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12/13/2024 | Press release | Distributed by Public on 12/13/2024 02:39

Landgericht Berlin I spricht Angeklagte im Berufungsverfahren um die sog. Neuköllner Brandanschläge schuldig und verhängt Freiheitsstrafen (PM 39/2024)

Die 2. Große Kammer des Landgerichts Berlin I hat heute im Berufungsverfahren um die sog. Neuköllner Brandanschläge die Angeklagten Sebastian T. und Tilo P. in den wesentlichen Anklagepunkten für schuldig befunden und jeweils Freiheitsstrafen verhängt. Die erstinstanzlichen Urteile des Amtsgerichts Tiergarten wurden aufgehoben. Sebastian T. wurde wegen Brandstiftung in zwei Fällen, Sachbeschädigung in 18 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Bedrohung und hiervon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen Betruges in fünf Fällen, hiervon in einem Fall durch Unterlassen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem wurde gegen ihn im Zusammenhang mit dem unberechtigten Bezug von Arbeitslosengeld II und sogenannter "Corona-Soforthilfe" die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 16.456,45 Euro angeordnet. Bezüglich weiterer Anklagepunkte wurde er freigesprochen. Der Angeklagte Tilo P. wurde wegen Brandstiftung in zwei Fällen und wegen Sachbeschädigung in zehn Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Im Übrigen wurde er freigesprochen.

Nach Feststellung der Kammer sind die Angeklagten spätestens im Januar 2018 übereingekommen, Brandanschläge auf die Fahrzeuge zweier Männer zu verüben, um diese davon abzuhalten, sich weiterhin politisch gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Die Angeklagten hätten ihre im Berliner Bezirk Neukölln lebenden Opfer zunächst ausgekundschaftet und dann in der Nacht zum 1. Februar 2018 nacheinander deren Fahrzeuge angezündet. Es habe sich eindeutig um politisch motivierte Straftaten gehandelt, so die Vorsitzende der Kammer in ihrer heutigen Urteilsbegründung. Bei den Angeklagten handele es sich um überzeugte Rechtsextremisten. Darüber hinaus hätten die Angeklagten u.a. in mehreren Fällen Parolen mit Bezug zu dem verurteilten Kriegsverbrecher und ehemaligen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Berliner Straßenland geklebt bzw. gesprüht. Weitere Personen seien von den Angeklagten bedroht und / oder beleidigt worden.

In einem ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten waren die Angeklagten von dem Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen worden - der Angeklagte P. am 15. Dezember 2022 und der Angeklagte T. am 7. Februar 2023. Ein erweitertes Schöffengericht war erstinstanzlich zu dem Ergebnis gekommen, die Brandstiftungen seien den Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. Gleichzeitig hatte das Amtsgericht den Angeklagten P. im Zusammenhang mit dem Aufbringen von Heß-Parolen wegen Sachbeschädigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in mehreren Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30,- Euro und den Angeklagten T. wegen Betruges, Sachbeschädigung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Bedrohung, Beleidigung und Störung des öffentlichen Friedens zu einer Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Gegen diese erstinstanzlichen Urteile hatten sowohl die Generalstaatsanwaltschaft Berlin als auch die Angeklagten Berufung eingelegt.

In der Berufungsinstanz befand die zuständige Staatsschutzkammer nach einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme nun, nicht nur das Anbringen verschiedener Parolen, sondern auch die Brandstiftungen an den Fahrzeugen der beiden o. g. Geschädigten seien den Angeklagten nachzuweisen. Die Kammer sei insbesondere aufgrund der zwischen den Angeklagten aufgezeichneten Telefonate und Chats, aufgrund verschiedener gegenüber Zeugen getätigter Äußerungen sowie aufgrund nachgewiesener Internetaktivitäten der Angeklagten von deren Täterschaft überzeugt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.

Az.: 502 NBs 12/23

Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte