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Office of the Federal President of the Republic of Austria

07/01/2024 | Press release | Distributed by Public on 07/01/2024 05:41

Bundespräsident: »Ludwig Adamovich war eine juristische Institution - Adieu«

Rede von Alexander Van der Bellen anlässlich des Requiems für Ludwig Adamovich.

Verehrte Frau Adamovich-Wagner,

liebe Angehörige, werte Trauergemeinde.

Wir alle trauern gemeinsam um Ludwig Adamovich.

Ludwig Adamovich war eine juristische Institution. Sein Wort zählte.

Das bezeugt nicht zuletzt der tiefe Respekt, der ihm von nachfolgenden Juristengenerationen entgegengebracht wurde.

Und er war stets seinem Gewissen, dem Rechtsstaat und der Verfassung verpflichtet.

Ich persönlich hatte die Freude und das Vergnügen, wie schon mein Vorgänger Heinz Fischer, dass Ludwig Adamovich bereit war, mir ehrenamtlich als verfassungsrechtlicher Berater zur Verfügung zu stehen.

Was seine Erfahrung für mich bedeutet hat, möchte ich an Hand einer kleinen Begebenheit schildern:

Im Zuge der Regierungsverhandlungen 2017 hat der spätere Vizekanzler Strache überlegt, ob er Vizekanzler ohne eigenes Portefeuille werden solle.

Auf meine Frage an Ludwig, ob das rechtlich möglich wäre, hat er wie aus der Pistole geschossen geantwortet: "Pittermann 1957." Damit hatte ich nicht nur auf Anhieb die Rechtsauskunft, sondern zum Verweis auch einen Präzedenzfall.

Diese Präzision des Wissens beruhte auf seiner immensen Karriere, die sich auf Stationen Universität, Beamter, Richter und Berater aufteilt.

Zunächst war er Assistent am Institut für Kriminologie später Ordinarius für öffentliches Recht. 26 Jahre diente er im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes. Acht Jahre als dessen Leiter. Unvorstellbare 19 Jahre war Ludwig Adamovich Präsident des Verfassungsgerichtshofes. Und ehrenamtlich bis zu seinem Tod, rund 20 Jahre lang, verfassungsrechtlicher Berater des Bundespräsidenten.

Inhaltlich haben ihn seine ganze Laufbahn hindurch schwierigste rechts- und gesellschaftspolitische Fragen begleitet. Ausdrücklich erwähnen möchte ich: Grundrechtsfragen und Minderheitenschutz.

Aus seiner wichtigen Beratungstätigkeit in der Hofburg möchte ich drei Beispiele erwähnen:

Er war tief involviert, als ein Bundespräsident das erste Mal die Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens eines Bundesgesetzes verweigert hat. Als ich vor der Frage stand, ob ich das mir vorgelegte CETA-Abkommen gleich ratifizieren müsste, hat er ein wesentliches Gutachten erstellt, dass mir im Hinblick auf die noch offene gutachtlich Befassung des EuGH den Weg zum Aufschub der Ratifikation gewiesen hat. Und er hat sich mit bis dahin ungekannter Präzision und Tiefe mit dem Begriff des Oberbefehls auseinandergesetzt.

Er hat in der Hofburg aber auchviel hinter den Kulissen gearbeitet. Meist zwei Mal wöchentlich kam von ihm ein Memo zu einem aktuellen politisch-juristischen Thema mit einer wertvollen Einschätzung. Und diese Memos waren kurz, prägnant und brilliant.

Kurz, weil selten länger als zwei Seiten. Prägnant, weil immer auf dem Punkt und selbst für einen juristischen Laien unmittelbar verständlich. Brilliant, weil sich in seinen Bewertungen seine gesamte juristische und politische Lebenserfahrung wiederfand.

Werte Trauergemeinde!

In Selbstbeschreibungen hat sich Ludwig Adamovich als "hinreichend konservativ", als "Nullgruppler mit katholischer Weltanschauung" oder als "Nonkonformist" bezeichnet. Das zeigt sein unbedingtes Streben nach innerer Unabhängigkeit. Dabei ging es ihm allein darum, im Interesse des Staates dessen Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Dementsprechend lautet der Schlusssatz seiner Erinnerungen: "Maßstab muss das persönliche Gewissen sein und bleiben."

Diese innere Haltung hat es ihm ermöglicht, ein Staatsdiener im besten Sinne des Wortes zu sein.

Lieber Ludwig,

für Deine unschätzbaren Verdienste um die Republik Österreich danke ich Dir ebenso wie für die persönliche Unterstützung, die Du mir gewährt hast.

Meine Frau Doris und ich werden Dich immer in guter Erinnerung behalten.

Adieu!

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