11/21/2024 | Press release | Distributed by Public on 11/21/2024 04:54
Karlsruhe/Berlin (DAV). Geht es darum, bei welchem Elternteil das Kind leben wird, muss das Gericht in aller Regel auch das Kind persönlich dazu anhören. Das betonte das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer Entscheidung (20. Februar 2024; AZ: 18 UF 221/23), wie die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)berichtet.
Als die Eltern sich trennten, entschieden sie, dass der seinerzeit einjährige Sohn beim Vater, die Tochter bei der Mutter leben würde. Der Vater litt an einer massiven Alkoholabhängigkeit. Im April 2022 wurde dem Jugendamt anonym gemeldet, dass deswegen eine Kindeswohlgefährdung des Sohnes bestehe. Ein Hausbesuch des Jugendamts ergab, dass der Vater in der Vergangenheit einen Suizidversuch und einen erweiterten Suizidversuch unternommen hatte. In der Folge unterzog sich der Vater erneut einer stationären psychiatrischen Behandlung. Nach einem weiteren Hausbesuch entschied das Jugendamt dann in Abstimmung mit den Eltern, dass der Sohn sofort zur Mutter umziehen solle.
Das Gericht übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter. Den Sohn hörte das Gericht nicht an: Darauf habe man verzichtet, weil sich der Kindeswille auch aus den Schilderungen des Vaters ableiten lasse. Diesen Kindeswillen dürfe man aber nicht beachten, weil er sich zum Nachteil des Kindes auswirken würde. Der Vater legte Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht verwies das Verfahren aufgrund schwerwiegender Verfahrensmängel zurück an das Familiengericht. Unter anderem hatten die Richter dort den Jungen nicht angehört. Das Gericht muss dies jedoch tun und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. Die Anhörung diene unter anderem der Ermittlung des Kindeswillens.
Die Annahme des Familiengerichts, der Kindeswille lasse sich aus dem ableiten, was ein Elternteil sage, sei bereits im Ausgangspunkt verfehlt. Gebe es Streit um den künftigen Lebensmittelpunkt des Kinds, sei dieses in der Regel den emotionalen Ansprüchen beider Elternteile ausgesetzt. Bei Kindern, die sich in einem Loyalitätskonflikt zwischen ihren Eltern befänden, sei es geradezu typisch, dass sie es beiden Elternteilen recht machen wollten und sich diesen gegenüber jeweils so äußerten, wie sie es seiner Meinung nach erwarteten.
Sollte tatsächlich der Wille des Kindes mit seinem Wohl nicht in Einklang zu bringen sein, sei dies in der Entscheidung zu begründen, entbinde das Gericht jedoch nicht von vornherein von der Pflicht, den Kindeswillen zu erforschen. Der Kindeswille sei zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar sei.
Information: www.dav-familienrecht.de
Pressemitteilungen Arbeitsgemeinschaften - Familienrecht vom 21.11.2024 11:48