARD. Bereits Ende Januar hatten die Verhandlungen für Beschäftigte beim NDR, WDR, BR und SWR begonnen - immer wieder begleitet von Warnstreiks, Programmänderungen und -ausfällen. Weil auch nach neun Verhandlungsrunden keine entscheidende Annäherung im Kernthema Tariferhöhung erreicht werden konnte, fordert ver.di im SWR zu einer Tarifschlichtung auf. Bisher bietet der SWR lediglich knapp 2,4 Prozent pro Jahr an bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von drei Jahren und erklärte, keine nachgebesserten Angebote mehr vorlegen zu wollen.

"Die Strategie der Intendantinnen und Intendanten ist es offenbar, die Beschäftigten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von der allgemeinen Lohnentwicklung und der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst deutlich abzukoppeln. Dies stößt wegen der damit drohenden Reallohneinbußen auf nachhaltige Ablehnung bei Festen und Freien in ARD und ZDF", erklärte Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Auf der Tagung der Intendantinnen und Intendanten am 24. September in Köln sollten die Senderverantwortlichen eine Kurskorrektur mit fairen Tarifangeboten vornehmen oder sich dem ver.di-Angebot zu einer Tarifschlichtung im SWR anschließen,sonst verhindern sie eine baldige Lösung des Tarifkonflikts und provozieren weitere Streiks, forderte der Gewerkschafter. Die Streiks, so Schmitz-Dethlefsen weiter, machten deutlich, dass sich die Politik in den Bundesländern in gleicher Weise mit steigenden Personalkosten im Rundfunk befassen müssten, wie sie es in ihren eigenen Landeshaushalten auch täten.

Höhere Rundfunkabgaben für höhere Löhne

"Gute Arbeit und steigende Ansprüche an öffentlich-rechtliche Medien mit Angeboten in Radio und Fernsehen, Social Media, Mediatheken, Onlineauftritten der Sender sowie von deren Rundfunkorchestern und Chören muss mit angemessenen Tariferhöhungen von Gehältern und Honoraren bedacht werden. Dafür braucht es eine höhere Rundfunkabgabe. Die bisher kalkulierte Erhöhung um 58 Cent ab 2025 reicht nicht aus und führt zum Programmabbau. Das gerade in der Rundfunkkommission diskutierte Aussetzen der Erhöhung fügt dem Rundfunksystem weitgehenden Schaden zu, der unbedingt vermieden werden muss", betont Schmitz-Dethlefsen.

Für die Erhöhung von Gehältern und Honoraren fordert ver.di 10,5 Prozent sowie Mindesterhöhungen von 500 Euro bzw. von 250 Euro für Auszubildende. Die Rundfunkanstalten bieten dagegen innerhalb eines dreijährigen Tarifabschlusses bisher lediglich knapp 2,4 Prozent pro Jahr an.

"Die Verhandlungsführungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk planen in diesem Jahr eine Abkopplung der Rundfunk-Beschäftigten, Angestellte und Freie, von der allgemeinen und der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst."

ver.di Verhandlungsführer Matthias von Fintel

Deshalb wehren sich die Beschäftigten der Sender nach zwei Jahren mit außergewöhnlich gestiegenen Lebenshaltungskosten mit Streiks. ver.di versucht gleichzeitig seit Monaten, in Verhandlungen zufriedenstellende Einkommensnachbesserungen auf der Höhe eines Inflationsausgleichs zu erreichen. Doch bei den Sendern sei kein Einigungswille zu erkennen, sagt Gewerkschafter von Fintel. Und deshalb schlage ver.di nun in einem Brief an den ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke und den Verwaltungsdirektor des SWR eine Schlichtung für den Sender vor. "Eine neutrale Person soll zwischen den Tarifparteien eine Einigung per Schlichtung vermitteln, nachdem dies auch nach neun Monaten Verhandlungen nicht gelungen ist", so von Fintel.

ver.di hat zusammen mit den Gewerkschaften DJV dem SWR den Entwurf einer Schlichtungsvereinbarung zugeleitet. Eine Entscheidung des SWR wird bis zur kommenden Verwaltungsratssitzung am 19./20. September 2024 erwartet.

Ende August hatte ver.di NRW zuletzt die Beschäftigten der WDR-Studios in Essen zu Warnstreiks aufgerufen. Grund für die Arbeitsniederlegungen ist das unzureichende Angebot der WDR-Geschäftsleitung. "Die Arbeitgeberseite muss aufhören zu versuchen, die Beschäftigten von der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst der Länder abzukoppeln", sagt ver.di-Verhandlungsführer Christof Büttner. Traditionell wird der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes der Länder als Vergleichsmaßstab herangezogen und auch von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) als Maßstab akzeptiert.

Darüber hinaus kritisiert ver.di die geplante Einführung einer neuen Vergütungsstruktur, die deutliche Verschlechterungen für freie Mitarbeitende vorsieht. "Keine Honorarkürzungen bei gleicher Arbeit", betont Büttner. "Die Freien sind zu Recht sauer, und wir werden diese Verschlechterungen nicht hinnehmen." ver.di fordert für freie Mitarbeitende eine Erhöhung der Effektivhonorare um 10,5 Prozent, bei zeitbezogenen Schichten mindestens 100 Euro mehr pro Schicht. Für Angestellte wird eine Gehaltserhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro pro Monat gefordert und für Auszubildende die Erhöhung der Ausbildungsvergütung um mindestens 250 Euro pro Monat.

Zum bisherigen Verlauf

Beim NDR streikten Beschäftigte am Standort Hamburg am 3. und 4. September erneut für mehr als 24 Stunden. In der achten Verhandlungsrunde Ende August hatten die Arbeitgeber erneut die Vorschläge der Gewerkschaften ausgeschlagen. Bereits ab dem 8. August hatte ver.di gemeinsam mit dem Deutschen Journalisten-Verband die 4.400 Beschäftigten beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) zu einem zweitägigem Warnstreik aufgerufen. Das bisherige Angebot des NDR stelle einen herben Reallohnverlust für die festen und freien Beschäftigten des Senders dar, betonte ver.di. Seit 7. August waren ebenfalls die Beschäftigten des Bayerischen Rundfunks (BR) zu einem 48-stündigen Warnstreik aufgerufen. Betroffen waren alle Betriebsteile des BR sowie das Hauptstadtstudio in Berlin.

Seit Mai 2021 hatte es für die NDR-Beschäftigten Entgeltsteigerungen von nur 4 Prozent gegeben, während die Verbraucherpreise bis Juni 2024 um 16,4 Prozent gestiegen sind. Die Forderung von ver.di nach Gehalts- und Honorarsteigerungen für feste wie auch freie Beschäftigte von 10,5 Prozent für 2024 soll lediglich annähernd die Inflation des Jahres und der vergangenen drei Jahre ausgleichen, hieß es in einer ver.di-Pressemitteilung aus Niedersachsen-Bremen zum Streik. Der bisherige Entgelttarifvertrag ist Anfang 2024 ausgelaufen. "Die Kolleg*innen sehen keinen anderen Weg, als ihre Arbeit niederzulegen, denn in den Verhandlungen, die bereits im Januar 2024 begonnen haben, sind wir einer Lösung im Sinne der Beschäftigten bisher nicht einmal nahegekommen. Die Kaufkraftverluste, die der NDR uns zumuten will, sind nicht akzeptabel", sagte Stephanie Steffen, Vorsitzende des ver.di-Senderverbands im NDR. "Das Angebot des NDR von Entgeltsteigerungen von 7,17 Prozent innerhalb der nächsten drei Jahre ist weniger als ein Viertel unserer ver.di-Forderung", sagte Steffen.

Zeitgleich zur 8. Verhandlungsrunde beim NDR Ende August fanden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Tarifverhandlungen bei Radio Bremen und der Bremedia, beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), beim Südwestrundfunk (SWR) und beim Bayerischen Rundfunk (BR) statt. Die Beschäftigten von Radio Bremen und die Bremedia unterstützen mit einer aktiven Mittagspause in Bremen vor dem Sender.

Die Verhandlungsrunde beim BRam 12. August brachte erneut keinen Durchbruch, Zuvor waren die Beschäftigten des BR in München und im Hauptstadtstudie Berlin am 7./8. August zu einem 48-stündigen Wanrnstreik aufgerufen. Damit setzten nochmal ein eindrückliches Zeichen für das dringend benötigte Lohnplus. Es kam zu zahlreichen Ausfällen und Einschränkungen im Programm des BR. Während Beschäftigte im öffentlichen Dienst einen Kaufkraftausgleich von 11,2 Prozent über 25 Monate erhielten, bietet der BR bisher lediglich 4,71 Prozent für zwei Jahre an - ohne Erhöhung für 2025. ver.d fordert auch hier 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro. Der BR-Vorschlag würde angesichts der Inflation einen "drastischen Kaufkraftverlust" für die Beschäftigten bedeuten. Annette Greca von ver.di kritisiert: "Der BR verwehrt seinen Beschäftigten einen Kaufkraftausgleich, wie ihn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in der letzten Tarifrunde erhalten haben, das ist unfair!"

Weitere Informationen: rundfunk.verdi.de

Verhandlungen seit Januar beim NDR, BR, WDR und SWR

Den Verhandlungsauftakt hatten im Januar die Verhandlungen beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg gemacht, weiter ging es in derselben Woche mit Verhandlungen beim Bayerischen Rundfunk in München, es folgten Verhandlungen mit dem Südwestrundfunk in Stuttgart und dann mit dem Westdeutschen Rundfunk in Köln. Seither war genug Zeit für die Arbeitgeber, den Beschäftigten die nötige Wertschätzung entgegen zu bringen. Zuletzt vom SWR, BR oder NDR unterbreitete Tarifangebote bleiben mit weniger als 5 Prozent Erhöhung auf zwei Jahre und in Verbindung mit einem dritten Laufzeitjahr weit unter einem Inflationsausgleich für die vergangenen zwei Jahre zurück und auch weit unter anderen aktuellen Tarifergebnissen oder auch dem beispielsweise für den Tarifbereich des Öffentlichen Dienstes gefundenen Tarifabschluss. ver.di reagiert auf die unzureichenden Tarifangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender der ARD deshalb immer wieder mit Warnstreiks beim NDR, WDR, BR und SWR. Die Streiks in den betroffenen ARD-Sendern führen zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm.

"Wir wollen faire Tariferhöhungen für Freie und Feste im Rundfunk, die tagtäglich unter schwierigen Arbeitsbedingungen das bestmögliche Programm für die Bürgerinnen und Bürger im Land liefern. Dabei ist der Öffentlich-rechtliche Rundfunk im dualen Rundfunksystem eine wichtige Säule, die nicht durch Programmabbau, mangelnde Nachwuchskräfte und unangemessen niedrige Einkommensentwicklung bei den Rundfunkbeschäftigten geschwächt werden darf."

Christoph Schmitz-Dethlefsen, im ver.di-Bundesvorstand für Medien zuständig

Er verstehe den Unmut der Kolleginnen und Kollegen in der ARD, denen in einer unwürdigen Verzögerungstaktik und dann auch noch durch erkennbar unzureichende Tarifangebote der Kampf erklärt werde, erklärte Christoph Schmitz-Dethlefsen, im ver.di-Bundesvorstand für die Medien zuständig. "Wir organisieren mit den Rundfunkbeschäftigten die Kraft, einen starken ÖRR auch in Zukunft zu gewährleisten und dafür die verfassungsrechtlich garantierte Finanzierung einzufordern. In Zeiten von wachsenden demokratiefeindlichen Kräften ist der unsere Demokratie schützende und sie fördernde öffentlich-rechtliche Rundfunk nötiger denn je", so der Gewerkschafter.

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