WHO - World Health Organization Regional Office for Europe

07/11/2023 | Press release | Distributed by Public on 07/11/2023 14:53

WHO/Europa und Europäische Kommission gründen neue Partnerschaft für bessere Langzeitpflege

WHO/Europa und die Europäische Kommission bemühen sich mit vereinten Kräften um Unterstützung der Länder der Europäischen Union bei der Verbesserung der Langzeitpflege. Primäres Ziel der neuen Partnerschaft, an der sich die Arbeit von WHO/Europa in der Europäischen Region orientieren wird, ist eine Verbesserung von Zugänglichkeit und Qualität der Langzeitpflege und gleichzeitig die Unterstützung informeller Pflegepersonen, die oft eine entscheidende Rolle spielen.

In der Europäischen Region der WHO leben 135 Mio. Menschen mit Behinderungen, und fast ein Drittel der älteren Bevölkerung kann seine grundlegenden Bedürfnisse nicht unabhängig befriedigen. Der Zugang zu einer hochwertigen, integrierten Langzeitpflege ist für diese Menschen entscheidend für die Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit und ihrer grundlegenden Menschenrechte und für ein menschenwürdiges Leben.

Eine integrierte Pflege ist dann gegeben, wenn die Menschen rechtzeitig und umfassend Zugang zu den benötigten Leistungen haben, die von der Prävention über die Behandlung und Langzeitpflege bis hin zur Rehabilitation oder Palliativversorgung reichen. Diese können in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegewesens, zu Hause oder wohnortnah erbracht werden.

Die COVID-19-Pandemie hat die Schwachstellen der Pflegesysteme aufgezeigt, insbesondere die unzureichenden Pflegeangebote und deren mangelhafte Integration in die Gesundheitsversorgung. Allein in der Europäischen Union führten die ersten Wellen der Pandemie zu etwa 200 000 Todesfällen bei Bewohnern von Pflegeeinrichtungen.

"Die Lehren aus der Pandemie sind eindeutig. Aber sind wir jetzt besser für eine Herausforderung dieser Größenordnung gerüstet? Wir wissen, dass wir mehr in unsere Gesundheitssysteme investieren müssen, auch in die Art und Weise, wie wir Langzeitpflege für die Bedürftigen bereitstellen", erklärte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Leiterin der Abteilung für Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa.

"Die Verbesserung von Zugänglichkeit und Qualität der Pflege für unsere Bevölkerung ist von zentraler Bedeutung; Gleiches gilt für die Unterstützung von Pflegekräften, unabhängig davon, ob es sich um Familienmitglieder, Freiwillige oder Erwerbstätige handelt. Wir sind stolz auf diese neue Partnerschaft mit der Europäischen Union in diesem wichtigen Arbeitsbereich und freuen uns darauf, alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, unabhängig davon, wo sie leben", fügte Dr. Azzopardi-Muscat hinzu.

"Viele Herausforderungen im Bereich der Langzeitpflege sind nicht nur in einzelnen Ländern oder auf europäischer Ebene, sondern weltweit relevant. Wir freuen uns daher, unsere Kräfte mit der WHO zu bündeln und uns auch ihre umfassende Erfahrung bei der Unterstützung von Reformen hin zu einer integrierten Versorgung und zur Anpassung der Gesundheitssysteme an die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung zunutze zu machen. Die strategische Partnerschaft mit der WHO ist ein Schritt nach vorn, um den Zugang zu einer hochwertigen und bezahlbaren Langzeitpflege für alle zu gewährleisten", sagte Katarina Ivanković Knežević, Direktorin für soziale Rechte und Integration bei der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission.

Nachfrage nach Langzeitpflege wird voraussichtlich steigen

Während der Zugang zu Leistungen der Langzeitpflege in den einzelnen Ländern der Europäischen Region unterschiedlich ist, belegen die verfügbaren Daten aus den Ländern der Europäischen Union, dass nur jeder dritte ältere Mensch mit Pflegebedarf Zugang zu gemeindenahen Pflegeangeboten hat.

Da die Bevölkerung immer älter wird, dürfte auch die Nachfrage nach Langzeitpflege steigen. Bis 2024 wird es in der Europäischen Region der WHO mehr ältere Erwachsene (65 Jahre und älter) als Kinder und Jugendliche geben, wobei nach Schätzungen zwei von drei älteren Menschen irgendwann in ihrem Leben Pflege und Betreuung benötigen.

Die neue Partnerschaft wird Instrumente zur Unterstützung der Reformbemühungen der Länder im Bereich der Langzeitpflege entwickeln und dazu beitragen, die Fortschritte bei der Verbesserung des Leistungsumfangs, der Bezahlbarkeit der Pflege und der Koordinierung von Gesundheits- und Pflegeleistungen über den gesamten Lebensverlauf hinweg zu überwachen. 

Die Arbeit der Partnerschaft wird sich an den bevorstehenden Arbeiten von WHO/Europa zur Unterstützung der Entwicklung einer integrierten Versorgung für gesundes Altern orientieren, zu denen auch ein regionsweiter Handlungsrahmen für integrierte Gesundheits- und Pflegesysteme gehört, der zu Koordination, Zusammenarbeit, gemeinsamem Lernen, Innovation und Überwachung im Bereich der integrierten Leistungserbringung und altersfreundlicher Gesellschaften beitragen soll.

Unterstützung informeller Pflegepersonen

Ein Großteil der Pflegearbeit in der Europäischen Region wird informell von Familienangehörigen und dem nachbarschaftlichen Umfeld geleistet. Durch ihre Arbeit tragen informelle Pflegepersonen dazu bei, Lücken beim Leistungsumfang zu schließen und die Versorgung derjenigen sicherzustellen, die keinen Zugang zu offiziellen Pflegeleistungen haben oder sich diese nicht leisten können.

Die Partnerschaft wird auch diese informellen Pflegepersonen unterstützen, indem sie eine Reihe von frei zugänglichen Instrumenten entwickelt, die ihnen bei ihrer Pflegetätigkeit behilflich sein können.

Die COVID-19-Pandemie hat sowohl das Gesundheits- und Pflegepersonal als auch informelle Pflegepersonen enorm belastet. Zwei von drei Pflegekräften in der Europäischen Union berichteten über eine Verschlechterung ihrer psychischen und physischen Gesundheit aufgrund der verstärkten Pflegeaufgaben während der Pandemie.

Aus dem von WHO/Europa veröffentlichten Bericht mit dem Titel "Gesundheits- und Pflegepersonal in Europa - Zeit zu handeln" geht hervor, dass Arbeitskräftemangel sich auch qualitativ und quantitativ auf die Langzeitpflege in der Europäischen Region auswirkt. Um diesen Mangel zu beheben, sind dringend Investitionen in Ausbildung, Einstellung, Bindung und Schutz des Personals in der Langzeitpflege erforderlich.

Darüber hinaus sind etwa drei Viertel aller informellen Pflegepersonen Frauen, und nach Schätzungen sind auch 80 % des formellen Pflegepersonals Frauen. Trotz ihres immensen Beitrags zur Gesellschaft haben diese Pflegekräfte häufig mit unzureichender Anerkennung, schwierigen Arbeitsbedingungen, übermäßiger Arbeitsbelastung und chronischem Stress zu kämpfen.

"Millionen von Frauen, die heute Angehörige pflegen, opfern ihre beruflichen Chancen, ihre Freizeit und viel zu oft auch ihre Gesundheit", erklärte Dr. Azzopardi-Muscat. "Deshalb sind Investitionen in gerechtere Pflegesysteme so wichtig für die Förderung einer Gleichstellung der Geschlechter. Sie sind auch eine kluge Investition, insbesondere wenn wir eine Ökonomie des Wohlergehens schaffen wollen, die die Lebensqualität der Menschen in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Wiederaufbaus stellt."