21/11/2024 | Press release | Distributed by Public on 21/11/2024 08:30
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Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Rückwirkende Anwendung der mit dem Corona-Steuerhilfegesetz in § 3 Nr. 11a EStG eingeführten Steuerbefreiung für ab dem 1. März 2020 gewährte Corona-Sonderzahlungen.
Urteil vom 24. Juli 2024 (9 K 196/22), Revision eingelegt; Az des BFH: VI R 25/24
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hatte sich bei seiner Entscheidung - soweit ersichtlich erstmals - mit der Frage der Anwendbarkeit und Auslegung der mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020 (BGBl. I 2020, 1385) eingeführten Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11a EStG auseinanderzusetzen. Zu klären waren insbesondere Fragen zur rückwirkenden Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung in § 3 Nr. 11a EStG, zur Auslegung des Merkmals "auf Grund der Corona-Krise" sowie zur Anwendbarkeit und Auslegung der mit dem JStG 2020 (BGBl. I 2020, 3096) in § 8 Abs. 4 EStG ebenfalls neu eingeführten Definition des Zusätzlichkeitskriteriums.
Die Klägerin betreibt mehrere Lebensmittelläden. Ihren Mitarbeitern zahlte sie u.a. im Mai und November 2020 als Corona-Sonderzahlung deklarierte Geldleistungen steuerfrei aus. Über die Sonderzahlungen informierte sie die Beschäftigten durch interne Aushänge. In diesen gab sie zugleich bekannt, dass sie, wie in den Vorjahren, im Monat Mai Urlaubsgeld bzw. im Monat November einen Bonus als freiwillige Leistung gewähren werde. Die Lohnsteueraußenprüfung kam zu der Feststellung, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG für die in den Monaten Mai und November erbrachten Sonderzahlungen nicht erfüllt seien. Die Lohnsteuer nebst sonstiger Lohnsteuerabzugsbeträge wurde durch Nachforderungsbescheid festgesetzt.
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat die gegen den Nachforderungsbescheid erhobene Klage in seinem Urteil vom 24. Juli 2024 als unbegründet abgewiesen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11a EStG zwar rückwirkend ab dem 1. März 2020 anwendbar ist, deren Voraussetzungen im konkreten Fall aber weder hinsichtlich der Mai- noch der Novemberzahlung vorgelegen haben. Zum einen habe die Klägerin die als Corona-Sonderzahlung deklarierten Leistungen nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht. Aus den Gesamtumständen sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Klägerin ihren Mitarbeitern die als "Sonderzahlung Corona" bezeichneten Leistungen im Mai und November 2020 zur Abmilderung der besonderen Belastungen durch die Corona-Krise ausgezahlt hat. Der Senat berücksichtigte dabei die Angaben in den Verdienstabrechnungen, den Wortlaut der seitens der Klägerin ausgehängten internen Informationsschreiben, die Berechnungsmethode sowie die Auszahlungsmodalitäten der Sonderzahlungen. Zum anderen sei das Zusätzlichkeitskriterium weder nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur alten Rechtslage noch nach den Vorgaben des § 8 Abs. 4 EStG als erfüllt anzusehen. Die Corona-Sonderzahlung sei ersatzweise anstelle des Urlaubsgeldes bzw. der Bonuszahlung gewährt worden. Der geschuldete Arbeitslohn sei durch diese herabgesetzt worden.
Das Finanzgericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Diese wurde eingelegt und beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 25/24 geführt.
Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
3 K 145/23 - Urteil vom 30. Oktober 2024
Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten
Wird ein zur Finanzierung eines vermieteten Grundstücks aufgenommenes Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getilgt, das Grundstück jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt, dann ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
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3 K 22206/21 - Urteil vom 18. September 2024
Zur fortlaufenden Betriebsvermögenszugehörigkeit von ehemals dem Sonderbetriebsvermögen zuzurechnenden Miteigentumsanteilen an Grundstücken bei Aufgabe einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft
Bei der Übertragung oder Überführung von Miteigentumsanteilen an Grundstücken aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers bei Aufgabe des Betriebs einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft vor dem 17. Dezember 2020 gehen die Miteigentumsanteile an den betreffenden Grundstücken notwendig in das Privatvermögen über, sofern nicht eine Eigenbewirtschaftung durch den übernehmenden Mitunternehmer sich anschließt (entgegen BMF-Schreiben vom 17.05.2022, Rn. 14 f.).
Revision eingelegt; BFH-AZ: VI R 27/24
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5 K 44/20 - Urteil vom 09. Dezember 2021
Unentgeltliche Nutzungsüberlassung eines Stadions
Die unentgeltliche Überlassung der Nutzung eines zuvor vom überlassenden Unternehmer selbst zur Erbringung von steuerpflichtigen entgeltlichen Leistungen genutzten Stadions berechtigt nicht zur Berichtigung der Vorsteuer nach § 15a UStG, wohl aber zur Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG.
Revision zugelassen; BFH-AZ: XI R 23/23
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Urteil vom 25. Mai 2023 - 10 K 182/20
Feststellung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen
1. Für die Auslegung der in § 3a Abs. 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmale ist auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen.
2. Für die erforderliche Feststellung der Sanierungseignung enthält das Gesetz keine feste Beweisregel dahingehend, dass ein bestimmtes Kriterium, aus dem die Sanierungseignung abgeleitet werden kann, unbedingt vorliegen müsste. Wesentliche Indizien für das Bestehen von Sanierungseignung sind unter anderem das Vorliegen eines nachvollziehbaren und prüfbaren Sanierungskonzepts oder ein rückblickend erfolgreicher Abschluss der Sanierung.
3. Das Tatbestandsmerkmal der "Sanierungsabsicht der Gläubiger" hat im Rahmen des § 3a Abs. 2 EStG eine eigenständige Relevanz. Damit wäre es unvereinbar, das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals stets bereits dann zu vermuten, wenn ein einzelner Gläubiger im Zusammenhang mit einer Sanierung auf eine Forderung ganz oder teilweise verzichtet.
rechtskräftig
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Urteil vom 2. September 2024 - 13 K 185/23
Umwandlungssteuerrecht: Veräußerungsbegriff in § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 UmwStG
Eine vorangegangene Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 UmwStG liegt nur vor, wenn die stillen Reserven der vorher erhaltenen Anteile im Rahmen des Veräußerungsvorgangs aufgedeckt werden..
Revision eingelegt; BFH-AZ: X R 26/24
Gut zu wissen
Die Homeoffice-Pauschale
Die Homeoffice-Pauschale ist eine in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c des Einkommensteuergesetzes geregelte steuerliche Erleichterung für Steuerpflichtige, die von zu Hause aus arbeiten.
Sie ermöglicht es ihnen, pro Kalendertag einen Pauschalbetrag von 6 € (von 2020 bis 2022: 5 €) als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzuziehen. Maximal können 1.260 € (von 2020 bis 2022: 600 €) im Jahr geltend gemacht werden.
Verfügt der Steuerpflichtige über einen anderen Arbeitsplatz (etwa bei seinem Arbeitgeber) setzt der Abzug voraus, dass er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit an dem jeweiligen Kalendertag überwiegend von zu Hause ausübt und keinen anderen Arbeitsplatz aufsucht. Steht dem Steuerpflichtigen dagegen für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, kann die Tagespauschale auch dann abgezogen werden, wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auch auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.
Die Pauschale kann daher insbesondere auch dann in Anspruch genommen werden, wenn kein häusliches Arbeitszimmer vorhanden ist oder wenn etwa im Falle eines Durchgangszimmers oder einer Arbeitsecke oder bei nicht nur geringfügiger privater Mitbenutzung die strengen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmer nicht erfüllt werden. Das "Homeoffice" kann sich damit etwa auch in der Küche, im Wohnzimmer oder auf dem Balkon des Steuerpflichtigen befinden.
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Neues aus dem Finanzgericht
Fachtagung der Richterinnen und Richter der Finanzgerichte
Bei der diesjährigen Fachtagung der Richterinnen und Richter der Finanzgerichte, die vom 18. bis 20. November 2024 im Haupthaus des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin stattfand, trugen dreiRichter des Niedersächsischen Finanzgerichts als Referenten vor.
VRiFG Christoph Schirp gab einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen im steuerlichen Haftungsrecht, RiFG Dr. Thomas Keß stellte die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung dar und ordnete die Änderungen durch die Gesetzgebung und die zahlreiche zu der Regelung ergangene Rechtsprechung ein, RiFG Andre Ossinger beleuchtete die aktuellen Problemfelder in der Umsatzsteuer aus finanzgerichtlicher Sicht.
Die Fachtagung der Richterinnen und Richter der Finanzgerichte wird von der Bundesfinanzakademie organisiert und findet jährlich statt. Sie richtet sich an die Richterinnen und Richter der deutschen Finanzgerichte und dient der Fortbildung und dem fachlichen Austausch.
Aktuelles zur Besteuerung von Personengesellschaften, das war das Thema der inhouse Fortbildung für die Richterinnen und Richter am niedersächsischen Finanzgericht. Als Referenten konnte das Gericht den ehemaligen Kollegen Prof. Dr. Alexander Kratzsch gewinnen, der im Jahr 2018 von der finanzrichterlichen Tätigkeit in die steuerliche Beratung und Lehre gewechselt ist. Auf der Agenda des als Hybrid-Veranstaltung (Präsens und Skype) gestalteten Seminars standen u.a. die Auswirkungen des MoPeG aus handelsrechtlicher Sicht, die Auswirkungen des Wachstumschancengesetzes auf Personengesellschaften und die aktuelle Rechtsprechung zu verschiedenen Themen, beispielsweise zur erweiterten Kürzung bei Grundstückunternehmen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG), zum einbringungsbedingten Übergang eines Gewerbeverlustes (§ 10a GewStG) oder zur Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG bei Zinszahlungen an eine Personengesellschaft.
Dr. Alexander Kratzsch ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Gründungspartner vom Beratungswerk Steuern und Recht in Wiesbaden. Außerdem ist er Professor für Steuer- und Wirtschaftsrecht an der FHDW Hannover.
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