The Office of the Federal President of Germany

06/28/2024 | Press release | Distributed by Public on 06/28/2024 03:52

Bundespräsident Steinmeier gratuliert Walter Frankenstein

Bundespräsident Steinmeier gratuliert Walter Frankenstein

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

28. Juni 202428. Juni 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert dem Holocaust-Überlebenden Walter Frankenstein zum 100. Geburtstag am 30. Juni. Der Bundespräsident schreibt:

Mit Freude und Dankbarkeit denke ich an unsere Begegnung in Stockholm bei einem Konzert am 8. September 2021 zurück. Der Applaus des Publikums, das Sie dort als Ehrengast begrüßt hat, ist mir in tiefer Erinnerung geblieben.

Seit fast siebzig Jahren ist Schweden Ihre Heimat. Ihr besonderer Geburtstag bietet Anlass, Ereignisse und Stätten Ihres eindrucksvollen Lebens Revue passieren zu lassen. Da ist Ihre Geburtsstadt Flatow, aus der Sie 1936, ein Kind noch, alleine nach Berlin gingen, um hier eine Schulbildung zu bekommen - etwas, das Ihnen, einem zwölfjährigen jüdischen Jungen, in Flatow bereits verwehrt wurde. In Berlin wurde das Auerbach'sche Waisenhaus Ihr Zufluchtsort. Hier sollten Sie 1941 Ihre spätere Ehefrau Leonie kennenlernen. Und dort, vom Dach des Waisenhauses, blickten Sie mit drei Freunden in der Nacht des 9. November 1938 hinab auf die brennenden Synagogen und jüdischen Einrichtungen Berlins.

Es folgten Zwangsarbeit und Jahre, in denen Sie, Ihre Ehefrau Leonie und Ihre beiden kleinen Söhne in Berlin nur im Untergrund überleben konnten, versteckt, um der Deportation und Verfolgung zu entgehen. Am 27. April 1945 erlebten Sie vier die Befreiung durch die sowjetische Armee.

Neun Jahre haben Sie in Berlin verbracht, darunter leidvolle und dunkle Jahre. Ihre Mutter, Ihre Schwiegermutter, Verwandte und Freunde sind von den Nationalsozialisten ermordet worden. Welches Leid Sie erlebt haben, welche Schrecken, welche Angst Sie ausgestanden haben und Sie bis heute weiterverfolgen, kann ich nicht erahnen. Doch trotz alledem haben Sie die Verbindung nie abgebrochen, sondern viele Brücken zwischen Ihrer schwedischen Heimat und Deutschland gebaut, besonders zu der Stadt Berlin. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Seit vielen Jahren engagieren Sie sich als Zeitzeuge und kommen nach Deutschland, um Schülerinnen und Schülern von Ihren grausamen und leidvollen Erfahrungen der Nazizeit zu berichten, von Ihrem Überleben im Untergrund, vom Neuanfang in Palästina und schließlich in Schweden. Dafür gebührt Ihnen meine höchste Anerkennung und die unseres Landes. Für junge Menschen ist so eine persönliche Begegnung mit einem Überlebenden des Holocaust von unschätzbarem Wert. Was Sie ihnen erzählen, wird nicht wieder vergessen, dessen bin ich mir sicher.